spezial >> Kapitale Medienmacht & neoliberales Trommelfeuer

„Cashflow!“ Jüngst stieg der Milliardär Nicolas Berggruen, fälschlicherweise als „Karstadt-Retter“ gepriesen, bei dem führenden spanischen Medienkonzern Prisa ein. Prisa ist u.a. Herausgeber der führenden spanischen Tageszeitung El Pais. Auf das Anlagefeld Prisa wiederum kam dieser Investor, weil er zuvor in Portugal das Unternehmen Media Capital übernommen und dieses zum größten Medienkonzern dieses Landes aufgebaut hatte. In einem Interview, das die Süddeutsche Zeitung am 18. September 2010 mit Berggruen führte, antwortete dieser auf die Frage „Was fasziniert Sie an Medien?“ schlicht: „Die Wahrheit? Nichts anderes, als das, was mich bei anderen Geschäften fasziniert: Cashflow!“

Es sind drei Ebenen, die im Kapitalismus Medien in Waffen gegen Demokratie und Gesellschaft verwandeln. Die erste Ebene ist die von Berggruen angesprochene: Wenn Journalismus – Meinung, Recherche, Kommentare, Analyse – zu Waren werden, wenn allein der „Cashflow“ interessiert, dann treten bereits hier Wahrheit, Fakten und Aufklärung an die zweite Stelle, hinter den Gewinn.

Die zweite Ebene ist die der Medien-Konzerne als Teil der politischen Zurichtung der Gesellschaft im Sinne der Kapitalinteressen: Die Eigentümer der weltweit führenden Medienkonzerne sind Teil der herrschenden Klasse und damit Teil einer radikalen kleinen Minderheit, deren Interessen in Widerspruch zu denen der großen Mehrheit steht. Entsprechend machen sie mit ihrer Medienmacht Politik – und zwar überwiegend aggressive neoliberale Politik. Murdoch, Springer oder Bertelsmann sind solche rechten medialen Politik-Macher. Die genannten Mediengruppen Media Capital in Lissabon und Prisa in Madrid unterstützen mit ihren „Flaggschiffen“ – und dies ist ein ausgesprochen zutreffender Begriff; Flaggschiffe sind die Führungsschiffe in einer Kriegsflotte! – die aggressive neoliberale Politik, die die Regierungen ihrer Länder im Auftrag der Troika und nicht zuletzt der deutschen Kanzlerin umsetzen. Und wie oft ist dabei die Rede von einem „Krieg zur Rettung des Euro“!

Was überleitet zur dritten Ebene, auf der Medien im Vorfeld von Kriegen und in Kriegen selbst zu antidemokratischen Waffen werden. Der Spruch, wonach im Krieg die Wahrheit als erstes sterbe, klingt ja pathetisch und leicht moralisierend. Doch just so ist es höchst Konkret. Um für diese Kriege, die ja meist die Fortsetzung der Konkurrenz mit anderen Mitteln sind, Unterstützung zu mobilisieren, bedarf es gut konstruierter Großlügen, mit denen die Bevölkerung unter Einsatz aller medialer Macht beschossen wird.

Im neuen Lunapark21-Spezial widmen wir uns auf den folgenden 20 Seiten dem Thema Kapitalismus und Medienmacht und auch den Möglichkeiten alternativen medialen Engagements. Im ersten Beitrag spannt Tomasz Konicz einen großen Bogen von den Ursprüngen des kapitalistischen Zeitungswesens über die Struktur des aktuellen Medien-Weltkapitals bis hin zur konkreten neoliberalen Politik einzelner Medienkonzerne. Manfred Dietenberger liefert ein Porträt des führenden deutschen Medienkonzerns Bertelsmann. Stefan Kraft breitet die widersprüchlichen Facetten aus, die das Thema „geistiges Eigentum“ im Rahmen der kapitalistischen Struktur von Medien und Internet hat. Mag Wompel (Bochum), Hannes Hofbauer (Wien) und Pit Wuhrer (Zürich) skizzieren Möglichkeiten alternativer Medienarbeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Urs-Bonifaz Kohler argumentiert, weshalb Facebook ein höchst unsoziales Netzwerk sei.

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