Das Folterzentrum der USA auf Kuba


Von der US-Kolonie Kuba zu Guantanamo als Stachel im Fleisch der kubanischen Revolution

Ort und Zeit:

Ort: US-Marinestützpunkt Guantanamo, Kuba

Größe: 117,6 Quadratkilometer

Charakter: Seit Juni 1898 unterhalten die USA hier einen militärischen Stützpunkt trotz des und gegen den andauernden Protest der kubanischen Regierung. 9000 Soldaten sind in Guantanamo stationiert. Für sie und ihre Familien gibt es allerlei Annehmlichkeiten, darunter ein Kino. In einem Touristenshop sind Souvenirs, unter anderem T-Shirts und Kaffeetassen zu kaufen.

Besonderes: Im Jahr 2002 wurde die Basis um ein Hochsicherheitsgefängnis erweitert, in dem völkerrechtswidrig hunderte Menschen unter Folterbedingungen festgehalten werden. Selbst der Oberste Gerichtshof der USA die Haftbedingungen für illegal. Dennoch ist das Lager bis heute „open for business“.

Es war im Jahr 1898, als das US-Militär auszog, um Kuba, damals eine spanische Kolonie, zu erobern. Damals wurde eine bis heute gültige Doktrin begründet. Die Karibikinseln gehören zu den USA und sind unter US-amerikanischen Einfluss zu halten, koste es was es wolle. Seit 120 Jahren existiert zu diesem Zweck die Flottenbasis in der Bucht von Guantanamo.

Offiziell haben die USA das Land auf dem sich der Stützpunkt befindet gepachtet. Der Ursprung dieses Pachtvertrages liegt im Jahr 1902. Damals erließ das seinerzeit von den USA installierte kubanische Militärregime ein Gesetz, welches Washington die Präsenz in der Bucht erlaubte, um für alle Ewigkeit die „Unabhängigkeit“ Kubas zu garantieren. Für dieses Gesetz wurde kein Endpunkt festgelegt. Nur ein gemeinsames Abkommen von Kuba und den USA kann es beenden. Dennoch wurde der Pachtvertrag im Jahr 1934 noch einmal erneuert. Sicher ist sicher.

1959 passierte das Undenkbare. In einer Revolution, angeführt von Fidel Castro und Che Guevara, wurde die Militärdiktatur gestürzt. Die Mafia und die Großgrundbesitzer wurden verjagt. Seitdem hat die Flottenbasis eine bis heute andauernde Rolle, nämlich ein Stachel im Fleisch der kubanischen Revolution zu sein.

Zeitweilig wurde die Basis zu einem regelrechten Zentrum des Terrorismus, des amerikanischen nämlich. Inzwischen veröffentlichte Dokumente des Geheimdienstes CIA zeigen, dass die Bucht von Guantanamo zum Ausgangsort zahlreicher Umsturzversuche werden sollte, die aber letztendlich nicht in dieser Form zur Ausführung kamen. Unter anderem sollten von Guantanamo aus Biokampfstoffe zur Schädigung der kubanischen Landwirtschaft freigesetzt werden, um eine Hungersnot auf der Insel herbeizuführen. Es war die Hoffnung der US-Regierung, damit eine Revolte gegen Castro zu beflügeln. Als Alternativvorschlag lag die Idee in den Schubladen, einfach ein US-amerikanisches Kriegsschiff in der Bucht zu versenken und dies dann Kuba in die Schuhe zu schieben. Das hätte ein Vorwand für eine Invasion Kubas durch die USA sein sollen. Letztendlich wurde im April 1961 mit der Schweinebucht eine viel weiter östlich liegende Bucht für einen Invasionsversuch ausgesucht, der für die USA aber zu einem Debakel wurde.

Es ist aufgrund dieser Geschichte nicht ohne Ironie, dass die Guantanamo-Basis im Gefolge des Überfalls der USA und ihrer Verbündeten auf Afghanistan vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush zu einem Zentrum des so genannten „Krieges gegen den Terror“ auserkoren wurde. Im Januar 2002 wurde das erste Lager für bis zu 320 Gefangene errichtet, die aus aller Welt entführt und dort hin verfrachtet wurden. Der Name der Einrichtung war Camp X-Ray. Es handelte sich dabei um nicht überdachte Gitterkäfige, die keinerlei Privatsphäre zuließen und die Gefangenen den Witterungsverhältnissen schutzlos auslieferten.

Camp X-Ray war nur ein Provisorium und schnell zu klein. Noch im Jahr 2002 wurde Camp Delta gebaut. Es wurde in insgesamt sechs Unterlager aufgeteilt, welche Platz für rund 780 Gefangene bieten. Eines dieser Unterlager, Camp 5, ist für die Isolationshaft vorgesehen. Das ist nur eine von vielen hier ausgeübten Foltermethoden. Dazu mehr später.

Ursprünglich entführten die USA auch Kinder und verbrachten sie auf ihre kubanische Gefangenenkolonie. Sie waren in Camp Iguana untergebracht. Inzwischen sind dort keine Kinder mehr kaserniert, der internationale Aufschrei war wohl doch zu groß. Stattdessen sitzen dort heute jene Gefangenen, welche der US-Staat inzwischen für unschuldig hält, aber nicht los wird, weil kein Land die hier einsitzenden Menschen aufnehmen möchte. Zwischen 40 und 50 Personen befinden sich derzeit in dieser misslichen Lage.

Wenn die US-Regierung über die Häftlinge auf Guantanamo spricht, redet sie von „ungesetzlichen Kombattanten“ („unlawful combatants“; „illegal combatants“). Die USA führten diese Kategorie, die ansonsten nur von einer Handvoll von Ländern wie Großbritannien, Israel und Australien verwendet wird, im Jahr 1941 ein, um in Zivilkleidung agierende Kämpfer wie zum Beispiel Spione oder Guerillakämpfer außerhalb des Strafrechts zu stellen. „Unrechtmäßige Kombattanten“ haben somit keinen Anspruch auf ein ziviles, ordentliches Gerichtsverfahren.

Gegen diese Definition wird international immer wieder Kritik geübt. Auch die US-amerikanische Rechtsprechung akzeptiert sie nicht mehr. Am 29. Juni 2006 erklärte der Oberste Gerichtshof Militärtribunale für Zivilpersonen für nicht Rechtens. Am 12. Juni 2008 entschied dasselbe Gericht, dass Guantanamo-Gefangene Zugang zu US-amerikanischen Zivilgerichten haben müssen. Washington nutzt derweil die dubiose rechtliche Grundlage für den Betrieb seines kubanischen Massenknastes aus. Weil man sich ja eigentlich auf kubanischem Territorium befinde, so eine oft verwendete Begründung, sei die US-Justiz gar nicht zuständig. Eine zynischere Argumentation ist kaum vorstellbar.

Diese irregulären Bedingungen eigneten sich hervorragend, um die Insassen systematisch zu foltern. Ein Bericht des US-Verteidigungsministeriums aus dem Jahr 2004 bestätigt folgende Foltermethoden: Vernehmungsbeamte drohten, die Familien von Gefangenen zu verfolgen. Häftlingen wurde mit Klebeband der Mund verschlossen, weil diese aus dem Koran zitiert hatten. Häftlingen wurde angebliches Menstruationsblut ins Gesicht geschmiert. Gefangene wurden in fetaler Position angekettet. Schlafentzug. Sensorische Deprivation.

In unterschiedlichen Untersuchungen im In- und Ausland wurde außerdem die weitverbreitete Foltermethode des „Waterboardings“ auf Guantanamo nachgewiesen. Zeitweise nahmen US-Psychologen an der Folter beobachtend und kommentierend teil. Im August 2018 entschied die American Psychological Association laut einem Bericht des Onlineportals The Intercept, Verhören in Guantanamo aus ethischen Gründen nicht mehr beiwohnen zu wollen.

Die Haftbedingungen führten in den vergangenen Jahren immer wieder zu Selbstmorden, Hungerstreiks und Revolten. Weit über 40 Suizidversuche wurden bislang bekannt. Es dürfte eine hohe Dunkelziffer geben, denn Vorfälle werden nur sehr schleppend gemeldet. Für die Niederschlagung von Häftlingswiderstand gibt es eine Immediate Reaction Force (IRS). Diese Spezialeinheit des US-Militärs ist angewiesen, mit äußerster Brutalität vorzugehen. So ist erwiesen, dass IRS-Mitglieder unter anderem auf die Köpfe von Häftlingen urinierten, Köpfe auf den Betonboden schlugen und Knochen von Insassen gebrochen haben.

US-Präsident Barack Obama wollte das Lager auf Guantanamo schließen lassen. Er scheiterte allerdings am Widerstand des republikanisch dominierten Kongresses. Der amtierende US-Präsident Donald Trump hält von einer Schließung des Gefängnisses nichts. Er ist offener Befürworter von Foltermethoden und sagte während seines Präsidentschaftswahlkampfes mehrfach, man werde Guantanamo mit „lauter bösen Typen“ auffüllen.

Es bleibt die Frage, warum Kuba die Yankees nicht los wird. Versuche wurden immer wieder gestartet. Unter anderem kappte die kubanische Regierung zeitweise die Wasserversorgung für die Guantanamo-Basis. Dumm nur, dass dort tausende zivile Kubaner einer Lohnarbeit nachgehen, die dann von den USA kurzerhand auf die Straße gesetzt wurden. Kuba blieb nichts übrig als die Wasserleitungen wieder zu öffnen.

Bis heute schicken das US-amerikanische Finanzministerium jedes Jahr einen Scheck in Höhe von 4.085 Dollar an die kubanische Regierung, um dem Reglement des Pachtvertrages von vor 120 Jahren Genüge zu tun. Jedes Jahr weigert sich die kubanische Regierung, diesen Scheck einzulösen.

Christian Bunke ist als freier Journalist aktiv in Großbritannien und Österreich.

Anmerkung:

1 Es gibt zwei Jahresdaten

a. 21. Febr. 1901 Annahme des platt amendment als Teil der kubanischen Verfassung und

b. der tratado permanente vom 22. Mai 1903 (vgl. Zeuske, Kleine Geschichte Kubas S. 156)