Nichts hat unsere Aussichten auf eine humane Gesellschaftsordnung stärker verdüstert, als die Verwandlung von Wissen und Informationen in Waren, die von gigantischen Medienkonzernen produziert und gehandelt werden.
Seine historischen Anfänge hat das Medienkapital im 19. Jahrhundert, als im Gefolge der industriellen Revolution die ersten Zeitungen mit größeren Auflagen aufkamen und sich eine „öffentliche Meinung“ im Bürgertum herausbildete. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten französische Zeitungskapitalisten die Geschäftsgrundlage, auf der Informationen bis zum heutigen Tage gehandelt werden – und die dafür sorgt, dass radikale Kritik im Medienbetrieb bestenfalls eine marginale Rolle spielt. Mittels Anzeigen, die andere Kapitalisten für ihre Produkte in der Zeitung aufgeben, wird von den meisten Massenblättern seit dem 19. Jahrhundert ein Großteil der Einnahmen erzielt, wodurch die Zeitungspreise stark gesenkt und neue Leserkreise erschlossen werden konnten (was nochmals höhere Anzeigenpreise ermöglicht).
Die Medien im Kapitalismus sind somit im doppelten Sinne käuflich – für diejenigen, die sie per Abo oder am Kiosk erwerben. Vor allem aber für diejenigen, die es sich leisten können, die Anzeigenseiten mit ihren Inseraten zu füllen. Mit der diesem Geschäftsprinzip korrespondierenden bürgerlichen Ideologie, die die Pressefreiheit als eine Abart der Gewerbefreiheit definiert, musste sich auch Karl Marx in jungen Jahren als Mitarbeiter der Rheinischen Zeitung auseinandersetzen: „Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein,“ entgegnete Marx den liberalen Befürwortern des aufkommenden Medienmarktes schon 1842. Bei der Gleichsetzung von Pressefreiheit und Gewerbefreiheit würde man „die Pressefreiheit (…) verteidigen, indem man sie vor der Verteidigung totschlägt,“ so Marx.
Das ganze Potenzial an Massentäuschung, ideologischer Indoktrination und Demagogie, das die sich rasant entwickelnden Massenmedien boten, wurde erstmals während des 1. Weltkrieges offenbar, als die Zeitungen in ihrer Kriegshetze zu regelrechten Propagandakompanien der jeweiligen Militärapparate verkamen. Der Schriftsteller Karl Kraus widmete aufgrund dieser Erfahrungen einen großen Teil seiner publizistischen Tätigkeit der ätzenden Kritik an der „Journaille“, am Personal des Medienbetriebs, das die Weisungen seiner Auftraggeber als die eigene Meinung auszugeben hat. Die Form, das Blendwerk, tritt so an die Stelle der Aufklärung über gesellschaftliche Zusammenhänge: „Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können – das macht den Journalisten,“ so Kraus.
Seit den von der Journaille angefachten Massenschlachten der Weltkriege haben sich die Massenmedien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu dem zentralen Pfeiler kapitalistischer Herrschaftssicherung entwickelt. Die Theoretiker Theodor Adorno und Max Horkheimer prägten den Begriff der Kulturindustrie für diese kapitalistische Medienmacht, die sukzessive alle Gesellschaftsbereiche okkupierte und so kritisches Denken erfolgreich marginalisierte. Medienkonzerne bilden die ideologischen und machtpolitischen Knotenpunkte, an denen sich Kapitalinteressen in politischen Druck und öffentliche Stimmungen umwandeln. Durch Medienkampagnen können breite Bevölkerungsschichten dazu gebracht werden, entgegen ihren ureigensten Interessen zu handeln. Politische Kräfte können aufgebaut oder zerschlagen werden.
Club der Medien-Mächtigen
Die einflussreichen Herausgeber dieser massenwirksamen Presseerzeugnisse bildeten schon immer einen äußerst exklusiven Klub. Bereits 1956 schrieb Paul Sethe, einer der Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, im Hinblick auf die beständigen Konzentrationsprozesse auf dem Medienmarkt: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer größeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer größer und immer gefährlicher.“
Dabei können wir heutzutage von solch einer „Vielfalt“ von 200 dominanten Medienkapitalisten nur träumen: Die Medienmärkte sind in den meisten Ländern des Westens nur noch von wenigen gigantischen Konzernen dominiert. In Deutschland etwa haben 2010 die zehn größten Zeitungskonzerne rund 58 Prozent des Marktes für Tageszeitungen unter ihrer Kontrolle, wobei die wichtigsten Konzentrationsprozesse in den vergangenen Jahrzehnten in der absoluten Spitzengruppe der Top-Fünf-Pressekonzerne abliefen, die nun knapp 44 Prozent der Zeitungsauflage in Deutschland zu verantworten haben. Absoluter Spitzenreiter auf dem deutschen Pressemarkt ist mit 19,6 Prozent die stockkonservative Axel Springer AG, gefolgt von der Süddeutschen Medien Holding (SWMH), der WAZ-Verlagsgruppe und DuMont Schauberg. Noch krasser gestaltet sich der Konzentrationsprozess auf dem Markt für Zeitschriften, wo die vier größten Verlage Bauer, Springer, Gruner & Jahr und Burda einen Marktanteil von rund zwei Dritteln aufweisen. Der deutsche Fernsehmarkt wird ohnehin von den zwei großen privaten Konzernen ProSiebenSat.1 Media AG (Marktanteil von rund 20 Prozent) und der im Besitz der Bertelsmann AG befindlichen RTL-Group (12,5 Prozent Marktanteil), sowie den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten beherrscht, die sich bei ihrer Programmgestaltung längst dem hohlen Unterhaltungsprogramm der Privaten angenähert haben. Dennoch garantieren die öffentlich-rechtlichen Medien trotz ihrer strikten politischen Kontrolle zumindest ein gewisses Mindestmaß an medialer Vielfalt, die auch einige Nischen für kritische Sendungen wie etwa das WDR-Recherchemagazin Monitor bietet.
Land der unbegrenzten Medien-Macht-Möglichkeiten
Die Eigentumsstruktur der Massenmedien in den Vereinigten Staaten stellt hingegen das Paradebeispiel für einen Mediensektor dar, auf dem die Konzentrationsprozesse des Kapitals auf die Spitze getrieben wurden. Es sind nur noch sechs Mediengiganten, die rund 90 Prozent dessen kontrollieren, was die Menschen in den USA sehen, lesen oder hören – und diesen somit eine „Illusion der Wahlmöglichkeit“ verschafften, meldete die Newssite Business Insider Mitte 2012. Die „großen Sechs“ des amerikanischen Medienmarktes bestehen – in der Reihenfolge ihres Jahresumsatzes – aus Comcast/ NBCU, The Walt Disney Company, News Corp., Viacom, CBS und Time Warner. Dabei handelt es sich auch hier um eine Verzerrung, da Viacom und CBS erst 2005 in formell unabhängige Unternehmen aufgesplittet wurden, aber weiterhin von Medienmogul Summer Redstone geführt werden. Ein Rückblick ins Jahr 1983 verschafft uns eine Ahnung der ungeheuren Konzentrationsprozesse auf den US-Medienmarkt in den vergangenen Jahrzehnten: Damals kontrollieren noch 50 unabhängige Medienkonzerne 90 Prozent des Marktes.
Diese marktbeherrschenden US-Konzerngiganten gehören mit ihren Jahresumsätzen zwischen 40 Milliarden Euro (Comcast) und 20 Milliarden Euro (Time Warner) auch zu den weltweit größten Medienunternehmen. Auf dieser Weltrangliste des Medienkapitals kommt erst auf Platz sieben mit Sony Entertainment ein japanischer Konzern. Auf Platz acht folgt der größte deutsche Medienriese, Bertelsmann (Umsatz 2012: 15,2 Milliarden Euro). Platz neun belegt das französische Unternehmen Vivendi.
Der drittgrößte europäische Medienkonzern, Lagardère Media, kommt mit einem Umsatz von 7,6 Milliarden Euro ebenfalls aus Frankreich und weist eine äußerst „praktische“ Unternehmensstruktur auf. Neben zahlreichen Zeitungen, Verlagen, Fernsehkanälen und Radiostationen ist der Konzern auch in der Rüstungsindustrie aktiv: Lagardère Media hält 7,5 Prozent an dem Rüstungskonzern EADS. Eine dominante Rolle auf dem italienischen Medienmarkt spielt selbstverständlich Mediaset SpA (Nr. 29 auf der Weltrangliste), das Fernsehimperium des ehemaligen Ministerpräsidenten Berlusconi, in dem drei italienische und zwei spanische Fernsehsender vereinigt sind. Berlusconi besitzt überdies unter dem Dach seiner Holding Fininvest das größte Verlagshaus Italiens (Mondadori), die Filmproduktionsfirma Medusa und den Fußballklub A.C. Milan.
Aufstieg neuer, Abstieg alter Medien
Die Medienbranche ist seit dem Aufkommen des Internets einem beschleunigten Strukturwandel ausgesetzt, bei dem vor allem die Zeitungen und Zeitschriften einen beständigen Auflagenverlust verzeichnen, während der gesättigte Fernsehmarkt stagniert oder leicht rückläufig ist. Allein im dritten Quartal 2012 sank die Auflage aller in Deutschland verkauften Tageszeitungen und Zeitschriften um 3,62 Prozent, wobei der langfristige Trend diesen Kahlschlag im Blätterwald viel deutlicher wiedergibt. Die Auflage der Bild-Zeitung etwa schrumpfte von 4,5 Millionen im Jahr 1998 auf nur noch 2,8 Millionen 2011. Die Auflage der FAZ ging im selben Zeitraum von 439000 Exemplaren auf 380000 Exemplare zurück. Auch die meisten anderen überregionalen Tageszeitungen und Wochenmagazine kämpfen mit beständig sinkender Nachfrage nach ihren Produkten, während die Kosten für die Online-Präsenz zumeist nicht durch die mageren Werbeeinnahmen im Netz gedeckt werden können.
Eine Ausnahme stellt hier das Portal Spiegel-Online dar, das tatsächlich profitabel arbeitet. Die neuen Aufsteiger innerhalb der Medienbranche stellen hingegen die Internetkonzerne dar. Der Suchmaschinenbetreiber Google erreichte 2011 gleich hinter Disney mit einem Umsatz von 27,3 Milliarden Euro bereits den dritten Platz auf der Rangliste der größten Medienkonzerne, die vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik erstellt wird. Das Internetportal Yahoo liegt auf Platz 34 (Umsatz: 3,5 Milliarden Euro). Das jüngst mit mäßigem Erfolg an die Börse gebrachte soziale Netzwerk Facebook kommt immerhin auf einen Umsatz von etwas mehr als einer Milliarde Euro.
Muster für eine Welt-Medien-Macht: Murdoch
Die geballte Konzentration von Medienmacht ermöglicht die umfassende Formung der „öffentlichen Meinung“. Diesen Machtfaktor kann wiederum kein Politiker ignorieren, der gewählt werden will. Bislang sind es zumeist die Chefs der „traditionellen“ Medienkonzerne, die ihre Machtfülle einsetzten, um Kapitalinteressen durchzusetzen oder Politik zu machen. Ein fast schon klischeehaftes Paradebeispiel für den machtgierigen und rücksichtslosen Medienmogul, der in der Politik die Puppen nach seiner Pfeife tanzen lässt, bietet der erzreaktionäre Milliardär und Boss der News Corp., Rupert Murdoch. Mit einem Umsatz von umgerechnet knapp 24 Milliarden Euro stellt das weitverzweigte Medienimperium Murdochs einen der wichtigsten Machtfaktoren bei der Formung der „öffentlichen Meinung“ in den Vereinigten Staaten, in Australien und in Großbritannien dar. Die News Corp. publiziert weltweit 175 Zeitungen, inklusive der als „Meinungsführer“ fungierenden Blätter „New York Post“, „Wall Street Journal“ und der „Times“ (London). In den USA ist Murdoch mit 35 TV-Sendern präsent, die rund 40 Prozent des Landes abdecken. Das Flaggschiff seiner Kabelsender bildet der berüchtigte „Nachrichtensender“ Fox-News, der eine zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus oszillierende Realsatire objektiver Berichterstattung darstellt, die selbst lockerste journalistische Mindeststandards mühelos unterschreitet. Zu jeder Nacht- oder Tageszeit sei „eine von fünf amerikanischen Familien“ dabei, von der News Corp. produziertes Medienmaterial zu konsumieren, berichtete die Zeitschrift „Businessweek“.
In Großbritannien besitzt Murdoch neben der „Times“ mit der auflagenstärksten Boulevardzeitung „The Sun“ das inzwischen einflussreichste Boulevard-Blatt der westlichen Welt, das mit durchschnittlich 2,9 verkauften Exemplaren eine größere Auflage als die deutsche Bild-Zeitung hat. Seine Dominanz im Pay-TV konnte die News Corp. 1990 mit dem Aufbau des Bezahlsenders BSkyB erringen, der 11 Millionen Haushalte im Vereinigten Königreich und Irland erreicht. Ähnlich gut aufgestellt sind Murdochs Bezahlsender in Deutschland (Sky Deutschland) und Italien (Sky Italia), wo sie ebenfalls die Marktführerschaft innehaben.
Rupert Murdoch hatte es sich schon früh zur Gewohnheit gemacht, die Medienmacht seines Konzerns zur Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen und Interessen zu missbrauchen, wie der ehemalige New Yorker Bürgermeister Ed Koch ausführte. Während des Bürgermeisterwahlkampfs von 1978, nur kurze Zeit nach dem Aufkauf der „New York Post“, ließ Murdoch alle drei aussichtsreichen Kandidaten bei sich vorsprechen. Er befragte einen jeden Kandidaten, wie er die aufmüpfigen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst zu zerschlagen gedenke, die damals mit Streiks drohten. „Ich habe gesagt, dass ich den Streik brechen würde. Wenn sie streiken, wird der Streik für illegal erklärt und sie werden verlieren,“ erinnerte sich Koch gegenüber dem Magazin „The New Yorker“. Murdoch soll von diesem Zugeständnis „beeindruckt“ gewesen sein, doch galt der als Law-and-Order-Populist auftretende Koch als ein Underdog im Rennen um das Bürgermeisteramt, dem gegen seine bekannten Kontrahenten kaum Chancen eingeräumt wurden. Koch erhielt wenige Tage später einen Anruf von Murdoch, der ihm mitteilte, dass die New York Post eine Wahlempfehlung für ihn aussprechen und ihn im Wahlkampf unterstützen werde. Ed Koch, der über drei Amtsperioden bis 1989 den Bürgermeisterposten in New York okkupieren sollte, erinnerte sich noch an seine erste Reaktion auf diese Mitteilung des Medienmoguls: „Du hast mich gerade gewählt, Ruppert.“
Murdoch in Großbritannien
Mit der Expansion seines Medienimperiums wuchs auch der machtpolitische Ehrgeiz Murdochs immer weiter an. Aus den Bürgermeistern, die durch serviles Verhalten sein Wohlwollen erkaufen wollten, wurden Staatsoberhäupter und Regierungschefs. Der scheidende englische Ministerpräsident Tony Blair hat seine Beziehung zu Murdoch bei der 2006 gehaltenen Eröffnungsrede der alljährlichen Konferenz des Konzerns News Corp. folgendermaßen umrissen: „Rupert, als ich dich das erste Mal traf, war ich mir nicht sicher, ob ich dich mag, aber ich fürchtete dich. Jetzt, da die Tage meiner Wahlkämpfe vorbei sind, fürchte ich dich eigentlich nicht mehr, aber ich mag dich.“
Auf diesen Konferenzen lässt Murdoch gerne die Eliten aus Politik und Kapital antanzen und einen „Erfahrungsaustausch“ durchführen. Die hochrangige Gästeliste des Events im Jahr 2006 umfasste so einflussreiche Politiker wie Bill Clinton, John McCain, Al Gore, Arnold Schwarzenegger oder Shimon Peres, die dort in einen Austausch mit den Spitzenmanagern der News Corp. und anderen Größen des Medienbusiness traten. Die Lobhudelei Blairs gegenüber Murdoch ist nur aus Augenzeugenberichten überliefert, da während der gesamten Konferenz dieses Meinungsmachers der unabhängigen Presse der Zutritt verwehrt wird und die dort gehaltenen Gespräche zwischen Kapital und Politik nicht aufgezeichnet werden dürfen.
Dabei gaben auch die häufigen privaten Besuche Murdochs in der Downing Street Nr 10, in der Residenz des Ministerpräsidenten Blair, Auskunft über die innige Freundschaft zwischen Medienmogul und Regierungschef. Murdochs Massenmedien wirkten seit 1980 als wichtige Unterstützer der Konservativen unter der „eisernen Lady“ Margaret Thatcher, die den neoliberalen Umbau der britischen Gesellschaft mit aller Gewalt durchsetzte. Es gilt unter Beobachtern beispielsweise als gesichert, dass es die wütenden Attacken der Murdoch-Presse waren, die 1992 den unterwarteten Sieg der Konservativen unter dem Thatcher-Nachfolger John Mayor gegen Labour unter Neil Kinnock ermöglichten. Murdochs Revolverblatt „The Sun“ titelte etwa am Wahltag: „Wenn Kinnock heute gewinnt, soll die letzte Person, die Großbritannien verlässt, bitte das Licht ausmachen.“ Erst diese Niederlage der britischen Sozialisten machte den Weg frei für Tony Blair, der Labour ab 1994 einer umfassenden neoliberalen Transformation unterzog – und somit faktisch diese Partei als eine sozialistische oder als eine den Gewerkschaften verbundene Arbeiterpartei abschaffte.
Neokoloniale Welle
Nach einem ersten Treffen zwischen Blair und Murdoch im September 1994, bei dem der neue Labour-Chef dem Medienmogul versicherte, unter seiner Regierung die Mediengesetze nicht zu ändern, fand die entscheidende Zusammenkunft 1995 bei der News Corp-Konferenz statt. Hier habe Blair sich als einen „radikalen Modernisierer“ dargestellt, der das Erbe von Margaret Thatcher antreten werde, schrieb der ehemalige „Sunday Times“-Chefredakteur Andrew Neil in seinen Memoiren. Gegen Ende 1995 hätten „Murdochs Chefredakteure kaum Zweifel gehabt, dass Blair ihr Mann ist“, so Neil. Bei den Wahlen 1997 stützen dessen Massenblätter „The Sun“ und „News of the World“ den Vorsitzenden von „New Labour“, der prompt den Urnengang für sich entscheiden konnte.
Großbritanniens Premier und das Haus Murdoch
Ist es nicht originell, wenn man auf sein Handy eine Mail bekommt, die mit einem Gruß endet, der kurz zuvor Hauptschlagzeile der größten Tageszeitung des Landes war – und wenn die SMS-Schreiberin auch noch für die Hauptschlagzeile mitverantwortlich ist? Dies durfte der heutige britische Premierminister David Cameron 2009 erleben, als er noch Oppositionsführer war und den Sturm auf Nr. 10 Dowing Street, den Amtssitz des Regierungschefs, einläutete. Dass dies und einiges andere bekannt wurde, verdanken wir einem Untersuchungsausschuss zur „Ethik der Medien“ des britischen Unterhauses, der 2011 als Folge des Abhörskandals von Murdoch-Blättern – u.a. von „News oft he World“ – ins Leben gerufen worden war.Die Geschichte geht so: Am Vorabend einer großen Parteitagsrede, die Cameron als Oppositionsführer zu halten gedachte, erhielt er eine SMS von Rebekah Brooks, der damaligen Chefredakteurin von „News oft the World“ und „Sun“. In der SMS wünschte Mrs. Brooks Cameron „als Freundin viel Glück“ und erklärte: „Auch professionell sind wir definitiv auf einer Linie“. Die SMS endete mit „Yes we CAM“, einem Wortspiel, Camerons Namen in Verbindung mit Obamas Wahlkampf-Slogan „Yes we can“ bringend.
Zur Debatte steht, ob es ähnlich wie im Fall Tony Blair einen Deal zwischen Cameron und Murdoch gab, als dessen Folge Cameron vom Murdoch-Imperium unterstützt und schließlich Premier wurde. Sicher ist, dass sofort nach Camerons Wahlsieg Murdoch ankündigte, er wolle den britischen TV-Konzern BSkyB, an dem er bisher 39 Prozent hält, ganz übernehmen. Cameron ließ dieses Ansinnen von seinem Kulturminister Jeremy Hunt prüfen, der dem Deal wohlgesonnen war. Dabei hatte der britische Premier den eigentlich zuständigen und Murdoch-kritischen Wirtschaftsminister Vince Cable ausgeschaltet. Der Deal kam am Ende nicht zustande, weil der Abhörskandal um „News oft the World“ allzu hohe Wellen schlug.
Im erwähnten Untersuchungsausschuss wurde festgestellt, dass sich Cameron in den Jahren 2005 bis 2010 als Oppositionsführer exakt 1404 Mal mit Medienvertretern getroffen hatte, ziemlich genau 26 Mal im Monat. Die meisten Treffen fanden zwischen Cameron und Murdoch-Leuten statt. 2008 reiste Cameron auf die griechische Insel Santorin, um Murdoch „bei einem Abendessen endlich besser kennen zu lernen.“
In den Vereinigten Staaten gehörte Murdoch zu den fanatischsten Anhängern und Unterstützern des neoliberalen Präsidenten Ronald Reagan, um sich später von dessen Nachfolger George H. W. Bush zu distanzieren, der ihm aufgrund einiger Steuererhöhungen suspekt wurde – und der schließlich die Wahlen gegen Bill Clinton verlor. Während der Regierungszeit der Clinton-Administration unterstützte Murdoch den rechten, zum Extremismus tendierenden Flügel der Republikaner, wie etwa den damaligen Clinton-Gegenspieler und Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich. Zudem hob die News Corp. 1995 die neokonservative Zeitschrift „Weekly Standard“ aus der Taufe, die zu dem publizistischen Sprachrohr der Neocons avancierte, die während der Regentschaft des republikanischen Präsidenten George W. Bushs (des Sohns von George H. W. Bush) zu der einflussreichsten politischen Kraft in Washington aufstiegen und maßgeblich den Angriffskrieg der USA gegen den Irak forcierten.
Spezialgebiet Krieg
Neben der brutalen Zerschlagung von Gewerkschaften, der Schleifung des Sozialstaates, totaler Deregulierung insbesondere des Medienmarktes und immer neuen Steuersenkungen für ihn und seinesgleichen sind Rupert Murdoch vor allem imperialistische Angriffskriege und hemmungslose Kriegshetze immer ein Herzensanliegen gewesen. Ohne Untertreibung kann konstatiert werden, dass die News Corp. einen wichtigen – wenn nicht gar ausschlaggebenden – Faktor bei der Entscheidung der USA und Großbritanniens zur Invasion des Irak spielte. Vor Kriegsbeginn wurden alle Zeitungen und Fernsehsender der News Corp. auf eine strikte den Krieg befürwortende Linie gebracht. Murdoch brachte mit persönlichen Interventionen den zögerlichen Tony Blair dazu, sich diesem imperialistischen Abenteuer anzuschließen. Berüchtigt ist inzwischen eine Bemerkung Murdochs im Vorfeld des Angriffs auf dem Irak, mit der er das kommende Gemetzel zu rechtfertigen versuchte: „Die wunderbarste Sache, die für die Weltwirtschaft daraus erwachsen wird, … ist ein Ölpreis von 20 US-Dollar pro Barrel. Das wird von größerer Bedeutung sein als jegliche Steuersenkungen in allen Ländern.“
Es ist bezeichnend für den maroden Zustand der westlichen „Mediendemokratie“, dass Murdoch nicht über die hemmungslose Kriegstreiberei und Beeinflussung von gewählten Regierungschefs stolperte, sondern über eine Abhöraffäre bei seinem britischen Revolverblatt „News of the World“, das Prominente und Politiker abhören und bespitzeln ließ, um seine Klatschspalten zu füllen. Während die Anzettelung eines mörderischen imperialistischen Abenteuers durch Murdoch bei den diesbezüglichen Ermittlungen in diesem Jahr kaum thematisiert wurde, ging den britischen Funktionseliten die übereifrige Spitzeltätigkeit der News Corp. dann doch zu weit. Bisher hat Murdoch aber nur marginale Konsequenzen aus dem Skandal ziehen müssen: Das Skandalblatt „News of the World“ wurde dicht gemacht. Die vor kurzem angekündigte Ausgliederung der Printsparte, die ebenfalls als Reaktion auf den Skandal gewertet wird, entpuppt sich hingegen als Mogelpackung. Sowohl in dem Zeitungskonzern als auch bei der weiterhin in der News Corp. verbleibenden Film- und Fernsehsparte wird es weiterhin nur einen einzigen Chef geben: Rupert Murdoch.
Indessen stellt Murdoch mit seiner ostentativen Machtgeilheit und Bösartigkeit kein Einzelbeispiel in der Branche dar. Silvio Berlusconi, der Eigentümer des genannten italienischen Medienimperiums unter dem Dach der Holding Fininvest, entschloss sich ja bekanntlich, sich den Umweg über die Bestechung und Beeinflussung von Regierungsoberhäuptern zu sparen und selbst an die Schalthebel der Macht zu gelangen. Dank der Unterstützung durch seine Massenmedien schaffte es der Medienmogul und Chef der Rechtspartei Forza Italia, die längste Regierungszeit aller Nachkriegspremiers Italiens zu absolvieren. Berlusconi vermischte dabei munter Politik und persönliche Wirtschaftsinteressen, indem er eigens auf seine Unternehmensgruppen und Person abgestimmte Gesetze durchs Parlament peitschen ließ, die ihm etwa weitgehende Straffreiheit verschafften.
Dennoch sind Figuren wie Berlusconi, Murdoch – oder der verstorbene deutsche Pressezar Axel Springer – bereits anachronistisch, da inzwischen die Beeinflussung der Politik durch die Medien-Titanen viel geräuschloser und somit effizienter vonstattengeht (siehe den Bericht über die Machenschaften von Bertelsmann in dieser Ausgabe). Die weitgehende Gleichschaltung der kapitalistischen Presse wird heutzutage deswegen immer erst bei gesellschaftlichen Konflikten oder Krisen voll sichtbar – oder bei Kriegen. So überzogen beispielsweise alle relevanten Medienkonzerne 2004 die Bundesrepublik mit einer bösartigen Hetzte gegen „faule Arbeitslose“ und „Leistungsverweigerer,“ als es galt, die Hart-IV-Arbeitsgesetze gegen den Unwillen und Widerstand in breiten Bevölkerungskreisen durchzusetzen. Mittels des durch die Massenmedien geschürten Hasses auf „Sozialschmarotzer“ wurden die Lohnabhängigen Deutschlands dazu gebracht, in klassischer Weise entgegen ihren eigenen Interessen diese Arbeitsgesetze hinzunehmen – die seither maßgeblich zum Kahlschlag bei den Arbeitseinkommen und zur Prekarisierung der Arbeit in der BRD beigetragen haben. Geradezu geschlossen beteiligte sich die deutsche Journaille auch 1999 als Propagandakompanie bei dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Bundesrepublik Jugoslawien. Die wenigsten Medienschaffenden – als eine der wenigen Ausnahmen sei hier das ARD-Magazin „Monitor“ genannt – wagten es, sich der hysterischen und hetzerischen antiserbischen Gräuelpropaganda entgegenzustellen, mit der Deutschlands erster Angriffskrieg nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges legitimiert werden sollte. Im Nachhinein stellte sich dann heraus, dass sich zentrale Elemente dieser Kriegspropaganda – wie der „Hufeisenplan“ oder das „Massaker von Razak“ – als bösartige Fiktion herausstellten. Doch das war zu diesem Zeitpunkt gleichgültig, schließlich hatte sich die Funktion der Lügen erfüllt. Wobei diese Art Propaganda im direkten Vorfeld des Krieges regelmäßig wiederkehrt. 1990 war es das Mädchen Nayirah, die in allen westlichen TV-Kanälen der Welt tränenüberströmt und stockend berichtete, wie irakische Soldaten in kuweitische Krankenhäuser eingefallen waren und dort Frühgeborene aus den Brutkästen gerissen hätten. Kurz darauf konnten die US-Bomber aufsteigen… Später stellte sich heraus, dass Nayirah die Tochter des kuweitischen Botschafters in Washington, die kuweitischen Boden lang nicht betreten hatte, war, und dass die Story schlicht erfunden worden war… 2002/2003 gab es dann Dutzende Berichte über das Atomwaffenpotential Saddam Husseins. Trotz angeblich exakter Fotos konnte von all dem nach dem neuerlichen Irak-Krieg nichts davon gefunden werden.
Neues Schlachtfeld: Internet
Auch das Internet, einstmals als anarchistischer Nicht-Ort der Freiheit bejubelt, ist längst in Claims abgesteckt worden. Google, Apple, Facebook und Amazon vereinen circa 80 Prozent des grenzüberschreitenden Datenverkehrs auf sich. Inzwischen verbringen die Internetnutzer im Schnitt rund 40 Prozent ihrer Online-Zeit auf den Websites dieser großen Vier des World Wide Web. Bei dem sozialen Netzwerk Facebook tummeln sich zehnmal mehr User als Deutschland Einwohner hat. Die Suchmaschine Google, die allein in Deutschland einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent hält, bearbeitet mittlerweile global eine Milliarde Suchanfragen – pro Tag. Die Berichte über Manipulationen des Informationsflusses, Bespitzelung von Usern und Akte von Zensur häufen sich dabei in letzter Zeit vor allem bei Apple und Facebook. Apple ließ schon des öfteren moralisch oder politisch unliebsame Programme aus seinem App-Store entfernen, während Facebooks Sammelwut inzwischen so weit geht, die Chats seiner User zu überwachen.
Doch das größte Manipulationspotenzial besteht in der intransparenten Art und Weise, wie diese Internet-Giganten das World Wide Web filtern. Google hütet seinen Such-Algorithmus wie ein Staatsgeheimnis, was angesichts der marktbeherrschenden Stellung dieses Unternehmens zwangsläufig die Frage nach den Kriterien aufkommen lässt, nach denen die Relevanz der angezeigten Seiten bestimmt wird. Derjenige, dessen Internetpräsenz nicht durch google „gefunden“ wird, existiert im heutigen Internet praktisch nicht mehr. In etlichen Fällen ließ google bereits Index-Verweise oder Videomaterial löschen, nachdem staatliche Stellen – etwa in Indien, der Türkei oder Deutschland – entsprechende Gerichtsurteile erwirkten.
Lutz Hachmeister: Integrierte Medienkonzerne
Hunderte Lobbyisten sind unterwegs, um Politikern (…) zu erklären, dass Google kein Medienkonzern sei, sondern ein Internet- und Software-Unternehmen, das traditionellen Medienkonzernen hilft, ihre Werbeumsätze zu steigern. Allerdings macht Google selbst 96 Prozent des Umsatzes mit Werbeschaltungen und hat mit YouTube ein Video-Portal, das sich von zeitversetztem Fernsehen nur dadurch unterscheidet, dass es dem Internet zugerechnet wird – und noch weitgehend von individuellen Nutzern gefüttert wird.
Genug Grund, um Google in einer Rangliste der weltweit führenden Medienkonzerne aufzulisten – da kommt die kalifornische Firma auf Platz 3. (…) Wohin die Reise gehen könnte, zeigt eine Akquisition: 2011 erwarb Google für 151 Millionen Dollar den Restaurantführer Zagat. Der (…) Ratgeber lässt die Kunden Restaurants, Hotels, Zoos und Flugfirmen bewerten. Die Zagat-Führer gibt es in Buchform, aber auch online und als Apps; dies passt zu Googles Engagement in der Smart-Telefonie (Motorola Mobility), die wiederum vom Computer- und Onlinegeschäft nicht zu trennen ist. So gesehen zählt Google zum neuen Typus der Medien- und Technologiekonzerne des 21. Jahrhunderts, zu den Wissenskonzernen. (…)
Die Geschichte zeigt einen starken Hang zum „integrierten Medienkonzern“, der alles vereint: Produktion, Verteilung, Werbung, Print, Elektronik. Konvergenz setzte schon ein, als der Gerätehersteller Radio Corporation of America (RCA) in den zwanziger Jahren die Tochterfirma National Broadcasting Company (NBC) gründete, heute Teil des Marktführers Comcast/NBC Universal. Gesellschafter von RCA waren damals General Electric und Westinghouse, also Energielieferanten. (…)
Der Medienmarkt wird künftig durch Firmen wie Google, Apple, Facebook oder Twitter sowie durch Telekommunikationskonzerne bewegt. Sie (…) sind noch geraume Zeit auf Kooperationen mit professionellen Produzenten von Publizistik und Entertainment angewiesen. In den anstehenden Verteilkämpfen geht es nicht um das „Netz“ als utopischen Freiraum. Sondern der Name dieses Spiels heißt seit dem 18. Jahrhundert: politische Ökonomie.
Lutz Hachmeister, Medienhistoriker und Filmemacher, leitet das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik in Berlin und Köln. Die Datenbank des IfM ist frei verfügbar – siehe www.mediadb.eu.
Ein erstes Experiment mit webbasierender Kriegspropaganda wurde im Rahmen der Medienkampagne Kony 2012 durchgeführt, bei der die Gruppe Invisible Children Stimmung für eine US-Intervention in Uganda machte, um den berüchtigten Warlord Joseph Kony (Chef der Lord’s Resistance Army – LRA) festzunehmen. Das wichtigste Mobilisierungsmittel dieser geschickt in den sozialen Netzwerken losgetretenen Kampagne, bei der das Internet auf die Jagd nach dem berüchtigten Rebellenführer gehen sollte, bestand aus einem professionell hergestellten Dokumentarfilm, den mehr als 80 Millionen Menschen gesehen haben. Das rund halbstündige Video thematisiert in aufwühlenden, stark emotionalisierenden Bildern die Schrecken des ugandischen Bürgerkrieges und die Schicksale der Opfer der LRA. Dabei wurde Joseph Kony als der alleinige Verantwortliche für das massenhafte Abschlachten in diesem Bürgerkrieg dargestellt.
Millionen von Internet-Usern haben die entsprechenden „Like-Buttons“ gedrückt, um sich als Teil einer großen, für das Gute kämpfenden Gemeinschaft fühlen zu können. Und die Teilnehmer der Kony-2012-Kampagne befanden sich tatsächlich in einer wahrhaft illustren Gesellschaft: Da fanden sich Größen der Kulturindustrie wie Angelina Jolie, Lady Gaga und Justin Bieber, Milliardäre wie Mark Zuckerberg, Warren Buffet sowie Bill Gates und auch mehr oder weniger honorige Politiker vom Schlage eines Bill Clinton, Mitt Romney und (kein Witz) George W. Bush. Auch deutschsprachige Newssites wie Spiegel-Online hielten ihre Leser eine Zeit lang auf dem Laufenden über die „Jagd“ nach Joseph Kony.
Dennoch erwies sich die Kampagne als ein Fehlschlag, da binnen kürzester Zeit eine Gegenwelle durchs Netz schwappte, die das rechtsklerikale Milieu von Invisible Children, die machtpolitischen Motive einer etwaigen Intervention in Uganda und die dubiosen Mittel der Kampagnenmacher bloßstellte.
Der freie und schnelle Fluss der Informationen innerhalb der globalen Internetgemeinde scheint somit das beste Gegengift zu solchen Manipulationskampagnen zu sein – solange er noch nicht durch die neuen Giganten des Internets abgewürgt werden kann.
Tomasz Konicz, geb. 1973 in Olsztyn/Polen, studierte Geschichte, Soziologie, Philosophie in Hannover sowie Wirtschaftsgeschichte in Poznan. Arbeitet als freier Journalist mit den Schwerpunkten Krisenanalyse und Osteuropa.