Die Presse, das Eigentum und das Brexit-Referendum

Das Auszählungsergebnis des Brexit-Referendums liegt so fest wie das Ausscheiden der Briten aus der Fussball-EM. Letzteres ist weniger wichtig. Aber was heißt das Votum vom 23. Juni politisch? Für das Projekt „Faktencheck:Europa“ habe ich versucht, einen wesentlichen Aspekt des Konfliktes auf den Punkt zu bringen: Unter dem Titel Proletarier aller Länder, vereinzelt Euch? geht es um die Hintergründe und Konsequenzen der nationalistischen Integration der sozialen Frage. Und es geht um einige Lügen, die weite Verbreitung fanden. Ab Mittwoch, dem 29. Juni als Print, schon jetzt auf der Webseite. Hier soll es um eine andere Frage gehen, die für eine Abstimmungskampagne auch nicht ganz unwichtig ist: Die Brexit-Befürworter von Nigel Farage (UKIP) über Boris Johnson (Konservative) bis zum linken Lexit-Lager behaupten, mit ihren Positionen auf der Seiten der einfachen Leute und gegen das Establishment zu stehen. Aber wie steht es eigentlich um die britische Presselandschaft, die mehrheitlich für den Austritt aus der EU getrommelt hat?

Bei den Printausgaben entfiel Mitte 2015 ein Drittel der Gesamtauflage auf die News Corp UK & Ireland Limited, die britische Abteilung der US-amerikanischen News Corporation – das heißt Rupert Murdochs Pressekonzern. In Großbritannien gehören dazu die Times, die Sunday Times und das auflagenstärkste Boulevard-Blatt, The Sun. Die Sun hat eine Tagesauflage von etwa 1,85 Millionen, die Times als das seriösere Blatt immer noch fast 400.000 (diese und die folgenden Angaben nach: http://www.mediareform.org.uk/). Platz zwei mit einem Marktanteil von 24 Prozent fiel an die DMG Media. Hierzu gehört mit der Daily Mail die zweitgrößte Tageszeitung Großbritanniens (Tagesauflage etwa 1,66 Millionen), etwas ordentlicher daherkommt, als die Sun – aber ebenso aggressiv konservativ ist. So passt es auch besser zum Eigentümer, dem 4. Viscount von Rothermere.

Auf Platz drei lag Mitte 2015 noch Trinity Mirror, die mit dem Daily Mirror die drittgrößte überregionale Tageszeitung veröffentlicht (Auflage etwa 850.000). Im Oktober 2015 schluckte sie allerdings den Konkurrenten Local World und stieg damit auf Platz eins auf, mit vielen lokalen Blättern. Unter den großen Tageszeitungen gab sich allein der Daily Mirror in der Brexit-Frage zurückhaltend.

Nun sind Verkaufszahlen von gedruckten Zeitungen in der modernen Welt nicht mehr alles, es gibt ja noch Radio und Fernsehen und Internet. Aber der digitale Markt ist noch stärker konzentriert. Hier entfielen auf die größten Drei nicht 71, sondern 80 Prozent. Und im Radio und Fernsehbereich hält die öffentliche BBC zwar noch größere Zuhörer- und Zuschaueranteile, aber mit den Einkünften von Sky TV – Rupert Murdochs TV-Konzern – kann sie nicht mithalten.

Die Brexit-Kampagne war ein Kampf gegen das Establishment? Netter Versuch.

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