Warm halten

Gebäudeheizung und Energiepolitik in Deutschland

Seit 40 Jahren, beginnend mit einer Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur, bin ich in der Sanitär- und Heizungsbranche beschäftigt. Und ebenfalls 40 Jahre ist es her, so erzählte mir kürzlich ein schon über 70-jähriger Heizungsbauer, dass er eine Wärmepumpe montiert hat, die in Kombination mit einem vorhandenen Ölkessel jahrelang zuverlässig betrieben wurde.

Ich war einigermaßen überrascht. Im Gegensatz zur aktuellen Situation war nach meiner Erinnerung in der Zeit meiner Berufsausbildung von Wärmepumpen nicht die Rede, auch wenn es tatsächlich in den frühen achtziger Jahren einen kurzen Absatzboom gab. In meinem Fachbuch aus der Berufsschulzeit, Stand 1981, findet sich auf knapp anderthalb Seiten eine theoretische Erklärung der Wirkungsweise von Wärmepumpen, während die Funktion und Reparatur von Kohlebadeöfen auf drei Seiten beschrieben werden.

Stand der Haustechnik waren die bis 1984 noch zugelassenen Gasdurchlaufheizer ohne Abgasanschluss, die in der Regel zur Befüllung der Küchenspüle dienten und ihre Verbrennungsluft direkt in den Wohnraum abgaben. Weit verbreitet war auch die Nutzung der Heizungskeller als Trockenraum für die Wäsche, denn diese waren wegen der hohen Wärmeverluste der durchgehend mit hohen Vorlauftemperaturen gefahrenen Heizkessel oft die wärmsten Räume im Haus. Bis vor wenigen Jahren wurden direkt befeuerte Warmwasserspeicher vertrieben, deren ständig brennende Zündflamme und unzureichende 
Wärmeisolierung einen bis zu zehnfach höheren Bereitschaftswärmeverbrauch verursachten als bei indirekt durch die Heizungsanlage erwärmten Modellen.

In den achtziger Jahren war man nicht nur in Deutschland noch weit von einer konsequenten Nutzung der sich im Gebäudesektor bietenden Einsparpotentiale entfernt. In Folge der Ölkrise 1973 war das Energieeinspargesetz beschlossen worden, das mit der 1977 in Kraft getretenen Wärmeschutzverordnung erstmals Maßnahmen zur Begrenzung der Wärmeverluste in Gebäuden festlegte. Die Heizungsanlagen-Verordnung regelte ab 1978 die Anpassung der Nennleistung von Heizungsanlagen an den tatsächlichen Gebäudebedarf sowie die Begrenzung der Abgasverluste. Mit Novellierungen ab dem Jahr 1982 kamen weitere Regelungen hinzu, die sowohl die Wärmeverluste von Gebäuden als auch den Energiebedarf für Heizung und Brauchwassererwärmung reduzieren sollten. Dennoch blieb der Heizwärmebedarf, gemessen an den heute üblichen Werten, für viele Jahre weiterhin recht hoch.

Politische Prämissen

In der Politik legte man größeren Wert darauf, für eine dauerhaft günstige Energieversorgung zu sorgen und die volkswirtschaftlichen Gefahren erneuter plötzlicher Verteuerungen zu vermeiden. So wurde das Genehmigungsverfahren für den Braunkohletagebau in Hambach im Jahr 1974 eröffnet und der Bau weiterer Atomreaktoren ab Mitte der siebziger Jahre vorangetrieben.

Mit der Entdeckung eines großen Erdgasfeldes in Groningen hatte schon zu Anfang der sechziger Jahre der Import von Erdgas aus den Niederlanden begonnen, wodurch das zuvor als Nebenprodukt der Kokserzeugung hergestellte Stadtgas nach und nach verdrängt wurde.

Im Oktober 1972 begannen die ersten Erdgasimporte aus der damaligen Sowjetunion. Nicht zuletzt aufgrund der nur ein Jahr später durch die Opec beschlossene Drosselung der Ölfördermenge wurden fortan die sowjetischen Gaslieferungen als wichtige Hilfe beim Abbau der hohen Ölabhängigkeit betrachtet. Für die DDR wurde der Anstieg der Rohölpreise aufgrund der im Ostblock geltenden vertraglichen Regelungen erst zu Beginn der achtziger Jahre spürbar, führte dann aber in vielen wirtschaftlichen Bereichen zu einer vollständigen Umstellung auf den heimischen Energieträger Braunkohle und letztlich zum Niedergang der ostdeutschen Volkswirtschaft.

Der stetig zunehmende Gasanteil im deutschen Energiemix führte auch im Heizungssektor zu einer Verlagerung weg vom Heizöl. Wer seinen Neubau nicht gerade im dünn besiedelten ländlichen Raum ohne Gasversorgungsnetz errichtete, für den war eine Erdgasheizung schon wegen der geringeren Anschaffungskosten und der Einsparung eines Heizöllagerraums oft die bessere Wahl.

Deutliche Verbesserungen der Energieeffizienz wurden aber durch regelungstechnische Maßnahmen und die seit den neunziger Jahren zunehmend verbauten Gasbrennwertthermen und Öl- oder Gasbrennwertkessel erzielt. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Heizwertanlagen, die zur Vermeidung von Schornsteinschäden mit hohen Abgastemperaturen und entsprechenden Energieverlusten betrieben werden müssen, sind die Abgastemperaturen bei Brennwertgeräten so niedrig, dass auch die Kondensationswärme genutzt werden kann, wofür allerdings eine spezielle Abgasführung erforderlich ist. Um den Vorteil möglichst geringer Rücklauftemperaturen nutzen zu können, ist darüber hinaus die Anbindung großer Heizflächen entscheidend, was entweder durch größere Heizkörper oder den Einsatz in Verbindung mit einer Fußbodenheizung begünstigt wird, deren Anteil im Neubau bis heute stetig zunimmt.

Die durch den Umstieg auf Brennwertgeräte möglichen Einsparungen beim Gasverbrauch liegen zwischen zehn und fünfzehn Prozent. Angesichts der zusätzlich umzusetzenden heizungstechnischen Maßnahmen und der meist auch etwas höheren Wartungskosten bleibt der finanzielle Vorteil dieser umweltschonenderen Heiztechnik für den Betreiber wie für die Betreiberin allerdings überschaubar. Abgesehen von den zumindest für Einfamilienhäuser wegen der erforderlichen hohen Betriebsstundenzahl meist ungeeigneten Blockheizkraftanlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme, war auf der Basis fossiler Brennstoffe eine weitere Erhöhung der Energieeffizienz kaum möglich. Immerhin wurde die Modernisierung des Gebäudebestands in den neuen Bundesländern teilweise bereits mit Brennwertgeräten umgesetzt. Auch bei den etwa zur gleichen Zeit von allen führenden Herstellern auf den Markt gebrachten thermischen Solaranlagen zur Brauchwassererwärmung war eine Amor tisation der Gestehungskosten erst nach 15 Jahren zu erwarten.

Im Falle der Brennwertheizungen und der damit sinnvollerweise zu kombinierenden thermischen Solaranlagen wurde um die Jahrtausendwende nicht nur eine Förderung von Bund oder Land angeboten. Zuschüsse gab es sogar von Gasversorgern, deren Absicht es war, die Zahl der Anschlüsse an das bestehende Gasnetz langfristig zu sichern oder zu erhöhen. Über 70 Prozent betrug der Anteil von Gasheizungen an allen im Jahre 2000 fertiggestellten Neubauten, Ölheizungen kamen auf etwa 15 Prozent.

Am falschen Ende

An diesem Punkt wird die Problematik einer in erster Linie auf niedrige Energiekosten ausgerichteten Politik sichtbar, die nicht nur Umweltaspekte, sondern auch die Gefahr technologischen Stillstands und wirtschaftlicher Abhängigkeiten ausblendet. Analog zum Zuwachs der mit Erdgas betriebenen Heizungsanlagen stiegen auch die Gasimporte nach Deutschland. Blieben die Importe aus Norwegen und den Niederlanden von 2005 bis 2020 zusammen etwa auf dem gleichen Niveau, so stieg die aus Russland bezogene Gasmenge in diesem Zeitraum bis auf 56,3 Milliarden Kubikmeter oder 55 Prozent der Gesamtimporte an. Nicht einmal die Annektierung der Krim durch Russland veranlasste die damalige Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel zum Umdenken. Im Gegenteil: Russische Firmen kauften sich in den deutschen Gasmarkt ein, Erdgasspeicher, darunter der EU-weit größte in Rheden, wurden von Gazprom übernommen, ohne dass es gesetzliche Regelungen zur Sicherung eines Mindestfüllstandes gegeben hà 4tte. Auch die Idee einer nationalen Gasreserve, wie sie nach der Ölkrise für Erdöl aufgebaut wurde, galt als zu teuer.

Im Stromsektor agierten die von Angela Merkel geführten Regierungen ähnlich kurzsichtig. Vorrangiges Ziel war stets eine Entlastung der Industrie, etwa durch die auf Kosten der privaten Haushalte gewährte Befreiung großer Stromabnehmer von der EEG-Umlage. Anreize für Einsparungen seitens der so begünstigten Unternehmen gab es nicht. Gleichzeitig wurde der Ausbau er-
neuerbarer Energien massiv gedrosselt, während die unter Volldampf laufenden Braunkohlekraftwerke das europäische Ausland mit überschüssigem Strom überschwemmten.

Besonders die Versäumnisse beim Ausbau der erneuerbaren Energien und die gegenüber fossilen Brennstoffen deutlich höhere Abgabenbelastung auf Strom erwiesen sich lange Zeit als großes Hindernis für eine Wärmewende in deutschen Heizungskellern. Mit der Energieeinsparverordnung wurde ab 2016 zwar eine weitere Absenkung des Primärenergiebedarfs für Neubauten wirksam, die mit Öl- oder Gasheizungen kaum noch realisierbar war. Ab diesem Zeitpunkt stiegen nun mit jedem Jahr auch die Absatzzahlen für Wärmepumpen, die schon im Jahr darauf bei den Baugenehmigungen neuer Wohngebäude erstmals die Gasheizungen überholten. Dennoch verhinderten die hohen Strompreise angesichts der erheblich teureren Anschaffungskosten von Wärmepumpenheizungen zunächst einen noch größeren Zuwachs. Erst durch das seit Anfang 2020 in Kraft getretene Marktanreizprogramm, das für den Einbau einer Wärmepumpen-Anlage 35 Prozent, bei Austausch einer alten Ölheizun g sogar 45 Prozent Erstattung in Aussicht stellte, stiegen die Verkaufszahlen weiter an.

Es wird eng

Die Wärmepumpe stellt heute bei fachgerechter Planung und Montage eine der meistversprechenden Lösungen für die im Wohnungssektor dringend erforderliche Reduzierung des Primärenergieeinsatzes dar. Die benötigten Heizleistungen können in der Regel schon von Luft-Wärmepumpen bei guten Jahresarbeitszahlen erbracht werden, und entgegen weitläufiger Zweifel ist ihr Einsatz auch in Altbauten und in Kombination mit Heizkörpern sinnvoll. Nicht zu vergessen ist die bei vielen Modellen zusätzlich vorhandene Kühlfunktion. Mit der Möglichkeit, Wärme zu puffern und bevorzugt dann zu heizen, wenn genug Strom vorhanden ist, können sie einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes leisten.

Ob eine Reduzierung der CO2-Emissionen im Wohnungssektor gelingen kann, hängt entscheidend von der zügigen und vollständigen Verdrängung aller mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizungsanlagen ab. Bei Laufzeiten von deutlich über 20 Jahren ist jede heute noch eingebaute Gas- oder Ölheizung eine Hypothek für das Klima. Der spätere Umstieg auf sinnvollerweise klimaneutral produzierten Wasserstoff wird zwar technisch kein großes Problem darstellen, doch wird die angesichts der deutlicher zutage tretenden Klimaveränderungen noch verfügbare Zeit bis zu dessen Verfügbarkeit für großflächige Gasnetzumstellungen nicht ausreichen. Ebenso wie im Verkehrssektor bewirkt das Rufen nach technologieoffenen Lösungen oft nichts als ein Aufschieben unbeliebter Veränderungen.

Schon heute deutet sich an, dass der selbst von manchen Heizungsbauern aus Unkenntnis oder Bequemlichkeit immer noch propagierte Einbau von Gasheizungen für die Verbraucher in eine Kostenfalle führt. Einer Auswertung des Vergleichsportals Verifox von Anfang Oktober zufolge werden die Gasnetzentgelte für Privathaushalte bereits im Jahr 2025 um durchschnittlich 25 Prozent steigen. Als Grund werden von der Bundesnetzagentur auch,  infolge zunehmend eingesetzter alternativer Energiequellen, zurückgehende Gasverbräuche und Netzanschlüsse im privaten Sektor genannt, so dass die Kosten der Betreibung des Versorgungsnetzes auf immer weniger Kunden umgeschlagen werden. Dies ist, neben der zukünftig weiter steigenden CO2-Bepreisung, ein vielfach übersehener Faktor in der Gaspreisermittlung.

Dass der Umbau der Heizungsbranche durch die Corona-Pandemie, durch weltweite Lieferengpässe, Materialverknappung, Rohstoffverteuerung, Inflation und schließlich durch einen Krieg in Europa nicht einfacher geworden ist, liegt auf der Hand. Erstaunlich ist aber, wie schnell der zu Beginn des Krieges noch befürchtete Zusammenbruch der deutschen Gasversorgung vergessen zu sein scheint. Nicht zuletzt durch das entschlossene Handeln des später vehement angefeindeten Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck wurde die von Wladimir Putin nachweislich beabsichtigte Schwächung der deutschen Wirtschaft abgewendet und eine Reihe wichtiger Maßnahmen auf den Weg gebracht, um eine von russischen Gasimporten unabhängige Energieversorgung zu sichern. Bereits Ende 2023 teilte die Bundesnetzagentur mit, dass der jahrelang verzögerte Ausbau der Nord-Süd-Stromtrassen durch die Beschleunigungsgesetze des Ampel-Koalition Fahrt aufnimmt, so dass künftig eine effektivere Nutzung  der in Norddeutschland verfügbaren Windenergie möglich sein wird.

In den vielen hitzigen Debatten der vergangenen zweieinhalb Jahre, die sich am sogenannten Heizungsgesetz entzündeten und die vielfach bewusst gegen eine nachhaltige Wirtschafts- und Klimapolitik gerichtet waren, wurden dagegen die Versäumnisse der Vorgängerregierung nicht aufgegriffen. Erst deren in keiner Weise nachvollziehbare Sorglosigkeit trug maßgeblich zu der mit Beginn des russischen Angriffskrieges aufgetretenen Bedrohungslage in der Energieversorgung bei.

Ich habe den Heizungsbauer ein paar Tage nach unserem ersten Gespräch gefragt, was denn mit der vor 40 Jahren installierten Wärmepumpe geschehen sei. Er antwortete, dass eines Tages eine Reparatur anstand. Der Ölpreis war aber so niedrig, dass der Hausbesitzer die Wärmepumpe abschaltete und fortan wieder nur seinen Ölkessel nutzte.

Reinhard Noffke, Jahrgang 1964, wohnt im Süden Mönchengladbachs, nur wenige Kilometer vom Tagebau Garzweiler II entfernt. In einer Reihe von Artikeln für Lunapark21 hat er das Ausmaß der für den Kohleabbau betriebenen Umweltzerstörung beschrieben.