Aus: LunaPark21 – Heft 31
Verfahren nach der Dublin-II bzw. III-Verordnung
Die Verordnung gilt in allen Ländern der EU und den Nicht-EU Schengen-Staaten Norwegen, Schweiz und Island. Sie besagt, dass Asylsuchende in dem Land einen Asylantrag stellen und das Asylverfahren durchlaufen müssen, in dem sie zuerst den Boden eines der Vertragsstaaten betreten.
Reist die Asylsuchende einfach weiter, hat der nächste Staat, der betreten wird das Recht, Asylsuchende in das Land zurückzuschicken, in dem sie zuerst den Boden eines der Vertragsstaaten betreten haben. Um dieses Prinzip durchzusetzen, wurde zusätzlich das Fingerabdruckidentifizierungssystem (EURODAC) geschaffen, nach dem das zuerst betretene Land die Fingerabdrücke der Asylsuchenden nehmen muss, um den weiteren Ländern die Grundlage für eine Rückschiebung zu schaffen. Mit diesem System konnte Deutschland gut leben, da praktisch kein Flüchtling als ersten Vertragsstaat Deutschland betreten kann.
Das Dublin System ist aus zwei Gründen schon länger aus den Fugen geraten: Erstens weil zahlreiche Staaten mit EU-Außengrenzen, insbesondere Italien und Griechenland, jetzt auch Ungarn und Österreich, keine Fingerabdrücke nehmen, so dass die Asylsuchenden in ihr Wunschland weiterreisen und dort ins Asylverfahren eintreten können. Zweitens aufgrund der Rechtsprechung zahlreicher deutscher Verwaltungsgerichte, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs, die eine Abschiebung nach Griechenland und Italien gestoppt haben, weil dort den Abgeschobenen eine erniedrigende Behandlung i.S. von Art. 3 EMRK (europäische Menschenrechtskonvention droht). Damit war auch schon vor Merkels Flüchtlings-Willkommens-Rede das Dublin-Verfahren tatsächlich für die meisten Asylsuchenden obsolet geworden.
Vorrangprüfung bei der Arbeitssuche der Flüchtlinge
Halten sich Asylsuchende seit mehr als drei Monaten rechtmäßig in Deutschland auf, können sie nach § 61 Asylverfahrensgesetz eine Beschäftigung ausüben, wenn die Bundesanstalt für Arbeit ihre Zustimmung erteilt hat. Diese wird jedoch nur erteilt, wenn Deutsche, EU-AusländerInnen oder sonst Bevorzugte für den konkreten Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehen. Dies ist ein bürokratischer Aufwand, der erheblich Zeit in Anspruch nimmt und dessen Aufhebung von Flüchtlingsorganisationen und auch von Arbeitgeberverbänden gefordert wird. Nach fünfzehn Monaten Aufenthalt entfällt diese Vorrangprüfung und die Asylsuchenden können jeden angebotenen Arbeitsplatz annehmen. Das Mindestlohngesetz gilt auch in diesen Fällen. Im Fall der Abschiebung nehmen die Ausländerbehörden auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses allerdings keine Rücksicht.
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
Diese Leistungen erhalten alle AusländerInnen, die über keinen dauerhaften Aufenthaltstitel verfügen, also alle, die einen Asylantrag stellen, und andere, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht abgeschoben werden (können). Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2012 mussten die sog. Grundleistungen deutlich angehoben – für den sog. Haushaltsvorstand 359,- Euro (der normale Hartz IV-Satz liegt bei 399,- Euro) (§ 3 Asylbewerberleistungsgesetz, AsylbLG). In geringerem Umfang, vergleichbar dem Hartz-IV-System erhalten Ehepartner und Kinder (entsprechend dem Alter) geringere Leistungen. Hinzu kommen die Kosten für die Wohnung nach bestimmten Höchstmieten. Sachleistungen dürfen nur im Ausnahmefall gewährt werden (s.a. Aufnahmeeinrichtung). Eingeschränkt bleiben die Leistungen im Fall von Krankheit (§ 4 AsylbLG) (Leistungen nur im Fall akuter Erkrankungen und Schmerzzustände). Werden diese bejaht, zahlt der Staat direkt an Ärzte/innen oder Krankenhäuser, also nicht über die gesetzlichen Krankenversicherungen.
Aufnahmeeinrichtung
Hier müssen sich alle, die einen Asylantrag stellen wollen, melden. Die Polizei hat Einreisende an die Aufnahmeeinrichtungen weiterzuleiten. Die Aufnahmeeinrichtungen werden von den Bundesländern betrieben. Die Verteilung erfolgt nach dem sog. Königsteiner Schlüssel zwischen den Bundesländern (§ 45 AsylVfG). Dort erhalten die Asylsuchenden einen Termin bei einer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), um dort den förmlichen Asylantrag zu stellen. Die Asylsuchenden erhalten dann eine Aufenthaltsgestattung und es beginnt die 3-Monats-Wartefrist für den Antrag auf Arbeitserlaubnis. Die Aufenthaltsgestattung wird nicht erteilt, wenn eine Rückschiebung nach den Dublin-VO-Grundsätzen möglich ist (s. Dublin II-III-Verordnung).
Während des Aufenthalts in der Aufnahmeeinrichtung sind die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eingeschränkt. Die Grundleistungen betragen 140,- Euro in bar für den Haushaltsvorstand („Taschengeld“), hinzu kommen Verpflegung und Kleidung.
Die Verpflichtung, in der Aufnahmeeinrichtung zu wohnen endet nach 3 Monaten (§ 47 AsylVfG). Danach sollen die Asylsuchenden in eine Gemeinschaftsunterkunft umziehen (§ 53 Asyl VfG). Sie können jedoch, anders als früher, Reisen auch in andere Bundesländer unternehmen (§ 59a AsylVfG) und erhalten die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (s. dort).
Sichere Herkunftsländer/ Drittstaaten
Art 16a Abs. 3 Grundgesetz (GG) legt fest, dass durch (deutsches) Gesetz Staaten festgelegt werden können, in denen keine politische Verfolgung oder sonst unmenschliche Verfolgung stattfindet („sichere Herkunftsländer“). Stellt ein Mensch aus einem solchen Land einen Asylantrag, wird dieser als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Damit werden die rechtlichen Möglichkeiten gegen einen abgelehnten Asylantrag erheblich verkürzt. Die Ausreisefrist beträgt nur eine Woche. Nur wenn der/die Antragstellende Tatsachen vortragen kann, die die Vermutung widerlegt, dass keine Verfolgung vorliegt, kann ins normale Asylverfahren eingetreten und am Ende ausnahmsweise sogar Asyl gewährt werden. Als sichere Herkunftsländer hat Deutschland definiert: Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Ghana und Senegal (Anlage II zu § 29a AsylVfG) und – natürlich – alle Staaten der EU.
Der Kosovo und Montenegro verlangen von sich aus, in diese Liste aufgenommen zu werden.
Österreich hat schon alle sog. Westbalkan-Staaten, also auch Kosovo, Montenegro und Albanien, zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Das System gibt sich blind dafür, dass der größte Teil der Flüchtlinge aus diesen Ländern Roma sind (aus Serbien 90%, aus Bosnien-Herzegowina 60%, aus Mazedonien 63%). Deren Unterdrückung in diesen Ländern ist vielfach dokumentiert. Trotzdem liegt die Anerkennungsquote in Deutschland praktisch bei 0, die Schweiz hingegen gewährt z.B. 37 Prozent der Flüchtlinge aus Serbien Asyl, Frankreich 20 Prozent der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina.
Kontingentflüchtling
Die – rechtlichen – Möglichkeiten, (neben dem klassischen Begriff des Asyls in Art. 16a GG) in Deutschland auf Grund politischer Verfolgung, oder anderer unmenschlicher Behandlung ein Aufenthaltsrecht zu erhalten, sind vielfältig. Hiervon soll hier nur der Begriff des Kontingentflüchtlings beschrieben werden.
Das Bundesinnenministerium oder einzelne Bundesländer, aber nur mit Zustimmung des Bundesinnenministeriums, können pauschal festlegen, dass Ausländer/innen aus bestimmten Staaten oder bestimmte Ausländergruppen aus bestimmten Staaten quasi pauschal ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zuerkannt bekommen. Dies kann auch aus humanitären Gründen bestehen.
Es findet dann kein individuelles Asylverfahren statt, sondern die Anerkennung erfolgt pauschal entsprechend dem beschriebenen Beschluss, allerdings nur für den Zeitraum, in dem die politische Verfolgung im Herkunftsland andauert. Deutschland hat nur selten (1985 für Vietnam, 1990 für Albanien und ab 1991 für Menschen jüdischen Glaubens aus den Staaten der Ex-UdSSR) von dieser Regelung Gebrauch gemacht. Aus Syrien wurden seit Beginn des Bürgerkriegs 21600 Kontingentflüchtlinge von Deutschland akzeptiert. Die Zahl der insgesamt Geflüchteten aus Syrien wird auf 4,3 Millionen, die der Binnenflüchtlinge auf 7,6 Millionen geschätzt, hiervon sind 100000 nach Deutschland gekommen.
Thomas Fruth arbeitet als Rechtsanwalt in Berlin