Aus: LunaPark21 – Heft 18
Als Daniel Yergin 1991 sein Werk „The Prize – Der Preis“ über die Geschichte des Öls vorlegte, das in viele Sprachen übersetzt und mit dem Pulitzerpreis als bestes Sachbuch bedacht wurde, lautete der ergänzende Titel „Die Jagd nach Öl, Geld und Macht“. Yergin beschreibt auf 1000 Seiten die mehr als 100-jährige fieberhafte Suche nach immer neuen Ölquellen und die ständig steigende weltweite Nachfrage nach Rohöl. Sein Schlusssätze lauten: „Die leidenschaftliche und manchmal gewalttätige Jagd nach Öl (…) wird sicher weitergehen, solange Öl seine zentrale Rolle behält. In unserem Jahrhundert ist jede Facette der Zivilisation durch die moderne Alchemie des Petroleums verwandelt worden. Es bleibt wahrhaftig das Jahrhundert des Öls.“ [1]
Das 20. Jahrhundert ist vorbei. Auch das 21. Jahrhundert ist in seinen ersten Jahrzehnten noch deutlich vom Öl bestimmt – mehr als uns lieb sein kann, wie die Deep Water Horizon-Katastrophe im Frühjahr 2010 zeigte. Die alte Jagd nach Öl und Gas geht also weiter – und sie führt in immer größere Tiefen, ist mit wachsenden Risiken verbunden und wird mit neuen Techniken, die einen Abbau an bisher nicht erreichbaren Fundstellen gestatten, durchgeführt. Gleichzeitig wird die Jagd nach klassischen Rohstoffen wie Kohle, Erz, Gold und Silber intensiviert. Und seit einigen Jahren wird dies ergänzt um eine Jagd nach neuen Rohstoffen beziehungsweise nach Rohstoffen, die ein qualitativ neues Gewicht im gegenwärtigen Produktions- und Konsummodell erhalten haben.
In den letzten zwei Jahren wuchs der weltweite Rohölverbrauch nur minimal; es wurde vor allem die Delle, die die Weltwirtschaftskrise verursachte, wettgemacht. In einigen OECD-Ländern sinkt der Ölverbrauch sogar [2], was den stark steigenden Verbrauch der Schwellenländer relativierte. Die Ursachen dafür sind vielfältig und unterschiedlich; auf alle Fälle führte der relativ hohe Ölpreis dazu, dass Sparpotentiale realisiert wurden. Wenn dennoch auch nach Beginn der Krise unter immer größeren Risiken und bei massiv angestiegenen Kosten neue Ölfelder erschlossen werden, dann unterstreicht dies die grundsätzliche Knappheit der Ölvorräte und die Nähe von Peak oil.
Grundsätzlich wächst der Rohstoffverbrauch in anderen Bereichen beschleunigt. Die Förderung von Eisenerz wurde in den letzten zehn Jahren um 180 Prozent gesteigert, diejenige von Kobalt und Lithium um 165 Prozent und 125 Prozent und diejenige von Kohle immerhin noch um 44 Prozent. Seltene Erden waren 1970 selbst für Fachleute kaum ein Begriff; weltweit lag die Nachfrage bei nur 20000 Tonnen. 1990 wurden dann bereits 60000 Tonnen und 2011 135000 Tonnen gefördert. Inzwischen sind Seltene Erden ein Politikum – auch aufgrund des Zickzacks bei der Preisentwicklung (Preisverfall bis 2008 und massiv ansteigende Preise seither), aufgrund des derzeit noch existierenden Quasimonopols Chinas und wegen des erwarteten massiv steigenden Bedarfs. Die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) sieht im gegebenen „geopolitisch unsicheren Umfeld (…) den Werkplatz Schweiz als besonders verwundbar“ und ruft – wie Industrievertreter in anderen westlichen Ländern nach staatlicher Hilfe. [3]
Um welche Dimensionen des Mehrbedarfs es geht, macht das folgende Beispiel deutlich: Nach Angaben des deutschen Industriellenverbandes BDI benötigen deutsche Firmen bereits im Jahr 2030 mit 40000 Tonnen Neodym von diesem Seltenerdoxid sieben Mal mehr als heute. Das wäre dann allerdings doppelt so viel wie derzeit weltweit pro Jahr an Neodym überhaupt gefördert wird. Es ist nicht vorstellbar, wie – verallgemeinert für die hochindustrialisierten Länder und die Schwellenländer – die geforderten Mengen bereit gestellt werden könnten. Zumal das, was für Neodym gilt, allgemein auf die zukünftige Rohstoffförderung zutrifft. Die UN-Entwicklungsorganisation UNEP geht davon aus, dass es bis 2050 zu einer Verdreifachung der jährlichen Rohstoffförderung kommt – was jedoch schlicht physisch nicht darstellbar ist – oder nur um den Preis unvorstellbarer Zerstörungen.
Ursachen des neuen Rohstoffhungers
Es gibt klassische Gründe für die massive Steigerung der Rohstoffnachfrage. Zu nennen sind die hohen Wachstumsraten in den Schwellenländern, in denen das in Nordamerika und Westeuropa vorherrschende Produktions- und Konsummodell mit Sieben-Meilen-Stiefeln verwirklicht wird. Entsprechend vergrößert sich vor allem die Nachfrage nach klassischen Rohstoffen. Sodann gibt es seit einigen Jahren neue Techniken zur Förderung klassischer und neuer Rohstoffe, was bei einigen zu einem Preisverfall führte und die Nachfrage beflügelte. Deutlicher lässt sich im übrigen kaum demonstrieren, dass „der Markt“ nichts richtet bzw. die Fehlorientierung auf Raubbau fördert.
Vor allem aber speist sich der Rohstoffhunger aus einem geänderten Konsummodell und Lebensstil und nicht zuletzt aus dem, was als „green economy“ bezeichnet wird. iPads und iPhones sind in – doch die touch screen-Bildflächen funktionieren nur bei Einsatz des Elements Indium, dessen Vorkommen laut einer Studie der amerikanischen Universität Yale bereits 2020 erschöpft sein könnten. Glasfaserkabel machen die Kommunikationswege schneller und ermöglichen immer größere Mengen transportierter Daten. Sie benötigen jedoch erhebliche Mengen an Germanium, ein Element, das die EU-Kommission als ein besonders kritisch-seltenes Metall bezeichnet. Lithium-Ionen-Batterien (die sich im Gegensatz zu Nickel-Cadmium-Akkus kaum selbst entladen) sind in Handys und Laptops bereits Standard. Sie finden sich bereits in Millionen schicken Akkuschraubern und trendigen Hybrid-Pkw. Doch das hierfür erforderliche – ebenfalls knappe – Kobalt wird überwiegend im Kongo und zu einem großen Teil von Kindern unter krass menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut.
Energie durch Einsatz von Solarzellen gilt zu Recht als zukunftweisend. Doch die hierbei eingesetzten Stoffe Indium, Gallium, Tellur und Selen sind knapp und zunehmend teuer. In einem herkömmlichen Auto stecken rund 20 Kilogramm Nickel; ein Elektroauto bringt es, einschließlich der Batterie, auf einen fünf Mal größeren Nickel-Bedarf. In dem Toyota-Modell Prius, das für grüne Mobilität steht, stecken 1 kg Neodym und 15 kg Lanthan – es handelt sich um das Produkt mit der größten Lanthan-Konzentration. In Los Angeles rollten jüngst anlässlich der Grammy-Verleihung ein paar Dutzend ökologisch korrekte Prominente in Toyota-Prius-Modellen vor (es wurden allerdings mehr Tesla-Roadster gesichtet, jener Elektro-Sportwagen mit 288 PS, der in 3,7 Sekunden Tempo 100 schafft und den es für 109000 US-Dollar in der Basisversion zu kaufen gibt). Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass alle 26 Millionen Pkw der Stadt Los Angeles als Hybrid-Pkw unterwegs wären – dafür gibt es weltweit schlicht nicht ausreichend Lanthan-Vorkommen. Auch das ist übrigens ein Stück Lifestyle: Los Angeles bringt es auf 1,8 Pkw je Haushalt; es kommen rund 900 Pkw auf 1000 Einwohner.
Einsatz knapper Metalle und Rohstoffe bzw. Seltener Erden
Die EU-Kommission definierte 14 knappe Metalle und Mineralien, die für die europäische Ökonomie besondere Bedeutung haben und schwer zu beschaffen sind. Es handelt sich um die folgenden Elemente: Antimon, Beryllium, Kobalt, Flussspat, Gallium, Graphit, Germanium, Indium, Magnesium, Niob, Platin, Tantal, Wolfram und Seltene Erden. Letztgenannte Seltene Erden haben die folgenden Elemente: Scandium, Yttrium und Lanthan und die 14 auf Lanthan folgenden Elemente, die Lanthanoide: Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium, Lutetium. 2010 wurden rund 136100 Tonnen Seltenerdoxide nachgefragt (verkauft). Diese entfielen auf die folgenden Anwendungsbereiche:
- Magnete
35000 t oder 25,7 Prozent der gesamten Nachfrage
In den Magneten sind die Elemente enthalten: Neodym, Praseodym, Dysprosium, Gadolinium, Terbium und Samarium. Es handelt sich um Magnete in Motoren für Hybridantriebe, Festplattenlaufwerke, Kernspintomografen, Windkraftturbinen, Mikrofone, Laufsprecher und magnetische Kühlungen.
- Industrielle Katalysatoren
21300 t oder 15,7 Prozent der gesamten Nachfrage. Enthalten sind hier Lanthan und Cer.
Eingesetzt bei der Aufspaltung von Rohöl in Benzin, Diesel und Kerosin, bei industriellen Abgasfiltern.
- Polituren
19100 t oder 14 Prozent der gesamten Nachfrage. Enthalten sind Cer, Lanthan und Praseodym.
Für Glasoberflächen wie Spiegel, Fernsehbildschirme.
- Batterielegierungen
18600 t oder 13,7 Prozent der Weltnachfrage. Enthalten sind die Elemente Cer, Lanthan, Neodym, Praseodym und Samarium
Für wiederaufladbare Batterien in Hybridfahrzeugen, Elektro-Pkw, Mobiltelefone, Brennstoffzellen.
- Metallurgie
11700 t oder 8,6 Prozent der gesamten Nachfrage. Enthalten sind die Elemente Cer, Lanthan, Neodym und Praseodym
Eingesetzt als Beimischung zu Legierungen für hohe Beständigkeit, als Zusätze für höhere Festigkeit von Eisen und Stahl, für Zündsteine
- Autokatalysatoren
9000 t oder 6,6 Prozent der gesamten Nachfrage. Enthalten sind die Elemente Cer, Lanthan, Neodym, Praseodym
Eingesetzt in Katalysatoren herkömmlicher Pkw und in Rußpartikel-Filter
- Leuchtmittel
9000 t oder 5,8 Prozent der gesamten Nachfrage nach Seltenen Erden. Enthalten sind die Elemente Yttrium, Cer, Lanthan, Europium, Terbium und Gadolinium.
Eingesetzt bei Kathodenstrahl- und Plasmabildschirmen, in Radarmonitoren, LCD´s und LED´s, Energiespar- und Fluoreszenzlampen, Glasfasern und Laser
- Gläser
7800 t oder 5,7 Prozent der Nachfrage. Enthalten sind Cer, Lanthan, Neodym und Praseodym.
Eingesetzt zur Ein- und Entfärbung von Glas, UV-Absorbierung, in Kameras, Optoelektronik, Antireflexionsbeschichtungen, Röntgen
- Sonstige Anwendungsbereiche
5700 t und 4,2 Prozent der Nachfrage. Elemente: Cer, Lanthan, Yttrium, Neodym, Praseodym, Samarium und Gadolinium.
Bereiche Atomenergie, Rüstung (Waffentechnik), Farben, Dünger, Hochtemperatursupraleiter, AbwasserreinigungQuellen: Deutsche Rohstoff AG, Institut der deutschen Wirtschaft, Financial Times Deutschland.
Seltene Metalle und Seltenerdoxide…
… in herkömmlichen Pkw nach Fahrzeugbauteilen:
- Katalysator: Cer, Zirconium
- Scheinwerfer: Neodym; Gallium
- Sensoren: Yttrium
- Magnete: Neodym, Kobalt, Dysprosium
- Bremsen: Antimon
- Diesel-Zusätze: Cer
- Windschutzscheibe: Cer
- LCD-Bildschirm (z.B. Navigator): Europium, Yttrium, Cer
- Karosserie und Elektronik: Stahl, Aluminium, Kupfer, Zink, Graphit, Indium, Magnesium, Niob, Tantal, Wolfram, Lanthan, Cer
… in Elektro-Auto bzw. Hybrid-Fahrzeug (meist zusätzlich zu den Rohstoffen, die beim herkömmlichen Pkw anfallen):
- Hybridmotor: Neodym, Praseodym, Dysprosium, Terbium
- Hybrid- Batterie: Lanthan, Cer.
Andere Anwendungsbereiche für seltene Metalle, Seltenerdoxide und andere seltene Rohstoffe:
- Solarzellen: Gallium (Gallium-Arsenid), Indium, Tellur, Selen. (Das hier häufig erwähnte Silizium soll nicht knapp sein)
- iPad – touchscreen-Bildschirme: Indium (sehr knappe Vorräte) // Glasfaserkabel: Germanium (EU-Kommission: ein „besonders kritisches seltenes Metall“)
- Brennstoffzellen: Platin
- Lithium-Ionen-Batterien (u.a. in Handys und Laptops; sollen auch E-Autos antreiben): Kobalt // Hauptplatinen (motherboard; zentrale Steckplatte im Computer): Niob
- Röntgengeräte: Thulium
Der Staats soll´s richten
Knappheit und hohe Preise führen dazu, dass die private Wirtschaft jede Ideologie beiseite legt und nach dem Staat ruft. Die bereits zitierte Schweizer Metallindustrie MEM fordert „eine Rohstoffstrategie, welche in die Außenwirtschaftspolitik des Bundes eingebettet ist.“ Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel jammerte zwar jüngst: „Wo auch immer wir hinkommen auf der Welt, oft waren die Politiker anderer Länder schon da, die sich Rohstoffe auf Jahre hinaus gesichert haben.“ [4] Doch im Nachbarland wurde schon im Oktober 2010 die Deutsche Rohstoff Agentur (Dera) mit Sitz in Hannover gegründet. Diese soll weltweit die Rohstoffjagd koordinieren. So sicherte sich Deutschland bei der Internationalen Meeresbehörde in Jamaika bereits eine 75000 Quadratkilometer große Fläche (doppelt so groß wie die Schweiz) auf dem Meeresboden zwischen Hawaii und Mexiko – um zukünftig Rohstoffe auf dem Meeresboden auszubeuten (u.a. Kupfer, Nickel und Kobalt). Am 30. März 2012 sprach in Berlin ein gewisser Tsachiagiin Elbegdorj vor Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen. Die Rede des Präsidenten der Mongolei wurde mit wohlwollendem Beifall bedacht – es gab nicht einmal Andeutungen zum Thema Menschenrechte, deren ständige Verletzung in der Mongolei durch amnesty international dokumentiert wird. Warum das so ist, konnte man in einer großen deutschen Tageszeitung unzweideutig aus den folgenden Zeilen herauslesen: „Die Mongolei ist heute die Rohstoffschatztruhe der Welt: mehr als 125 Milliarden Tonnen Kohle, Millionen Tonnen Kupfer und Erze. Dazu jede Menge Seltene Erden, jene 17 Metalle, die für die Herstellung von Handys und Computern nötig sind.“ [5]
Schon mal was von der Jogmec gehört? Ausgeschrieben liest sich dies als Japan Oil, Gas and Metals Corporation. Es handelt sich um eine staatliche japanische Organisation mit dem unglaublich fetten Jahresbudget von 16 Milliarden Euro und einem Top-Mann mit Namen Hirobumi Kawano, unter Fachleuten als „Rohstoffjäger“ bekannt. Während die EU bescheiden 14 knappe Metalle und Mineralien definierte, die für die europäische Wirtschaft „von strategischer Bedeutung und schwer zu beschaffen“ seien, identifizierte Jogmec gleich „31 Metalle, die es für die heimische Industrie zu sichern gilt“. Staat und private Konzerne arbeiten da Hand in Hand: 2010 eröffneten Jogmec und Toyota in Argentinien gemeinsam eine riesige Lithium-Mine. Erneut ist hierbei das Toyota-Modell Prius der Treiber.
Erste und Dritte Welt
Die neue Jagd nach alten und neuen Rohstoffen erinnert hinsichtlich der Arbeitsbedingungen bei der Rohstoffförderung stark an den Manchesterkapitalismus Mitte des 19. Jahrhunderts und an den frühen Imperialismus Ende des 19. Jahrhunderts hinsichtlich derjenigen Länder, in deren Böden sich die Rohstoffe befinden und aus denen sie herausgeholt werden bzw. derjenigen Länder, die sich diese Rohstoffe aneignen. Wobei in China alles zusammenkommt: Manchesterkapitalistische Arbeitsverhältnisse in illegalen und legalen Minen zum Abbau Seltener Erden (so in Südchina in Guotian oder in Nordchina in Bayan Obo, der weltweit größten Mine für Seltene Erden), eine imperialistische Rohstoffpolitik gegenüber den anderen Rohstoffjäger-Staaten und die Konzentration eines großen Teils der Rohstoffausbeutung für die eigene Wirtschaft und den Boom in China: Bei den Seltenen Erden kontrolliert China derzeit noch 97 Prozent der weltweiten Förderung und setzt 50 Prozent der Förderung für die eigene Wirtschaft ein.
Der Run auf alte und neue Rohstoffe ist mit der Vergiftung von Gewässern, der Abholzung von Regenwäldern, der Vertreibung Hunderttausender Menschen, der Zerstörung von unschätzbaren natürlichen Reservaten und in einigen Fällen – so in Südamerika – von ausgewiesenen Nationalparks, mit Tausenden tödlichen Unfällen im Jahr, mit schwersten gesundheitlichen Schäden für Hunderttausende Menschen und nicht zuletzt mit der Hinterlassenschaft trostloser Mondlandschaften verbunden. Bei der Gewinnung von Seltenen Erden werden erhebliche Umweltrisiken in Kauf genommen. Die Stoffe kommen oft in Verbindung mit anderen Metallen vor, die radioaktiv sind. Bei den Trennverfahren werden giftige Chemikalien eingesetzt. Die enormen Gewinnspannen bei Seltenen Erden und anderen raren Rohstoffen werden oft mit denen im Rauschgiftgeschäft verglichen – auch wegen der explosiven Mischung von Profit und Kriminalität. Alle Rohstoffkonzerne – seien es die britisch-australischen Unternehmen BHP Biliton und Rio Tinto, sei es die britisch-südafrikanische Gesellschaft Anglo American, die brasilianische Vale oder auch Glencore und Xstrata in der Schweiz – haben einen denkbar schlechten Ruf. Sie werden ohne Ausnahme mit Umweltzerstörungen, mit krasser Arbeitsausbeutung und Kinderarbeit und vielfach auch mit schweren Verbrechen und sogar mit Rohstoffkriegen in Verbindung gebracht.
Charakteristisch ist das Beispiel der Seltene Erden-Raffinerie, die der australische Rohstoffkonzern Lynas derzeit in Gebeng, nahe der malaysischen Stadt Kuantan, bauen lässt. In einem riesigen Komplex mit fünf gigantischen Gebäuden soll in Bälde ein Drittel des Weltbedarfs der Seltenen Erden produziert werden; die Jahreseinnahmen sollen dann bei 1,8 Milliarden US-Dollar liegen. Die malaysische Regierung sagte Lynas eine 12-jährige Befreiung von jeglicher Besteuerung zu. Seltene Erden gibt es in der Gegend allerdings nicht – die Rohmaterialien werden vielmehr im australischen Busch gefördert, dann per Eisenbahn, Lkw und Schiff 4000 km nach Malaysia transportiert. Und warum der Aufwand? Die niedrigen Lohnkosten in Malaysia spielen eine gewisse Rolle. Doch es geht vor allem um die fehlenden Umweltstandards, welche dieses Produktionsmodell so attraktiv macht: Es geht um die riesigen Mengen radioaktiven Abfalls und um die Freisetzung von Radioaktivität, die bei der Produktion entstehen (die Seltenen Erden sind zu einem großen Teil in radioaktivem Thorium eingelagert). Für die Lynas-Fabrik gibt es keine Pläne zur Beseitigung des radioaktiven Abfalls; auf dem Raffineriegelände sind nur große Wasserbecken vorgesehen, in denen Fässer mit den Resten der nicht verwertbaren Materialien „zwischengelagert“ werden sollen. Im Februar 2012 demonstrierten 15000 Menschen vor den Toren der Raffinerie; es war die größte Umweltdemonstration in der Landesgeschichte.
1992 gab es im malaysischen Ort Bukit Merah ein vergleichbares Projekt. Der japanische Rohstoffkonzern Mitsubishi Chemicals ließ dort Schlacke alter Zinnminen verarbeiten, um daraus Seltene Erden zu gewinnen. Es kam in der Region zu einer drastischen Zunahme von Leukämiefällen. Nach massiven Protesten sah sich Mitsubishi Chemicals gezwungen, die Anlage zu schließen. Als Schweigegeld setzte der japanische Konzern ein paar hunderttausend Dollar ein und ließ einige Kindergärten und Schulen bauen…
Der Autor lebt im schweizerischen Solothurn und arbeitet für eine Schweizer Nichtregierungsorganisation zum Thema Rohstoffe und Dritte Welt.
[1] Daniel Yergin, Der Preis – Die Jagd nach Öl, Geld und Macht, Frankfurt/M. 1991, S. 970.
[2] Der Totalverbrauch von Erdöl betrug in der Schweiz in den letzten Jahren zwischen 11 bis 12 Mio t, nachdem er Anfang der 90er Jahre noch bei über 13 Mio t lag.
[3] Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor Wirtschaftspolitik Swissmen, in: Die Volkswirtschaft (Zürich), 11/2010.
[4] Zitiert im deutschen Handelsblatt vom 4. Mai 2012.
[5] Süddeutsche Zeitung vom 2. April 2012.