Misogynie (M)

ist nach Finanzkrise, Kurzarbeit, Mensch-Naturverhältnis und Kubanische Revolution das fünfte ausgewählte Stichwort aus der alphabetischen Stichwörtersammlung im Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus (HKWM), das wir hier auszugsweise zitieren. Der unmittelbare Zusammenhang zu den Artikeln von Therese Wüthrich und Gisela Notz in der Rubrik Feminismus und Ökonomie sticht ins Auge (auch dem Einäugigen, der unter den Blinden weiterhin als König gilt). Der hier wiedergegebene Ausschnitt aus dem HKWM enthält mehr als man bei Eingabe des Links: http://www.inkrit.de/e_inkritpedia/e_maincode/doku.php?id=m:misogynie zum Stichwort Misogynie findet, aber wesentlich weniger als im Original. Das ist in vier Abschnitte gegliedert und mit einer umfangreichen Bibliographie versehen – beginnend bei Aristoteles, Über die Zeugung der Geschöpfe bis zum WHO-Bericht “Global and Regional Estimates of Violence Against Women“. Es sei wiederum auf das Stich wort im InkriT verwiesen. Der Bestellvorgang wird auf dessen Website erläutert. (JHS)

E: misogyny. – F: misogynie. – R: ženonenavistni ˇ cestvo. – S: misoginia. Paolo Ercolani (FB)

HKWM 9/I, 2018, Spalten 1046-1051

Die älteste, am tiefsten verwurzelte und am weitesten verbreitete abschätzige Einstellung in der menschlichen Geschichte ist die gegenüber Frauen. Von der vorchristlichen und christlichen Tradition des Okzidents über das Yin und Yang des Orients, von den Mythen der Ureinwohner Mexikos, der USA und Kolumbiens bis zu den Inuit: Überall wird der Frau zugeschrieben, voller Mängel zu sein, dem Mann unterlegen.

Im Manifest wird die »Geschichte aller bisherigen Gesellschaft« als »Geschichte von Klassenkämpfen« (4/462) – bzw. von »Klassengegensätzen, die in den verschiedenen Epochen verschieden gestaltet waren« (480) – dargestellt. Engels präzisiert, mit Blick auf eine besondere Dimension des Klassenkampfs, mit der »faktischen Herrschaft des Mannes im Hause« sei »die letzte Schranke seiner Alleinherrschaft gefallen« (Ursprung, 21/158). Für Marx und Engels sind die Bedingungen der Unterwerfung der Frauen durch die Männer und damit der M in diese überhistorische Konflikttheorie eingefügt, so sehr, dass sie – auf einer Stufe mit dem Antagonismus von Kapitalisten und Proletariern und dem von herrschenden und kolonisierten Nationen – ein konstitutives Moment der Geschichte darstellen. Entsprechend formuliert Engels: »Der erste Klassengegensatz, der in der Geschichte auftritt, fällt zusammen mit der Entwicklung des Antagonismus vo n Mann und Weib in der Einzelehe, und die erste Klassenunterdrückung mit der des weiblichen Geschlechts durch das männliche.« (68)

1. Die erste Form der Klassenunterdrückung entstand mit der Herausbildung der Gesellschaft selbst, als der später als >zivilisiert< begriffene Teil der Welt das Stammes- und Clansystem hinter sich ließ. Vor diesem Übergang der um etwa 10.000 v.u.Z. stattfand, waren die Gemeinschaften in Stämmen und großen Familien organisiert, was den Frauen Einfluss und Macht verlieh. Im Gegensatz zur Vaterschaft war die Mutterschaft stets nachvollziehbar, womit die Frau als Garantin des Fortbestands der Familie respektiert war. Der Umsturz des Matrizentrismus bewirkte eine Veränderung der moralischen, ökonomischen und soziopolitischen Struktur der Gesellschaft, die den hohen Status der Frauen durch eine despotische Macht der Männer und Unterdrückung der Frauen ersetzte. […] Engels bringt dies auf den Punkt: »Der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts.« […]

2. Auch wenn die frappierendsten Zeugnisse der M oft im Christentum verortet werden, finden sich die zentralen Argumentationslinien bereits in der Antike. So stellt Hesiod um 700 v.u.Z. in Werke und Tage die Frau als Pandora mit der Büchse dar, von Zeus geschaffen, um als Strafe für Prometheus´ Diebstahl die Übel auf die Erde zu bringen. […] Platon schreibt der Frau eine »natürliche Schwäche« zu, sie besitze weniger »Tugend« als der Mann und sei daran gewöhnt »verborgen und im Dunkel zu leben« (Nomoi, VI, 781a-c; nd. Übers. v. F. Susemihl) […]

Bei Augustinus stehen die Frauen für »jenen Teil des Menschen, welcher der Sitz der Begierden genannt werden kann, über den der Geist, der selbst wieder seinem Gott untertan ist, herrscht in einem tugendhaften und wohlgeordneten Leben« (De opere monarchorum, Kap. XXXII). […]

3. Zu Engels´ Zeiten rückt die Befreiung der Frau mit der Entstehung der großen Industrie in den Bereich des Möglichen, da letzte »nicht nur Frauenarbeit auf großer Stufenleiter zuläßt, sondern förmlich nach ihr verlangt, und die auch die private Hausarbeit mehr und mehr in eine öffentliche Industrie aufzulösen strebt« (MEW 21, 158). Dennoch stellt sich die Lage in den Fabriken für die Frauen alles andere als befreiend dar. Die despotische Macht des Fabrikanten erstreckt sich auf alle Arbeiter, in besonders erniedrigender Weise trifft sie aber die Frauen, denn wenn es dem Fabrikanten beliebt, »so ist seine Fabrik zugleich sein Harem« (MEW 2, 373). […]

4. Die Auffassung, die Frau stehe physiologisch und damit auch sozial unter dem Mann, findet sich auch in der liberalen Ökonomie im 20. Jh. Laut Ludwig von Mises hat die europäische Frau ihre Stellung als »gleichberechtigte Genossin« dank des Übergangs vom Gewalt- zum Vertragsprinzip erobert. (1922, 79). Zugleich erklärt Mises die »Reste«« einer »rechtlichen Zurücksetzung der Frau«, die »die Gesetzgebung der Kulturstaaten noch kennt«, aus den »Eigenheiten ihres Geschlechtscharakters«. Dazu gehört etwa, dass das Gesetz von der Frau verlangt, dem Mann zu folgen; oder die Beschränkung der Frau, wählen oder öffentliche Ämter bekleiden zu können. Im Kielwasser von Mises setzt sein Schüler Friedrich August von Hayek den Kampf gegen die Idee der Gleichheit fort und betont, man könne »kaum sagen, daß es die Gleichheit vor Gesetz fordert, daß alle Erwachsenen wahlberechtigt sind«. (1960/1971, 128). […]

Im durch die sog. Globalisierung geprägten 21. Jh. sind Frauen noch stärker in der Arbeitswelt präsent. Die sog. »Feminisierung der Arbeit«, womit oft Flexibilisierung, Prekarisierung und Unterordnung der Arbeit von Frauen gemeint ist, ist allerdings kein Schritt zur Gleichheit der Geschlechter. In »den meisten Ländern« sind Frauen in den unteren Lohngruppen »massiv überrepräsentiert« (Piketty 2014, 337). […] Auch wenn im Laufe der Geschichte beeindruckende Fortschritte gemacht wurden, erfordert die Befreiung der Frauen weltweit weiterhin harte Kämpfe.


Dienstbotengesellschaft Frankreich

Seit Ende der 1980er Jahre gibt es in Frankreich eine Steuergesetzgebung, die „haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse begünstigt. Diese Gesetzgebung wurde immer wieder neu ausgebaut, sodass inzwischen „private Arbeitgeber“ 12.000 Euro im Jahr von der Steuer absetzen können, wenn sie Ausgaben für Kinderbetreuung, Haushaltshilfe, Gartenpflege oder auch Fitnesstrainer und Chauffeur geltend machen. In diesen „haushaltsnahen Dienstleistungen“ sind mehr als 100.000 Menschen beschäftigt, 87,3 Prozent davon sind Frauen. Viele davon mit Migrationshintergrund. Die privaten Arbeitgeber werden vertreten von dem „Verband der privaten Arbeitgeber. Vorläufer dieser Organistion ist die „Familienunion der Hausherrinnen und Hausherren – Union familiale des maitres et maitresses de maison – UFMMM“. Die in der UFMMM organisierten Haushalte richteten sich 1938 explizit gegen die emanzipatorischen Ziele der damaligen Volksfront-Regierung. Seit einiger Zeit bieten nun neue Dienstleister auf Plattformen wie „Shiva“ und „Yoopies“ solche „haushaltsnahen Dienstleistungen“ an. Die Privathaushalte können damit ihre Verantwortlichkeit auslagern.

Dienstbotengesellschaft Deutschland

In Deutschland gibt es eine im Grundsatz vergleichbare Gesetzgebung, geregelt in § 35a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes. Die Erstfassung des Paragrafen erfolgte 2006, danach gab es mehrere Erweiterungen. Danach liegt ein steuerermäßigtes haushaltsnahes Beschäftigungsverhältnis vor, wenn in einem Privathaushalt von einer nicht zum Haushalt gehörenden Person eine Tätigkeit ausgeübt wird, die üblicherweise durch Haushaltsmitglieder erledigt würde, zum Beispiel Einkaufen, Kochen, Backen, Nähen, Waschen, Putzen, Versorgung von Kindern und Alten, Gartenarbeit (auch Laubblasen) oder den Hund Gassiführen. 20 Prozent der entsprechenden Ausgaben sind von der Einkommenssteuer abziehbar, maximal 4000 Euro im Jahr. Auch in Deutschland handelt es sich überwiegend um Tätigkeiten, die von Frauen verrichtet werden. Eine Steuerberatungsplattform hebt hervor: „Das Besondere dabei ist, dass der Betrag deine Steuerlast reduziert und nicht nur dein zu versteuerndes Einkommen. Das bedeutet, jeder Euro davon wandert direkt zurück auf dein Konto!“

Opfer sexueller Gewalt

In Brandenburg hat das Gesundheitsministerium ein Programm „Vergewaltigung – was nun? Medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung“ aufgelegt. Fünf Kliniken sind beteiligt. Weibliche (aber auch männliche) Opfer sexueller Gewalt können sich in einer der beteiligten Kliniken mit dem Satz „Ich brauche dringend ein Gespräch mit einer Gynäkologin (einem Urologen)“ diskret darauf aufmerksam machen, dass eine sexuelle Gewalttat stattgefunden hat. Sie werden unverzüglich zu der entsprechenden Station weitergeleitet. Die Spurensicherung erfolgt absolut vertraulich. „Die Polizei erfährt davon erst, wenn sich das Opfer zu einer Anzeige entscheidet.“, so die Gesundheitsministerin Ursula Nonnenmacher.