Als Marx das „Kapital“ schrieb, hatte er vermutlich nicht die Phantasie, sich vorzustellen, man werde künftig „Verschmutzungsrechte“ kaufen können.
„Verschmutzungsrechte“ sind ursprünglich entstanden, als in den 1980er Jahren Fluorchlorkohlenwasserstoffe als zerstörerische Ozonkiller erkannt worden waren. Durch Handel mit Zertifikaten sollte bei Herstellern und Nutzern deren Ausstoß vermindert werden – angeblich flexibel zu volkswirtschaftlich geringsten Kosten.
„Verschmutzungsrechte“ entstanden aus der Erkenntnis, dass Unternehmen bevorzugt nutzen und gegebenenfalls verdrecken, was sie kostenlos verwenden können – Luft, Wasser, Land. Um das zu verhindern, sollten keine Verbote mehr erlassen werden, sondern das Verdrecken sollte etwas kosten.
„Verschmutzungsrechte“ sind Regulierungsmechanismen, bei denen erwünschte Minderungen von Ausstoßmengen über einen politisch regulierten Markt gehandelt werden.
„Verschmutzungsrechte“ sind untypische Waren. Emissionszertifikate sind Pseudowaren, deren Ausgangs-Preise durch Regierungen festgesetzt werden, die sich dann aber auf einem teilweisen freien Markt entwickeln. Der Preis bisher gehandelter Emissionszertifikate fiel in dem Moment, als das wirtschaftliche Wachstum zurückging. Dadurch wirkten sie aber auch nicht mehr als Mittel zur Schadstoffreduzierung.
„Verschmutzungsrechte“ sind Rechte von Eigentümern. Die Betreiber von Anlagen wie Kraftwerken oder die Hersteller von Waren wie Kraftfahrzeugen erwerben damit vom Staat das Recht, Emissionen auszustoßen oder ausstoßen zu lassen, Dritte zu schädigen und bei Verzicht auf diese schädliche Produktion Geld durch den Verkauf dieser Zertifikate zu erwirtschaften.
Emissionshandel ist ein typisches Geschäft auf Kosten Dritter. Außer dem Schaden haben die von Emissionen behelligten Menschen nichts von diesem Handel. Nicht die Opfer von krankmachenden Gasen oder klimaverändernden Produktionen erhalten als Ausgleich für Schäden Geld, sondern der Staat und, im Falle des Weiterverkaufs, der Betreiber der Anlage.
Der Emissionshandel dient nur einem Regulierungszweck, der an die Stelle des Verbotes des Betreibens einer Anlage tritt.
„Verschmutzungsrechte“ sind der schlechte Ersatz für eine strikt gehandhabte Betriebsgenehmigung durch den Staat. Sie bedeuten praktisch, dass Grenzen für Schadstoffmengen nicht eingehalten, sondern nach Geldzahlungen überschritten werden können. Deshalb wird nicht mehr nach dem neuesten Stand der Technik produziert, sondern so, wie es das produzierende Unternehmen nach seiner Kostenkalkulation möchte.
Frühere Betriebsgenehmigungen hatten immer Bestimmungen enthalten, die Anlage „auf dem neuesten Stand der Technik“ zu halten. Beim Emissionshandel wird dem Betreiber freigestellt, ob er nach dem Willen der Genehmigungsbehörde teurer werdende Verschmutzungsrechte in Anspruch nimmt oder effizienzsteigernde Erneuerungs-Investitionen vornimmt.
Bisher galt es als hinzunehmendes Risiko des Betreibers einer Anlage, wenn er in seiner Produktion hinter dem zurückblieb, was technisch möglich war und deshalb seine teuren Waren nicht mehr absetzen konnte. „Verschmutzungsrechte“ geben Betreibern von Anlagen das Recht und die Garantie, diese auf dem veralteten Stand weiter zu betreiben, wenn sie die Verschmutzungsrechte bezahlen.
„Verschmutzungsrechte“ bewirken nicht, dass weniger herumgeschmutzt wird, sondern dass sich Eigentümer auch noch im Recht sehen, wenn sie das tun, was sie schon bisher taten: uns ihren größeren Dreck ins Gesicht blasen, ins Essen spucken oder unsere Brunnen vergiften.
Jürgen Bönig schreibt Geisterbahn. Geisterbahnfahrer freuen sich, wenn das Fahrzeug schadstoffgemindert vor dem Schreckgespenst wegschwenkt, auch wenn es falsch abbiegt.