Putzfrauen – Symbol des Widerstandes

Eine Selbstvorstellung
in: Lunapark21 – Heft 29

Wir sind 595 Putzfrauen, die seit vielen Jahren im griechischen Finanzministerium arbeiten. Seit dem 18. September 2013 wurden wir in einen Status der Verfügbarkeit versetzt und im Mai 2014 verloren wir unsere Arbeit.

WIR WERDEN ENTLASSEN:
Wir alle sind Frauen. Die Benachteiligung des Geschlechts ist offensichtlich. Die meisten von uns sind älter als 50 Jahre und nahe an der Grenze zur Rente, die wir nie bekommen werden. Viele von uns sind alleinerziehend. Mit unserem Gehalt haben wir oft unsere Familien unterhalten.
Die Politik des Memorandums nimmt uns das Recht zu arbeiten und zu leben. Gegenwärtig beträgt in unserem Land die Arbeitslosenrate 27 Prozent. Bei Frauen liegt sie bei 62 Prozent.

WIR HABEN KEINE HOFFNUNG AUF EINEN ANDEREN ARBEITSPLATZ
WIR WERDEN OHNE EINE ABFINDUNG ENTLASSEN
OHNE EINEN ANSPRUCH AUF ARBEITSLOSENGELD
OHNE ANSPRUCH AUF ÄRZTLICHE UND MEDIKAMENTÖSE VERSORGUNG

Bis 2005 haben wir mit Werk-Verträgen gearbeitet. Nach den Auflagen der EU und nachdem Griechenland ein Bußgeld auferlegt worden war, wurden unsere Arbeitsverträge umgewandelt in Arbeitsverträge auf unbestimmte Zeit.
Die Regierung behauptet, dass sie uns entlässt, um die Staatsschulden zu verringern. In Wahrheit aber kosten wir dem griechischem Staat viel weniger als die Arbeitsteams der privaten Unternehmer, die unsere Arbeit übernahmen.[1] Für die [alte] griechische Regierung und die Troika sind wir Nummern und keine menschlichen Leben.

Seit vier Monaten führen wir täglich Protest-Aktionen vor dem Finanzministerium aus. Wir haben einen titanenhaften Kampf geführt, der von der griechischen Regierung mit Gewalt und Repression beantwortet wurde.
Weil wir zu den unteren Schichten der Arbeiterklasse gehören und vor allem, weil wir Frauen sind, glaubte man, dass wir eine einfache Zielscheibe und ein schwaches Glied seien.[2] Wir aber, zusammen mit Tausenden von entlassenen Männern und Frauen, kämpfen täglich gegen die Auflagen der griechischen Regierung und der Troika, die unser Leben zerstören und uns in die völlige Verelendung führen.[3]
Wir führen unseren Kampf weiter und wir werden nicht aufhören, bis wir unser Recht bekommen.

Wir fordern das Recht auf Arbeit, auf Sozialversicherung und auf Rente.
Wir fordern das Selbstverständliche: Ein würdevolles Leben auf Grundlage unseres schlichten Berufs.

Zusammengestellt nach: https://595katharistries.wordpress.com/about/
Siehe auch: http://de.labournet.tv/video/6720/der-kampf-der-595-putzfrauen-des-griechischen-finanzministeriums
Zusammenstellung und Übersetzung: Dorothee Vakalis, Freiburg/Brsg. und Thessaloniki. Redaktionelle Notiz: Bis Anfang März 2015 waren die Putzfrauen noch nicht wieder eingestellt; sie setzen ihren Kampf fort.

Anmerkungen:

[1] Die Kosten für die Putzfrauen beliefen sich auf 763 Euro brutto pro Kopf und Monat. Die Kosten, die die privaten Anbieter berechnen, belaufen sich auf 973,53 Euro pro Kopf und Monat. Quelle: Wassilis Asvestopoulos 18.6.2014 „Aufstand der Putzfrauen“.

[2] Bilder von Sondereinheiten der Polizei, die vor dem Ministerium wehrlose Frauen prügelten, gingen um die ganze Welt.

[3] Die Putzfrauen entwickelten eine breite Palette von Widerstandsformen und Solidaritätsaktionen. Es wurde ein 24-Stunden-Streikcamp eingerichtet. EU-Besucher wie die Troika wurden mit den roten Handschuhen der wütenden Putzfrauen empfangen. Die Putzfrauen unterstützten die Initiative „SOS Chalkidike“ gegen die Goldschürfung auf der dortigen Halbinsel, sie solidarisierten sich mit den entlassenen Schullotsen, den Berufsschullehrern sowie den protestierender Bauern und beteiligten sich an Aktionen zum Schutz von Flüchtlingen.

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