Die Macht der Frauen

Von der Mittäterschaft zur Tat?

Unter den Verordnungen, die Donald Trump am ersten Tag seiner erneuten Präsidentschaft erließ, ist auch ein Dekret zur Erneuerung der Geschlechterdualität, wonach es »nur noch Männer und Frauen geben« werde.

Ist das nur die unbeholfene Replik auf die zunehmende Weigerung der Frauen, ihren Platz in der Geschlechterhierarchie einzunehmen, und die »gesichtslose« First Lady bei der Inauguration ein Vorgeschmack darauf, welchen er für Frauen vorgesehen hat? Es ist wohl komplizierter.

Im Getöse um die drohenden wirtschafts- und verteidigungspolitischen Konsequenzen und des Migrationsdesasters, die die Experten verzweifelt herunterzudimmen bemüht sind, mag das Dekret »Zur Verteidigung der Frauen vor dem geschlechterideologischen Extremismus …«1 als Petitesse erscheinen, nur eine kurze Erwähnung wert. Dabei hat der Präsident es offenbar sehr wichtig damit, gleich am ersten Tag der objektiv doch recht kleinen LGBTIQ+-Community den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Womit er auch einigen unserer rechtskonservativen und ultrarechten Möchtegern-Machthaber:innen aus der Seele sprechen dürfte.

Doch welche Relevanz hat diese Rekonstruktion des Eindeutigen für ihre Kernanliegen? Es geht vermutlich weniger um eine gar nicht mehr erreichbare »Bereinigung« der Bevölkerung. Wer sich als Führer:in aus dem gesellschaftlichen Chaos inszeniert, muss Komplexität reduzieren und »Woke« lassen sich nicht mit einfachen Wahrheiten abspeisen, wer für Diversität steht, stützt keine Antimigrationspolitik. Also weg mit Gender-Gaga, weg mit allem Uneindeutigen – mit Konsequenzen auch für cis- und Heterofrauen. Dann sind, so das recht schlichte Kalkül, auch die Positionen und Aufgaben wieder klar und die Hierarchien wieder hergestellt, Männer die Macher und Frauen schutzbedürftig, was das Dekret nahelegt, das geschickt mit dem Schutz der Frauen argumentiert und sich nicht scheut, dazu die unselige feministische Diskussion auszuschlachten. Mit der Austreibung des Genderpopanz nicht nur die Geschlechter- sondern die Ordnung insgesamt »wieder«  herstellen – mit dem »Genderismus« auch den »Multikulturalismus« und womöglich auch noch Klimawahn und Gleichmacherei austreiben? Eine Menge Leute scheint das zu beruhigen.

Dabei hätten die reaktionären Kräfte gar nicht so viel zu fürchten, zeigt doch unsere sogenannte Zeitenwende, wie labil die kleinen Erfolge im Bemühen um einen anderen Politikstil waren, wie schnell die in 50 Jahren Frauen-, Alternativ- und Friedensbewegungen erreichten Anfänge anderer Formen der Konfliktlösung, des Umgangs mit dem anderen und auch mit politischen Gegnern, zum Irrtum der Geschichte werden konnten. Dass die alte Verteidigungs- und Unterwerfungslogik, ohne Gedanken für andere Optionen zuzulassen, in kürzester Zeit das Einverständnis einer Mehrheit der Bevölkerung fand, auch Grüner und Linker, und dass auch reflektierte Frauen auf die Panikmache der nächstens bei uns marodierenden Russen einstiegen und sich womöglich demnächst vor Flüchtlingen nicht mehr sicher fühlen – während sie heute gegen den Rechtsruck demonstrieren –, deutet darauf, wie tief die patriarchalen Strukturen sitzen, die einer feministischen W ende im Weg stehen.

So viel schien erreicht und doch sind wir nicht weiter? Abgründig genug, wenn sich amerikanische Männer an der Omnipotenz-Protzerei des Kandidaten aufgeilten und sich mit seiner sexistischen Unverschämtheit identifizierten. Aber Frauen, womit haben sie sich da identifiziert?

Wie konnten sie nur Trump wählen?

Überhaupt, so ein gern vorgebrachtes Ablenkungsmanöver, wenn es um verfehlte oder Frauen schädigende Politik geht, Frauen selbst dulden doch, unterstützen oder vertreten sogar in eigener Person häufig ihren Interessen zuwiderlaufende Handlungen! Noch immer auch im globalen Norden, wo ihnen inzwischen ganz andere Möglichkeiten offenstehen. Die gibt’s, das ist nicht von der Hand zu weisen. Beste Beispiele die in der Ampel ungewöhnlich große Zahl an Ministerinnen und führenden Abgeordneten, unter denen manche sich berufen fühlt, nicht nur ihren Mann, sondern ihren Macho zu stehen, von der Grenzschützerin bis zur Waffenexpertin.

Die Frage, warum das so ist, wird selten und wenn, dann eher rhetorisch gestellt. Warum votieren manche gegen die Beseitigung des §218, küren einen Kriegstreiber zum beliebtesten Politiker oder rufen selbst nach Waffen, positionieren sich gegen Quoten, wählen einen ausgewiesen frauenverachtenden Sexisten zum Präsidenten oder influencen als »Trad-Wife« für ein Dasein als traditionelle Hausfrau? Um nur einige Beispiele aus den sogenannt zivilisierten Regionen zu nennen. Internalisierter Masochismus oder selbstverletzender Antifeminismus? Läuft es ihren Interessen am Ende gar nicht zuwider – wie die Rechten und die Religiösen behaupten, zumal in den USA, dem gelobten Land der Sekten und christlichen Fundamentalisten? Stockholmsyndrom, die »positive« Beziehung, die das Opfer zum Täter aufbaue, dem es nicht entkommen kann, läge nahe angesichts der gewaltvollen Geschichte der Geschlechter-Beziehungen.

Diese »freiwillige« Selbstunterwerfung, wurde in der westdeutschen Frauenbewegung anhand der Mittäter-These2 bereits in den 1980ern diskutiert. Die »Bereitschaft zur Duldung, Unterstützung oder Nichtzuständigkeit«, über die Frauen den Triumpf des Patriarchats permanent mit reproduzieren und direkt oder indirekt daran partizipieren. Die Fähigkeit zu extremer Selbst- und Realitätsverleugnung, im Extrem die der nationalsozialistischen Mütter, die ihre heile Familie von der Massenvernichtungsrealität abzuspalten vermochten. Eine Analyse – keine Entschuldigung, für keine Seite –, die die zur Betroffenheit neigenden Diskutantinnen buchstäblich allein ließ und in ihrer Erbarmungslosigkeit keinen Ausweg anbot.

Welche Machtstrukturen hinter diesem Phänomen stehen, machen unter anderem die Frauenhaus- und Anti-Gewalt-Initiativen sicht- und die Schwierigkeiten, aus dem System auszuscheren, verstehbar. Das ganze Ausmaß psychischen, physischen und ökonomischen Machtmissbrauchs, den Männer gegen »ihre« Frauen richten, und das besonders häufig mit tödlichem Ausgang, wenn diese sich zu entziehen suchen, wird erst in den letzten Jahren wahr- und ernster genommen. 360 Femizide in 2023 gingen nicht auf das Konto von durchgedrehten »Ausreisepflichtigen«und sexualisierte Gewalt geht am wenigsten von Transfrauen in Frauensaunen aus. Erschütternd das Fehlen jeglichen Unrechtsbewusstseins ganz einfacher Männer, wie es im Prozess der Gisèle Pelicot deutlich wurde, so wie auch die Selbstverständlichkeit, mit der sexualisierte Gewalt allüberall im Alltag hingenommen und geduldet war und trotz MeToo noch immer ist: auf Bewerbungscouchen oder den After-Show-Parties  egomaner Popstars und heute im Netz, wo die Silicon-Valley-Bros nicht nur Incels und Maskulisten – die erbärmlichste Variante des Frauenhasses – eine wohlwollende Bühne bieten, um Frauen zu erniedrigen. Das führt zu der Frage, welche kognitive Dissonanz, es Männern seit Jahrhunderten erlaubt, Frauen klein zu halten, zu verunsichtbaren, zu demütigen und zugleich versessen darauf zu sein, mit den so Verachteten Tisch und zumindest Bett zu teilen? Einer Antwort darauf bedarf es allerdings nicht, um das böse Spiel zu durchbrechen.

Frauen sind schon seit einer Weile dran. Doch bislang bleiben die Bemühungen um Veränderung einseitig, bleiben bei den Frauen, während die Jungs vor Selbstgerechtigkeit strotzen und Rückenwind von echten und falschen Denunziantinnen bekommen. Solange aber das Gros der Männer seinen Anspruch auf mindestens eine und möglichst willfährige Frau nicht hinterfragt und es nach wie vor nicht für nötig befindet oder nicht dazu genötigt wird, sich mit den eigenen irrigen bis irrsinnigen Vorstellungen von Mannsein auseinanderzusetzen, nutzen auch Gewaltschutzgesetze nur sehr begrenzt, als Notversorgung. Deshalb ist es an den doch nicht mehr so ganz seltenen Gutwilligen, ihren Geschlechtsgenossen Dampf zu machen.

Rechtsnationale Frauen-Power

Statt einer Massenbewegung selbstreflektierender Männer aber wird mit der Zeitenrückwende gerade wieder die echte Männlichkeit hervorgekramt.

Zwar dürfte sowas wie das Trump’sche Schmierentheater mit seinen Tech-Groupies im hochkultur-verwöhnten Europa – noch – die Massen nicht in Jubel versetzen, jedenfalls solange die spaßorientierte Jugend nicht mitwählt. Aber das Patriarchat ist beharrlich, auch in weiblicher Gestalt. Denn während in USA noch der offene Machismo zelebriert wird, steigen in den drei großen EU-Ländern Frauen in den Ring für einen rechtsnational-antifeministischen Kurs. Dabei machen sie nicht den Eindruck, als würden sie von ihren Parteien vorgeschickt, um das weibliche Wählenden-Potenzial besser auszuschöpfen oder das Image der Parteien zu polieren – was sie gleichwohl auf raffinierte Weise tun. Allerdings auf eigenen Impuls, denn die aufstrebenden rechtsextremen Powersisters sind Überzeugungstäterinnen. Aber überzeugt wovon? Angenommen, sie sind schlicht an der Macht interessiert, ist dann die ideologische Basis zweitrangig? Giorgia Melonis Hauptbest reben einer Verfassungsänderung etwa, die durch Direktwahl die Position der Ministerpräsidentin an der parlamentarischen Kontrolle vorbei erheblich stärken würde, würde diese These stützen.

Zu dumm, dass Marine Le Pen sich womöglich die Chancen, die erste Präsidentin Frankreichs zu werden, fast vermasselt hat mit einer drohenden Verurteilung wegen missbräuchlicher Verwendung von Europa-Geldern. Und Frankreich ist nicht USA. Derweil die Zeit ob der Meloni‘schen EU-Politik hofft: Warum sollte das nicht auch mit Le Pen gehen, punktet Alice Weidel angeblich mit ihrer bürgerlichen Anmutung, die zwar dem neuen Unterstützer Elon Musk schon bald zu dröge sein könnte, dafür ebnen ihr die Merz-Strategien womöglich den Weg zur Kanzlerschaft noch vor ‹33.

Pikanterweise sind die drei der lebende Widerspruch zwischen ihren proklamierten Zielen und ihrer Persönlichkeit. Sie sind in ganzer Person etwas anderes, als sie für die Masse der Bürgerinnen bereithalten. Mutter beziehungsweise Co-Mutter ändert das nicht. Wozu aber brauchen sie Männern unterwürfige Frauen? Weil sie die Männer brauchen und die ihre Pfründen erhalten wollen? Nehmen wir mal an, Frauen seien ihnen eigentlich relativ egal. Sie brauchen – anders als ein Trump oder Merz – die ganze Anti-Gender-Chose nur als Teil ihrer Ermächtigung, zu dem das vereindeutigte Geschlechterbild samt der Frau als Mutter en paquet dazugehört, etwa zum Ausländer-raus-Kurs. Wenn Weidel da mal nicht in Verlegenheiten kommt mit ihrer Regenbogenfamilie.

Bei ihrem Alleingang an die Macht – nix mehr Sisterhood is powerful – könnten die Donne früher oder später stolpern, weil sie auf die, seit jeher sorgsam gepflegten patriarchalen Netzwerke verzichten müssen. Es sei denn, sie werden von den Männern ihrer Parteien ohnehin nicht als Frauen gesehen und nur so dort geduldet, wie so manche Karrierefrau, die es ohne sexualisierte Spielchen nach oben schafft. Aber warum suchen sie ihren Erfolg ausgerechnet ganz rechts? Weil die Mitte schon besetzt ist und die Linken mit ihrem proklamierten Egalitarismus, ihrer Hierarchiefreiheit, mit der sie selbst nicht fertigwerden, solchem Ehrgeiz keine Bühne bieten? Darauf hat ja die linke Powerfrau – auch sie eine Verächterin von Gender-Themen – reagiert, der zwar keine rechtsradikalen, gleichwohl aber gewisse autoritäre Tendenzen zu unterstellen, nicht ganz abwegig ist.

Gleich also, ob sie tatsächlich überzeugt sind und sich damit als empathie- und skrupellos erweisen, oder ob sie um des Aufstiegs Willen eine besondere Form der Mittäterschaft entwickeln, es ist ein Supergau des Feminismus. Um das Patriarchat auszuhebeln reicht es nicht, dass die starken Frauen aus dem Schatten großer Männer treten und ihr eigenes Ding machen. Es kommt schon auf das Ding an. Es gibt also noch eine Menge zu tun – für alle Geschlechter.

Eveline Linke ist Diplom-Ingenieurin, Feministin, freie Autorin. Sie lebt in Hamburg und Berlin.

Anmerkungen:

1 Die Executive Order Donald Trumps zum Schutz von Frauen gegen Gender-Ideologie findet sich unter: https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/01/defending-women-from-gender-ideology-extremism-and-restoring-biological-truth-to-the-federal-government/

2 Die Mittäter-These wurde von Christina Thürmer-Rohr entwickelt. Der ausgezeichnete Film »The Zone of Interest« zeichnet diese anhand von Hedwig Höß nach.