Auf Visite in selbstverwalteten Betrieben

Eine Erkundung auf 120 Seiten

Der Autor nimmt uns mit auf eine Reportagereise zu sieben selbstverwalteten Betrieben kreuz und quer durch Europa auf der Suche nach „Best-Practise-Beispielen“, wie es im Vorwort heißt, um das Ergebnis zwei Seiten später nur noch als „eklektische Sammlung“ anzukündigen.

Die Auswahl ist aber durchaus interessant. Wir lernen eine Seifenmanufaktur in Thessaloniki kennen, einen Energieversorger in London, einen Teeproduzenten bei Marseille, eine Sozialgenossenschaft für Suchtkranke in Bozen, einen Supermarkt in Warschau, den drittgrößten Industriekonzern Spaniens und einen landwirtschaftlichen Betrieb nahe Wien.

Jedem Betriebsbesuch geht eine knappe Sozialhistorie des Ortes voraus und wer auch Reiseimpressionen schätzt, kommt nicht zu kurz: „Lilly, eine Bewohnerin des Hauses, führt mich in der Gegend herum. Kinder spielen im Hof der Grundschule gegenüber, die ersten Bäume bemerken gerade den beginnenden Frühling und fangen zu blühen an und nur einige Straßen weiter rattern am Bahnhof die Züge ein und aus.“

Die Portraits der Betriebe entstehen im Wesentlichen aus den Zitaten ihrer Vertreter, die der Autor interviewt hat. Informativ, aber eine resümierende Einordnung, sowohl der einzelnen Beispiele als auch in der Gesamtschau, liefert der Band nicht. Geboten wird ein Kessel Buntes, aus dem die Lesenden Erkenntnisse schöpfen können.

Den sieben Werksbesuchen folgen sieben Interviews mit Expertinnen und Experten des Themas, womit das Büchlein dann doch an Systematisierung gewinnt. Die meisten Beitragenden verbinden mit betrieblicher Selbstverwaltung eine Intention zur Überwindung kapitalistischer Strukturen, wobei alle auf Demokratisierung setzen, Verstaatlichung explizit ausschließen. Kritisch gesehen werden Tendenzen, Genossenschaften zum konkurrenzfähigen Businessmodell zu entwickeln.

Die Lektüre vermittelt wertvolle Informationen, Anregungen und Hilfestellungen für eigene Experimente. Ein sorgfältiges Lektorat hätte der Publikation jedoch gut getan. So verlangen Grammatik, Orthographie und Interpunktion Einiges an gutem Willen beim Publikum. André Geicke

Christian Kaserer: „Coop – SelbstverwalteteBetriebe und ihre Auswirkungen auf Arbeit und Gesellschaft“. Guernica Verlag, Linz; 2020; 120 Seiten; 9,90 Euro.