Fiat-Geld und Bullshit-Bitcoins

Der neue Bitcoin-Hype und Elon Musk

Vor drei Jahren, als der Preis des Bitcoin von über 20.000 auf unter 10.000 Dollar gefallen war, gab ich (in Heft 41) über seine Börsenaussichten eine Leerprognose ab: „Wie er sich in Zukunft entwickeln wird, weiß niemand, denn Bitcoin hat schon manchen Kurseinbruch überstanden…“ Heute (20. Februar) liegt der Kurs über der 50.000-Dollar-Marke. Warum?

Die Erschaffung des Bitcoin war eine Reaktion auf die Finanzkrise 2008/9. Ursprünglich wurde die Kryptowährung von Enthusiasten erschaffen, die das Finanzsystem demokratisch gestalten und damit die Macht der Zentralbanken brechen wollten. Inzwischen ist die Macht der Zentralbanken mehr oder minder darauf reduziert, Schulden zu verwalten und Geld zu drucken; selbst die früher so spannende Frage, wie die Zentralbankzinsen sich entwickeln werden, interessiert kaum noch – sie sind Null. Ein Erfolg der einstigen Bitcoin-Enthusiasten auf dem Wege zur Finanzdemokratie? Wohl kaum, denn die Schaffung neuer Bitcoins ist wegen der dabei anfallenden Kosten, vor allem der ständig steigenden Energiekosten, so teuer geworden, dass der Bitcoin zu einer Kryptowährung für Reiche geworden ist.

Die Schwäche der Zentralbanken dagegen ist lediglich Ausdruck der andauernden Finanzkrise, die auch die Privatbanken vor sich hindümpeln lässt. Ihr Einfluss auf das Wirtschaftsleben hat sich in den vergangenen zwölf Jahren drastisch reduziert, und an ihre Stelle sind Hedgefonds wie BlackRock und andere getreten. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten titelten schon am 8. Dezember: „Nicht Goldman Sachs: BlackRock kapert die US-Regierung unter Biden“.

Der Grund für den neuen Bitcoin-Hype liegt in genau dieser Schwäche der Banken. Dem von ihnen verwalteten Fiatgeld, dessen Wert allein auf Anordnung basiert (Fiat – es werde, es sei usw.), wird zunehmend das Vertrauen entzogen. Wie Elon Musk am 19. Februar twitterte: „Im Klartext, ich bin Ingenieur und kein Investor. Aber wenn Fiatgeld real nur negative Zinsen bringt, würde nur ein Idiot sich nicht anderswo umsehen. Bitcoin ist fast so schlecht (almost as bs) wie Fiatgeld. Die Betonung liegt auf ‚fast‘.“ (Das „bs“ steht bei ihm für „bullshit“.)

Allein diese Aussage ließ den Nominalwert des weltweiten Bitcoin-Bestandes die Marke von einer Billion Dollar überspringen. Zuvor hatte sich Musk aber zusätzlich „fast so schlechte“ Bitcoins zum Preis von anderthalb Milliarden Dollar besorgt. All das dürfte eine weitere Stärkung der Bitcoin-Fraktion gegenüber den Banken zur Folge haben und eine weitere Verteuerung des Bitcoin, somit eine weitere Zentralisierung und Monopolisierung des Bitcoin-Bestandes.

Die einst erträumte Demokratisierung des Weltfinanzsystems findet also nicht statt, und die gegenwärtige Entwicklung zeigt nur, wie hoch instabil es nach wie vor ist. Die Frage ist bloß, wann es wieder kracht, und das weiß niemand.


Mit Geld heizen

Wir kennen das Bild: Ein Mafia-Boss zündet sich die Zigarre mit einem 100-Dollar-Schein an. Es entsteht Wärme, Genuss – und das Gefühl von obszönem Reichtum. Mit den Kryptowährungen erleben wir nun etwas nochmals Verrückteres. Nicht nur, dass hier die staatliche Autorität der Geldschöpfung zeitweilig außer Kraft gesetzt wird. Und dass der Wert dieser Währungen zeitweilig extrem, spekulativ angeheizt, ansteigt. Mehr noch: Man kann mit dem Herstellen dieser Währungen … auch heizen.

So nachzulesen in der Süddeutschen Zeitung vom 27. Februar 2021: „Der 33-jährige IT-Fachmann [Christian Haschek in Niederösterreich; d. Red.] […] hat eine Heizung gebastelt, die für ihn Geld verdient, einen Computer mit vier Grafikkarten, die so heftig arbeiten, dass sie 80 Grad heiß werden. Mit der Maschine produziert Haschek die Kryptowährung Ether – einen Konkurrenten von Bitcoin… Um einen Ether zu erzeugen, müssen sie mathematische Rätsel knacken – sie minen. Dabei werden die Prozessoren warm. Hascheks Miner – ein unauffälliger Kasten voller Kabel und Platinen – steht in seiner Garage. Die Abwärme seiner Maschinen erhitzt die Luft… ´An kalten Tagen hatte ich sechs bis acht Euro Stromkosten am Tag, jetzt nur noch die Hälfte´, sagt er… Hascheks alter Computer ist zur heizenden Geldmaschine geworden. Eine Einheit Ether ist derzeit 1200 Euro wert; Hascheks ´Heizung´ produziert unablässig Bruchteile davon: ´ Obwohl die Karten drei Euro Stromkosten verursachen, kriege ich am Tag zwölf Euro damit raus.´“

Der Preisanstieg lässt immer neue Leute einsteigen; der Höhenflug steigert sich. Irgendwann ist ein Ende der Fahnenstange erreicht. Eine Bilanz der holländischen Tulpenspekulation, zu der es in den Jahren 1632-1637 kam, lautete:

„Es will uns heute närrisch erscheinen, für eine Tulpenzwiebel 4000 oder 5000 Gulden zu zahlen… Doch ist diese Tulpenspekulation nicht um ein Jota närrischer als die Spekulation in Aktien; die oft viel weniger realen Wert (bedrucktes Papier!) besitzen als eine Tulpenzwiebel.“ Oder als ein Ether. (Zitat: Fred Oelßner, Die Wirtschaftskrisen, Berlin 1949, S. 175).


meldungen bitcoin

8000 kryptische Währungen

Die Kryptowährung Bitcoin gibt es seit zwölf Jahren. Bis zum Frühjahr 2021 entstanden weitere 8400 solcher Währungen (auch als Digitalwährungen bezeichnet). Diese werden auch „Altcoins“ genannt – wobei „Alt-„ für „alternativ zu Bitcoin“ steht. Rund tausend dieser Altcoins sind insofern relevant, als sie es auf einen Tagesumsatz von mehr als 10.000 Dollar bringen.

Bitcoin konzentrierte Anfang 2021 60 Prozent der Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen auf sich. Bitcoin ist offensichtlich marktbeherrschend. Auf die zweitwichtigste Kryptowährung, auf Ether, entfallen weitere gut 12 Prozent. Nimmt man die Nr. 3, Tether, mit einem Fünf-Prozent Anteil hinzu, dann entfallen auf die ersten drei Kryptowährungen gut drei Viertel der weltweiten Kapitalisierung aller Kryptowährungen.

Von der Spielwiese zum großen Börsenrad

Mit der Entscheidung von Elon Musk, einen Teil der Tesla-Milliarden in Bitcoins anzulegen (und darüber hinaus anzukündigen, man werde „in naher Zukunft“ Bitcoins als Zahlungsmittel beim Kauf von Tesla-Pkw akzeptieren) folgt der reichste Mensch der Welt einem Trend, den es seit rund drei Jahren gibt. Große Unternehmen und Finanzinvestoren legen seit einiger Zeit einen Teil ihrer Gelder in Kryptowährungen an. Das erfolgt überwiegend klammheimlich. Doch einige dieser Investments sind bekannt geworden. So legte der IT-Konzern Microstategy 1,1 Milliarden Dollar in Kryptowährungen an. Der mobile Bezahldienst Square, gegründet von dem Twitter-Erfinder Jack Dorsey, investierte in Kryptowährungen, angeblich nur 50 Millionen Dollar. Auch institutionelle Anleger sind hier unterwegs. So die 170 Jahre alte Massachusetts-Mutual Lebensversicherung, die immerhin 100 Millionen Dollar in Digitalwährungen anlegte. Der Versicherer beteiligte sich an der New Yorker Digita l Investment Group, die für ihre Kunden 2,3 Milliarden Dollar in Digitalwährungen hält. Und dann gibt es bereits Futures für einige Digitalwährungen: Das sind Papiere, die Wetten auf die zukünftige Entwicklung einzelner Digitalwährungen darstellen. An der Terminkontrakte-Börse CME werden Bitcoin-Futures und Ethereum-Futures gehandelt. Es reicht, wenn man von all dem das eine versteht: Die Blase generiert weitere Blasen, was am Grundcharakter einer primär spekulativen Entwicklung nichts ändert, ja diesen verstärkt und die Fallhöhe für den späteren Absturz erhöht. (Infos nach: FAZ 9.2.2021)

Bayerns Justiz im Bitcoin-Stress

Im Jahr 2013 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Kempten 1700 Bitcoins von einem Kriminellen. Der damals 29jährige war aufgeflogen, weil er eine Schadsoftware erstellt und die Computer von mehr als 300.000 Internetnutzern mit einem Trojaner infiziert hatte. Der Allgäuer steuerte so die Computer, fügte diese (unbemerkt von ihren Eigentümern) zu einem Botnetz zusammen und nutzte die kombinierte Rechenleistung zur Erzeugung von … Bitcoins. Also ein besonders pfiffiges Bitcoin-Mining durch unbezahlte Fremdarbeit. Der Mann wurde zu zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Er ist inzwischen wieder auf freiem Fuß. Die Bitcoins, die bei der Beschlagnahmung vor sieben Jahren eher wenig wert waren, sind heute „eigentlich“ 53 Millionen Euro wert. Misslich ist: Der Betrüger verrät bis heute das Passwort für die digitalen Münzen nicht. Vielleicht sollten sich Justiz und Täter auf einen Deal verständigen – bevor der Kursverfall beginnt. (Infos nach: S Z vom 5.2.2021).