Euro-Debatte – eine Zwischenbilanz

Winfried Wolf. Lunapark21 – Heft 22

Drei Dinge zur Klarstellung:
1. Alle vier Diskutanten sind sich einig: Die Währungsfrage ist nicht die zentrale Frage für eine Linke in Europa.
2. Wir bekämpfen gemeinsam die konkrete Politik unter dem Euro-Troika-Regime.
3. Wir treten gemeinsam für Demokratie und soziale Rechte ein, wir fördern entsprechende Kämpfe und sind leidenschaftliche Verfechter eines „egalitarian Europe“.

Nun gibt es jedoch eine Debatte um den Euro. Es macht Sinn, wenn die Linke sich damit beschäftigt – und dieses Thema nicht der Rechten überlässt. Auch das globalisierungskritische Bündnis Attac tut dies, wobei hier in jüngerer Zeit die Euro-kritischen Positionen an Boden gewannen.

Euro als solcher? Euro in den Peripherie-Ländern! Bereits bei Flassbeck/Lapavitsas und auch in meinem Beitrag geht es um die Frage, ob in den Peripherieländern des Euroraums ein Ausstieg aus der Euroraum-Einheitswährung vorgeschlagen werden soll (Europäische Einheitswährung? 150 Millionen Menschen leben in zehn EU-Ländern mit nationalen Währungen!). Inwieweit der Euro generell zur Disposition und damit ein Zurück zur DM auf die Tagesordnung gesetzt wird, ist für linke Politik aktuell eher unwichtig. Wir sind dort gefragt, wo es um die Solidarität mit den Schwachen geht, wo das Währungskorsett Euro maßgeblich dazu dient, die Wirtschaft zu strangulieren, den Sozialstaat zu schleifen und die Demokratie zu entsorgen. Das ist in den Euro-Peripherieländern der Fall. Dort herrscht bereits das halbkoloniale Regime der Troika, wo sogar Einzelmaßnahmen durch dieselbe exekutiert werden. Siehe die Laiki-Bank in Nikosia und die ERT-Rundfunkanstalt in Athen. Ein vergleichbares Vorgehen ist im Fall der EU-Peripherieländer Tschechien und Polen (deren Wirtschaft nicht entwickelter ist als es diejenige in Spanien vor der Krise war) bisher vor allem deshalb nicht vorstellbar, weil diese Länder keinen Euro haben und weil damit die Troika nicht ohne weiteres einmarschieren kann.

Vervollständigen der Währungsunion: Die Position, jetzt müsse die politische Union komplettiert werden, klammert aus, dass alle derzeit erkennbaren Wege in diese Richtung die Entdemokratisierung vorantreiben und auf einen autoritären EU-Staat mit US-Souffleur hinauslaufen. Die naheliegende, elementare Forderung, die EU-Kommission und die EZB müssten einer demokratischen Kontrolle unterliegen, wird gar nicht mehr ernsthaft debattiert. Wohl aber geht es mancherorts in die entgegengesetzte Richtung: In Katalonien und Schottland sind es auch linke Kräfte, die raus aus dem Nationalstaat wollen.

Böse DM-Zeit: Der These, es habe vor der Euro-Einführung eine Art DM-Imperialismus gegeben, will ich nicht widersprechen. Allerdings gibt es jetzt einen Euro-Imperialismus nach deutschem & IWF-Diktat. DM-Pest oder Euro-Cholera. Es gab jedoch im Zeitraum 1956 (EWG-Gründung) bis 1999 (Euro-Bildung) trotz DM-Dominanz die weidlich genutzte Möglichkeit der Abwertungen, was den damaligen Peripherieländern jeweils erhebliche wirtschaftliche Erleichterung verschaffte und wogegen sich die deutsche Seite meist vehement stemmte. Was im übrigen als Nebeneffekt bei Millionen Touris das Kopfrechnen förderte: 1200 Lire = 1 Espresso = 1,80 DM usw.

Apropos Tourismus: Bei dem Argument „dann wird alles teurer“ sollte bedacht werden, dass die meisten Peripherieländer in erheblichem Maß von Tourismus abhängig sind. Diese wichtigen Dienstleistungen werden bei Abwertungen preiswerter. Höhere Tourismus-Einnahmen wirken wie steigende Exporteinnahmen.