Ein Praxistest aus Wien

Im Kampf gegen das Virus: Kurzarbeit

Hannes Hofbauer (LP21-Redaktion)

Wie in vielen EU-Staaten hat sich auch die österreichische Regierung entschlossen, die sozio-ökonomischen Schäden, die ihre antiviral-proautoritären Maßnahmen verursacht haben, mit Finanzspritzen aus der Welt schaffen zu wollen. Mehrstellige Milliardenbeträge wurden versprochen, um allen und jeden, Großbetrieb und Arbeitslose, zu unterstützen. Allein für das stark beworbene Modell „Kurzarbeit“ legte der Kanzler gleichen Namens vier Milliarden auf, die mittlerweile auf zehn Milliarden aufgestockt wurden. Dass dieses Geld nicht vorhanden ist und wer dafür in Zukunft geradestehen wird, ist eine andere Geschichte, die ich gerne im nächsten Lunapark aufgreifen kann.

Hier und jetzt will ich über die Erfahrung eines Gewerbetreibenden aus der Verlagsbranche mit der Kurzarbeit erzählen. Ein Mitarbeiter unseres Betriebes, der zugleich Teilhaber ist, stand vom ersten Tag des sogenannten Lockdown, also der kompletten Schließung des öffentlichen Raumes – wie zig Tausende andere auch – vor folgendem Problem: seine achtjährige Tochter und sein vierjähriger Sohn mussten wegen der Schul- und Kindergartensperre von einem Tag auf den anderen zu Hause bleiben und betreut werden. Die Mutter ist selbst berufstätig, den Großeltern wurde amtlicherseits eingeschärft, den Umgang mit Enkelkindern auszusetzen. Sie halten sich auch nach acht Wochen Corona-Notstand daran. Genau für solche Fälle war die Kurzarbeit gedacht. Unbürokratisch, wie es hieß.

Die Austrian Airlines preschten voran. Ihre Anwälte hatten die Formulare für Flugbegleiter, Piloten und Bodenpersonal bereits ausgefüllt, als der einzelne Gewerbetreibende von deren Existenz erst erfuhr. Flugs waren 800 AUA-Angestellte zur Kurzarbeit gemeldet und diese Meldung vom Arbeitsamt akzeptiert, nachdem die Firmenleitung drohend eine Kündigung hunderter Beschäftigter in den Raum gestellt hatte.

So schwer kann das nicht sein, dachte ich mir und lud nach 20minütiger Internet-Recherche ein 16seitiges Formular herunter. Firmenbuchauszug, Geschäftsführernachweis, Sozialversicherungsnummer des Angestellten, Kopie des Personalausweises – wozu stehen die ganzen Ordner im Büro? Damit man sie im Notfall braucht. Auch die Begründung der Kurzarbeit war eine leichte Aufgabe. Die zwei Kinder im betreuungspflichtigen Alter sollten als Beweis genügen. Stutzig bin ich dann bei der Berechnung der Kurzarbeitszeit geworden. An welchen Tagen wird kurzgearbeitet, um welche Uhrzeit ist Dienstantritt, für wie lange soll der Antrag gelten und wie sieht das von Woche zu Woche aus? Bevor ich mir etwas aus dem Finger sauge, bespreche ich die Vorlage mit der Steuerberaterin, so viel Zeit muss sein, und sie kommt uns auch mit ihrem Honorar entgegen, hoffentlich. Wir rechnen gemeinsam und kommen auf eine Kürzung der Arbeitszeit für den Anzumeldenden von drei Siebentel. Und das für drei Monate. Ob bis dahin die Schule und der Kindergarten wieder aufgesperrt haben, kann weder der Gewerbetreibende noch die Steuerberaterin wissen. Auch der Kanzler hat keine Ahnung, obwohl er jeden Tag vor das Mikrophon tritt und neue Anweisungen gibt. Für das etwaige Aufsperren von Schulen und Kindergärten ist bis zur Einreichungsfrist für Kurzarbeit nichts zu vernehmen.

Nach geschätzten drei Arbeitsstunden und einer professionellen Beratung sende ich das Formular an die angegebene E-Mail-Adresse und hänge den Firmenbuchauszug und den kopierten Personalausweis an. Der Versand dauert gut eineinhalb Minuten, es sind über drei Megabytes. Nach einer Woche kommt es mir eigenartig vor, noch keine Bestätigung erhalten zu haben, zumal einem Zeitungsbericht zu entnehmen war, dass das Arbeitsamt Riesendateien nicht bearbeiten kann. War meine Datei zu groß? Der Griff zum Telephonhörer macht mich sicher. Es liegt nicht an der Größe der Datei, sondern an der fehlenden Anwesenheit der Bearbeiterin. Sie hat sich eine Woche Auszeit genommen, meldet die Sprachbox.

Fast zur gleichen Zeit, als ich ratlos bin, wie weiter zu verfahren ist, meldet sich die Steuerberaterin per Massenmail an ihre Kunden. Es gebe ein neues Formular für die Anmeldung zur Kurzarbeit, die alten sind veraltet. Also geht’s in die zweite Runde. Diesmal schimmert schon ein wenig Routine durch, das Ausfüllen geht flott von der Hand. Dass nun monatlich eine Abrechnung ans Arbeitsamt geschickt werden muss, freut die Steuerberaterin, sie kann ihren Mitarbeiterstab aufstocken.

Die Antwort auf die Einreichung des neuen Formulars kommt binnen eines Arbeitstages. Chapeau. Wir erhalten eine Bearbeitungsnummer des Falles, die bei künftigem Schriftverkehr anzugeben ist. Und dieser wird sogleich gefordert. Denn nun geht es darum, ein elektronisches Konto beim Arbeitsamt einzurichten. Vor dem Formular dazu graut mir. Die Steuerberaterin weist mich darauf hin, dass auch der Mitarbeiter, für den die Kurzarbeit eingereicht wird, das Formular für die Einrichtung des E-Kontos unterzeichnen muss, weil er nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Teilhaber der GmbH ist. Abwarten, heißt wiederum die Devise. Denn ein Konto kann nicht digital eröffnet werden, da braucht es einen eingeschriebenen Brief. Der wird es auch noch ins Büro schaffen.

Eine Woche, nachdem der Antrag auf Kurzarbeit des Mitarbeiters bestätigt und auch die Summe der Unterstützung mitgeteilt wird, erreicht mich eine E-Mail des Arbeitsamtes, in der dieses dazu auffordert, fehlende Unterlagen nachzureichen. Nach einer Schrecksekunde lehne ich mich entspannt zurück. Die angeforderte Nachreichung betrifft das erste Formular, auf dem bestimmte Angaben gar nicht erfragt worden waren, weshalb wir dann eben eine zweite Runde eingelegt hatten. Der Herzschlag der Bürokratie hat mich nur gestreift. Die Verlagsarbeit kann weitergehen.

Übrigens: bis zum Redaktionsschluss dieses LP21-Heftes, zwei Monate nach der ersten Einreichung, ist noch kein Euro geflossen; stattdessen muss ich unsere Steuerberaterin bitten, die monatlich durchzuführende Extraabrechnung für den Kurzarbeiter ans Arbeitsamt zur Prüfung zu schicken.