Bloß Frauensachen?

SPD, Grüne und FDP haben die Chance vertan, Schwangerschaftsabbrüche vernünftig zu regeln

Das vollständige Verbot von Abtreibungen ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Zu diesem Ergebnis kam die von der Ampelkoalition eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und zur Fortpflanzungsmedizin in ihrem Abschlussbericht vom März vergangenen Jahres.

Der resultierende Gesetzentwurf zur Streichung des § 218 kam jedoch nicht ins parlamentarische Verfahren. Weiterhin gilt: Auch der Abbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche ist ein rechtswidriger Akt, müsse aber nicht strafrechtlich verfolgt werden. Lunapark21 berichtete.*

Nach dem Bruch der Ampelkoalition formulierte eine überfraktionelle Gruppe einen weiteren Gesetzentwurf zur Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch unter Beibehaltung einer Beratungspflicht.

Am 5. Dezember schließlich, einen Monat nach dem Ampel-Aus, debattierte der Bundestag über eine Neuregelung und schaffte es, den Kommissionsbericht dabei zu ignorieren.

Es wurden die bekannten Argumente vorgetragen. Die CDU beschwor den gesellschaftlichen Frieden und den Schutz des Lebens, die strafrechtliche Bewertung müsse bestehen bleiben. Die FDP wollte jetzt nicht entscheiden, stattdessen schnell Eizellspende und Leihmutterschaft liberalisieren. »Wenn Sie immer noch keine Meinung zu dem Thema haben, dann ist vielleicht Politik nicht das Richtige für Sie«, kommentierte die Abgeordnete der Linkspartei Heidi Reichinnek.

Das Thema wurde in den Rechtsausschuss überwiesen, der die Anhörung auf den 10. Februar terminierte, einen Tag vor der letzten Sitzung des Bundestages in dieser Legislaturperiode. Für die Anhörung im Rechtsausschuss hatten die Fraktionen von SPD und Grünen Expertinnen aus der Kommission berufen. CDU und AfD fuhren bekennende Lebensschützer auf.

Die von der CDU benannten Expert:innen beriefen sich auf die Verfassungsgerichtsurteile von 1975 und 1992. Die Jurist:innen der anderen Seite verneinten eine Bindungspflicht an diese Urteile unter einer neuen Bewertung der Rechte der Schwangeren und zeigten die Widersprüchlichkeit der geltenden Regelungen auf: Wenn das Recht des Ungeborenen immer Vorrang hätte, dürfte es keine Ausnahmen wie die kriminologische oder medizinische Indikation geben. Ferner widerspräche es jeder Systematik, das Strafgesetz zu bemühen um gleichzeitig die Nichtstrafbarkeit zu regeln. Somit diene die geltende Regelung nur der Stigmatisierung aller Beteiligten.

Und wie gewohnt sprachen die Gegner einer Liberalisierung den Schwangeren ab, die Tragweite ihrer Entscheidungen erfassen zu können.

Das Ergebnis: Keine Rückverweisung in den Bundestag, der auf einer außerordentlichen Sitzung noch über den Gesetzentwurf hätte abstimmen können. Ende der Debatte.

80 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes aus. Die Streichung des § 218 hätte zumindest die Voraussetzung geschaffen, dass die medizinische Behandlung Teil der von den Kassen zu zahlenden Gesundheitsversorgung würde und Schwangere und Behandelnde nicht eine eigentlich strafbare Handlung begehen.

Die Koalitionsregierung aber hat den Kommissionsbericht nicht genutzt und das Ganze verschleppt bis zum Bruch der Koalition. Es fehlte schlicht der Mut zur Umsetzung. Zumindest die Führungen der Koalitionspartner hatten es sich mit einem zukünftigen potenziellen Koalitionspartner wohl nicht verscherzen wollen.

Aber der § 218 wird weiter in der Diskussion bleiben. Eine Aktivistin sagte: »Wir sind nicht so weit gekommen, als dass wir jetzt aufhören.«

Silke Koppermann war bis vor zwei Jahren praktizierende Frauenärztin und Psychotherapeutin in Hamburg und ist im Arbeitskreis Frauengesundheit aktiv.

* »Und doch: Etwas Neues zum Paragraphen 218« in Lunapark21, Heft 63 vom Winter 2024, Seite 28. https://www.luna
park21.net/und-doch-etwas-neues-zum-218/