Meer, Plastik & Imperialismus

„Only if the coast is clear“
Lunapark21 – Heft 25

Wer die Wochenend-Beilage der Financial Times, die Hochglanz-Publikation „How to spend it“ (locker übersetzt mit „Wie krieg ich mein Geld bloß wieder los?“), liest, der konnte dort im Mai 2013 einen Beitrag mit der Überschrift „Only if the coast is clear“ zur Kenntnis nehmen: Vorgestellt wurden Jacht-Reisen und Luxus-Reisevermittler von trips in „absolut exklusive Meeres-Regionen“. Der fünfseitige Beitrag mit wunderbaren Fotostrecken, die glasklare, einsame Strände und Atolle abbilden, endet mit dem Verweis: „Maria Shollenbarger [die Autorin; LP21-Red.] war bei ihrer Reise Gast der Malaysia Airlines und des Veranstalters Silolona Sojourns“; dezent präsentiert werden Trips, die zwischen 9000 US-Dollar pro Woche, pro Person und im Einzelbett und 54000 US-Dollar pro Woche/Person kosten. Dabei wurde beruhigend hinzugefügt, dass bei der 54000 US-Dollar Jacht-Reise „Essen, Transfers, Wassersport-Aktivitäten und Trecking eingeschlossen“ seien.

Für die Reichen auf dieser Welt gibt es also noch ausreichend Reiseziele in einsame Meeres-Regionen. Doch auch für die meisten Normalverdiener ist das Meer in der Regel „einfach so da“ – dann, wenn es im Urlaub „gebraucht“ und aufgesucht wird. Wenn der eine Küstenabschnitt in Italien mal verschmutzt, der andere in Spanien völlig verbaut, die Gestade auf Bornholm mit Algen wochenlang zugewachsen sind oder die Aussicht an einem an sich romantischen schottischen Küstenabschnitt durch eine Bohrinsel einigermaßen verunstaltet wird, dann fliegt man eben im nächsten Jahr nach Gran Canaria, in das mexikanische Cancun oder gleich auf die Malediven. Die Preisrevolution bei den Flugreisen ermöglicht Reiseziele zu einem immer entfernteren Meer, womit man teilweise der Diskussion um die Zerstörung der Meere aus dem Weg fliegen kann.

Wenn es doch einmal kritische Debatten zum Zustand der Küsten und Meere gibt, dann enden diese oft bei den – natürlich durchaus auch wichtigen – Themen Fischerei und Plastikmüll. Das Tröstliche bei diesen Themen ist schließlich, dass Abhilfe geschaffen werden kann: Bitte auf die Gütesiegel MSC, FOS und SAFE achten! Plastikmüll bitte einsammeln! (Zum Thema „Plastik und Meer“ siehe den Beitrag von Winfried Wolf auf den Seiten 50/51).
Tatsächlich sind die Weltmeere längst Teil des kapitalistischen Verwertungs- und Ausbeutungsprozesses. Auch gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Peak oil, dem realen oder „eigentlich zu erwartenden“ Spitzenwert der jährlichen Öl-Beute, und der Beschleunigung der kapitalistischen Ausbeutung der Tiefsee-Ressourcen. Und es sind die führenden imperialistischen Länder, die in diesem gigantischen Business führend agieren.

Bei den Linken, die in Hafenstädten und meeresnah wohnen, ist das kritische Bewusstsein zum Zustand der Meere naturgemäß entwickelter. Eine ausgesprochene Vorreiterrolle spielen hier die Zeitschrift WATERKANT und ihr maßgeblicher Macher Burkhard Ilschner. Weswegen Lunapark21 bei diesem gut 20-seitigen Spezial eng mit WATERKANT kooperierte. Den Auftakt bildet ein Beitrag von Burhard Ilschner auf den folgenden Seiten 43 bis 46, in dem die Bedeutung des Ende Mai in Bremen stattfindenden Events „Europäischer Tag der Meere“ als Teil dieses kapitalistischen Verwertungsprozesses herausgearbeitet und dabei die Geschichte der seit drei Jahrzehnten währenden Auseinandersetzung um den Schutz der Meere skizziert werden. Die differenzierte Geschichte des Seerechts, wie es seit den 1970er Jahren als neues und zunächst fortschrittliches Projekt erkämpft wurde – und wie dieses schließlich von den imperialistischen Mächten integriert und teilweise pervertiert werden konnte – wird in dem Beitrag auf den Seiten 48/49 dargestellt. Jüngst gab es im ostchinesischen Meer zwischen der VR China auf der einen, Japan, Südkorea und den USA auf der anderen Seite einen heftigen Konflikt um ein paar kleine Eilande, um die Diaoyo-Inseln (japanisch: Senkaku); die USA führten über der von China beanspruchten „Luftverteidigungszone“ demonstrativ Flüge mit B52-Bomberflugzeugen durch. Peter Nolan zeigt in seinem Beitrag auf, dass es in erster Linie die USA und die alten Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien sind, die mittels einer großen Zahl von Inseln, die sich meist seit kolonialen Zeiten in ihrem Eigentum befinden und die über alle Weltmeere verstreut sind, gigantische Meeresflächen einschließlich der dazu gehörigen Tiefseeressourcen kontrollieren (siehe Seiten 52 bis 59). Das LP21-Spezial mündet in das redaktionelle Ressort der subjektive Faktor, wo Christoph Spehr auf den Seiten 62 und 63 die Arbeit der Gruppe fair oceans vorstellt. Die konkreten Gegenaktivitäten zum EU-Meeresgipfel werden bereits auf Seite 46 dokumentiert.

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