Ja, ja. Hohe Zinsen fordern, und wenn die das Bauen verhindern, bürokratischen Genehmigungsverfahren die Schuld geben. Selbst im Internet bestellen und sich wundern, dass das eigene Geschäft keine Laufkunden mehr hat. Immobilien zum Vermögensaufbau kaufen und an steigenden Preisen für Grundstücke und Gewerberäume leiden. Möglichst billig einkaufen und teuer verkaufen wollen und Inflation und mangelnde Kundschaft schrecklich finden. Mit dem SUV zum Zigarettenkauf fahren und über mangelnde Vorsorge gegen Starkregen greinen.
Der Stau, das sind immer die anderen. Wir, das aufgeklärte Bürgertum, nehmen Umwelt und Gesellschaft kritisch in den Blick. Und wir können gar in Wut geraten, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir uns das vorstellten.
Vor allem wollen wir es nicht ge-wesen sein, wenn andere dasselbe Verhalten wie wir an den Tag legen und dadurch unabgestimmt etwas bewirken, was dem Geschäft schadet.
»Gesellschaft, das gibt’s gar nicht!« oder feiner: There is no such thing as society. So fasste Margaret Thatcher, Tochter aus einer Kleinhändlerfamilie, 1987 in einem Interview mit dem Magazin Woman’s Own ihre Empfindungen über die Widrigkeiten des Kleingewerbes zusammen. Dabei gibt es nichts Gesellschaftlicheres als einen Kramladen. Alle Voraussetzungen in dieser Handlung sind vom Tun anderer Gesellschaftsmitglieder abhängig: Ob und welche Ware kommt und wer sie produziert, ob es einen ordentlichen Weg zum Laden gibt, ob Kunden kommen, über Geld verfügen und haben wollen, was auf Lager ist. Ob der Polizist aufpasst, dass Eigentum und Geschäftsbetrieb geschützt sind. Das alles können Ladenbesitzer nicht selbst tun und bewirken.
Schlicht: die gesellschaftliche Arbeitsteilung durch Waren findet ihren reinsten Ausdruck in einem Laden, in dem nichts gemacht wird, was nicht von anderen abhängt, und wo reiner Austausch stattfindet. Für sich selbst verantwortlich sein und seinen Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit nehmen, gelingt nur, wenn das Handeln vieler anderer in der Gesellschaft mitbedacht wird. Mit der Selbstempfindung von Kaufleuten – ich muss alles selbst machen und kann alles allein – hat das wenig zu tun. »Alles lässt sich ändern« – so meinte die FDP in ihrem letzten Wahlkampf.
Probleme als Folgen eigenen Handelns eingestehen – das fällt schwer. Wenn die Einsicht nicht gelingt, steigt die Wut und der Wunsch nach Verdrängung. Es gibt keine Probleme, aber wir wollen damit nicht behelligt werden. Weil man es selbst nicht gewesen sein kann, müssen an hohen Zinsen, geringen Erträgen, Überproduktion und Krieg andere schuld sein. Beispielsweise die Migranten. Aber die Folgen des eigenen Handelns gehen nicht weg, Krise und Katastrophen hören nicht auf, weil die Ursachen geleugnet werden. Und das Einfühlungsvermögen hört nicht auf, wenn Probleme mit denjenigen ausgesperrt werden, die gelitten haben und leiden und darüber berichten könnten.
Auch wenn ihr die Mauern noch so hoch macht, wenn ihr die vor euren Katastrophen Flüchtenden im Stacheldraht verbluten lasst und die vor Diktatoren Fliehenden im Mittelmeer versenkt, wird es immer noch ein Kind geben, das in eurer Festung hockt und empfindet: Das sollten Menschen einander nicht antun.