Wie die deutsche Regierung die Banken im Kleinstaat Zypern rettet
Lucas Zeise. Lunapark21 – Heft 21
Nach Monaten relativ freundlicher Entwicklung an den Finanzmärkten brachten es die Euroretter mit Willkür und Inkompetenz fertig, ein Kreditpaket für die Banken des kleinen Inselstaates Zypern so zusammen zu stellen, dass Ruhe und Frieden verschwanden. Nicht nur diejenigen, die die Last der Euro-Hilfspakete tragen müssen, auch die Begünstigten waren unzufrieden. Das am Sonntag, dem 17. März, um vier Uhr morgens von Währungskommissar Olli Rehn und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem verkündete tolle Verhandlungsergebnis war 36 Stunden später schon wieder aufgeschnürt. Ein erster kleiner Erfolg derer, die sich gegen die Euro-Rettungsmaßnahmen wehren.
Seit Monaten verhandelt die zypriotische Regierung, zunächst unter einem linken, seit den Wahlen im Februar unter einem rechten Präsidenten, mit der EU über ein Rettungspaket im Umfang von rund 17 Milliarden Euro. Gemessen an dem Umfang der Kredithilfen, die anderen, von der Staatspleite bedrohten Euro-Ländern zugesagt worden sind, sind 17 Milliarden Euro keine große Sache. Gemessen aber an Zypern selbst, entspricht diese Summe der Wirtschaftsleistung des Landes in einem ganzen Jahr.
In Irland sind es „die Guten“, die Steuerflucht betreiben
Das Finanzproblem Zyperns ähnelt dem Irlands. In beiden Fällen sind es die überdimensionierten Banken, die gerettet werden wollen oder sollen und dabei die Finanzierungsfähigkeit des Gaststaates locker übertreffen. Ein wesentlicher Unterschied zu Irland besteht allerdings. Die Hauptkundschaft der zypriotischen Banken besteht aus schwerreichen Russen, die einen Gutteil ihrer Finanzvermögen (steuersparend und gemäß den EU-Gesetzen ohne lästige Kapitalverkehrskontrollen) auf der Insel verwalten lassen. Die Hauptkundschaft der irischen Banken besteht dagegen aus schwerreichen Bürgern und Konzernen aus der EU, die einen Gutteil ihrer Finanzvermögen (steuersparend und gemäß den EU-Gesetzen ohne lästige Kapitalverkehrskontrollen) auf der Insel verwalten lassen.
Irland wurde im Herbst 2010 ein riesiges, von den anderen Euroländern finanziertes Hilfskreditpaket geradezu liebevoll aufgenötigt. So hätte man auch im Fall Zypern verfahren können. Deutsche Innenpolitik verhinderte das. Im November vorigen Jahres wurde ein Papier des Auslandsgeheimdienstes BND in die Presse lanciert und von Spiegel Online in bewährter Weise exklusiv breitgetreten, wonach Zyperns Banken vor allem als Geldwaschanlage für superreiche, böse Russen fungieren.
Hilfe für ausländische Banken ist in Deutschland höchst unpopulär. Hilfe für Russen noch viel mehr. An Zypern wurde herumgenörgelt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellte öffentlich die rhetorische Frage, ob Zypern wirklich systemrelevant sei. Die EZB-Oberen wiesen ihn zurecht. Also wurde in Regierungskreisen Deutschlands die Idee geboren und laut überlegt, ob man nicht die Sparer, also die Gläubiger der zypriotischen Banken an deren Rettung beteiligen sollte. „Es könnte wirklich keine dümmere Idee geben“, wies der Finanzminister der neuen, von Merkels CDU massiv unterstützten, rechten Regierung Zyperns die klugen Einfälle aus Berlin zurück. Schon setzte Kapitalflucht ein. Die Griechen, Briten und Russen transferierten mehr und mehr ihrer Guthaben von den zyprischen Banken zurück nach Hause oder sonst wohin. Als Zwischenfazit kann man feststellen: Die besonders kluge, in Brüssel ausgehandelte Bankenrettung für Zypern auf Kosten der dortigen Sparer ist als Abwehrreaktion der Regierung Merkel an die sich in der „Alternative für Deutschland“ formierenden Rechtsnationalisten zu werten.
Vermögensabgabe? In Kern-europa tabu, für Zypern eine gute Idee
Folgendes Rettungspaket für die Banken Zyperns wurde schließlich in der Nacht zum Sonntag, dem 17. März, präsentiert. Die Banken werden nicht mit 17,5, sondern nur mit dem Einsatz von 10 Milliarden Euro aus dem berüchtigten ESM (European Stability Mechanism) gerettet. Den Rest müssen die zypriotischen Bankkunden aufbringen. Wer bei einer dieser Banken ein Konto unterhält, muss auf sein Guthaben einen Abschlag von 6,75 Prozent hinnehmen. Guthaben oberhalb 100000 Euro werden um 9,9 Prozent reduziert. Außerdem enthält das feine Paket neben den üblichen Sparauflagen und Privatisierungsbefehlen den geradezu linksradikal anmutenden Auftrag an Zypern, die niedrigen Unternehmenssteuern anzuheben. Der frühere französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte 2010 auch von Irland die Anhebung der Unternehmenssteuern gefordert, war damals aber mit diesem Ansinnen an der deutschen Regierung, den Wettbewerbsfanatikern in der Kommission, vor allem aber am starken Interesse der europäischen Konzerne gescheitert, ihre Steueroase Irland zu behalten.
Es schwante den Konstrukteuren der Zypern-Lösung schon, dass die geplante Vermögensabgabe für die Kleinsparer nicht gut ankommen würde. Schon am Sonntagabend, nach der erfolgten Vereinbarung, versuchte Wolfgang Schäuble in einem Fernseh-Interview die Verantwortung dafür mit dem für ihn typischen scheinheilig-treuherzigem Blick auf die zypriotische Regierung und ihren Präsidenten Nikos Anastasiades zu schieben, der das sofort leugnete. Wie es wirklich war, wissen wir nicht. Jedenfalls aber vermied es Schäuble darauf hinzuweisen, dass er und Frau Merkel sich mit großem Einsatz und Erfolg dafür eingesetzt hatten, dass der sozial gesinnte Anastasiades Präsident des Landes wurde, mit dem sich eine Lösung des Zypern-Problems besser aushandeln ließ.
24 Stunden später hatten die Protestierenden in Zypern erreicht, dass das Modell gekippt wurde. Noch bevor das Parlament in Nikosia über den Rettungsdeal abstimmte, gaben die Verhandlungsführer in Brüssel, Frankfurt und Berlin der zypriotischen Regierung freie Hand, wie sie die Vermögensabgabe auf kleine und große Vermögen verteilen würde.
Einiges an dem zypriotischen Rettungspaket für Zypern ist erstaunlich: Erstens, dass es uns und der Welt vorführt, wie einfach und effektiv eine Vermögensabgabe durchzuführen ist. Zyperns Regierung erhält den Auftrag, die Sparer im Land zu rasieren. Schon am Sonntag wurden die Bankautomaten zum Abheben von Bargeld gesperrt. Dem Feiertag am Montag wurden dann mehrere Bankfeiertage nachgeschaltet. So kann man mit Banken umgehen, wenn die Politik es nur will. Da ist sie endlich, die Vermögensabgabe, die die Linken seit Jahr und Tag fordern. Die Regierungspolitiker Deutschlands haben sich, weil es ihnen innenpolitisch in den Kram passte, als durchsetzungsstark erwiesen. Anders als vermutet, bringen sie es fertig, die bei Banken lagernden Finanzvermögen zu rasieren und dazu auch mal schnell den freien Geldverkehr zu unterbrechen.
Zweitens aber erweist sich die deutsche Dominanz über die Eurozone und Europa nicht nur wie bisher als unsozial und ökonomisch schädlich, sondern auch als Willkürherrschaft. Abhängige Randstaaten werden in gleicher Notlage je nach der innenpolitischer Lage in Deutschland höchst unterschiedlich behandelt. Griechenland und Italien erhalten neue Regierungschefs, die die jeweiligen Länder nur mit Mühe wieder loswerden. Portugal und Irland werden relativ dazu politisch einigermaßen pfleglich behandelt. In Spanien wird demnächst die Rettung von Banken von ganz anderer als zypriotischer Dimension wieder aktuell.
Da hält drittens der Zypern-Deal wichtige Lehren für das Vertrauen des Publikums parat. Wer Bankkunden zunächst nur in Zypern in der fernen Levante rasiert, dem ist zuzutrauen, dass er – je nach innenpolitischer Lage – auch anderswo direkt eingreift. Nach Zypern ist keine Bank mehr sicher. Banker und Sparkassenpräsidenten haben den deutschen Sparer mit süßen Worten zu beruhigen versucht. Was in Zypern durchgezogen wird, sei hierzulande undenkbar, sagen sie. Auf kürzere Sicht haben sie vermutlich sogar recht. Allerdings kann das Beispiel Zypern Sparer (Groß- und Kleinanleger) in Spanien, Portugal und anderswo dazu veranlassen, ihre Konten leer zu räumen und die ohnehin wackligen Banken in ganz Euroland damit zu kippen.
Lucas Zeise ist Journalist und Vorstandsmitglied der Marx-Engels-Stiftung. Im Herbst 2012 erschien bei PapyRossa sein Buch Euroland wird abgebrannt