Bekommt die Frauenbewegung durch den Women´s March neuen Aufschwung?

Am Tag nach der Amtsübernahme von Donald Trump sind weltweit Millionen von Menschen, Frauen und solidarische Männer auf die Strasse gegangen und haben ihre Stimme gegen die reaktionäre und menschenverachtende Politik erhoben, wie sie die neue US-Administration verkörpert. Mit diesem Erfolg müsse der Marsch weitergehen, er dürfe nicht enden. Die Zeit sei nun gekommen, zusammen mit unseren Freundinnen und Freunden, unseren Familien und Communities Geschichte zu schreiben, so die Organisatorinnen des Women’s March.

Das Ereignis Women’s March vom 21. Januar 2017 war auch Thema am Workshop Feministische Demokratieutopien anlässlich des Kongresses Reclaim Democracy vom 2. bis 4. Februar 2017 in Basel. Geschlechterforscherinnen, Feministinnen und interessierte Teilnehmerinnen teilten übereinstimmend die Meinung, dass der Women’s March zu einem Meilenstein in der Geschichte der Frauenbewegung geworden ist. Zum ersten Mal seien die Frauen nicht nur für ihre eigenen Anliegen aufgetreten und wahrgenommen worden, sondern als Trägerinnen eines breiten gesamtgesellschaftlichen Protests. Es war eine antikapitalistische, antirassistische, ökologische Kundgebung, die mit den Anliegen der Frauen in Verbindung gebracht wurden, was eine neue, ja revolutionäre Befähigung impliziere.

Fazit: Mit dem Women’s March zeichnet sich eine neue Frauenbewegung ab, die sich nicht von anderen sozialen Bewegungen abgrenzt, sondern in ihnen aufgehoben ist. Früher war es oft schwierig, Koalitionen zwischen verschiedenen Interessensgruppen zu bilden. Mit dem Women’s March wurde also ein grosser Schritt getan, gemeinsam die Stimme zu erheben und den Willen für gemeinsames Handeln kund zu tun. Wichtig für uns in Europa ist es, darüber nachzudenken, wie es auch in Zukunft weiter und umfassender gelingen kann, feministische Anliegen so einzubringen, dass Koalitionen entstehen können. Dafür braucht es entschiedenes Bewusstsein. Handeln in Zusammenhängen ist von grosser Relevanz, sei es für Geschlechtergerechtigkeit sowie soziale Gerechtigkeit, bei der Arbeit, beim Engagement für Migrantinnenrechte, in Flüchtlingsfragen, um nur einige zu nennen. Es braucht also Solidarität in der ganzen Bandbreite und der Wille, sich dabei nicht auseinander dividieren zu lassen. Diese neuen Impulse aus den USA finden auch bei uns Anklang. Für uns ist vor allem wichtig zu erkennen, dass die Kritik an Trump auf Realitäten verweise, wie sie auch bei uns herrschen. Ihnen ist entschieden entgegen zu treten

Am Women’s March on Washington sind verschiedene namhafte Referentinnen und Referenten aufgetreten, unter ihnen die Bürgerrechtlerin Angela Davis. Im folgenden ihre Rede.

In diesem schwierigen Moment unserer Geschichte müssen wir uns daran erinnern, dass wir, die Hunderttausenden, die Millionen Frauen, Transmenschen, Männer und Jugendliche, die hier am Women’s March teilnehmen, die die machtvollen Kräfte der Veränderung darstellen, die entschlossen sind, die sterbenden Kulturen des Rassismus und des Hetero-Patriarchats am Wiederaufstieg zu hindern. Wir erkennen, dass wir die kollektiven Subjekte der Geschichte sind und dass Geschichte nicht gelöscht werden kann wie eine Internetseite. Wir wissen, dass wir uns diesen Nachmittag auf indigenem Land versammelt haben und wir folgen dem Beispiel der UreinwohnerInnen Amerikas, die trotz der massiven genozidalen Gewalt nie den Kampf für ihr Land, Wasser, Kultur, für ihr Volk aufgegeben haben. Wir grüssen heute insbesondere die Standing-Rock-Sioux, die seit Monaten gegen eine Ölpipeline auf ihrem Land kämpfen.

Die Freiheitskämpfe der Schwarzen, die die Geschichte dieses Landes bis in den Kern geformt haben, kann nicht mit einer Handbewegung gelöscht werden. Man kann uns nicht vergessen machen, dass schwarzes Leben zählt (black lives matter). Die Verbreitung von Xenophobie und der Bau von Mauern wird die Geschichte nicht ausmerzen. Kein Mensch ist illegal!

Vom Kampf um die Rettung des Planeten, gegen Klimawandel, vom Kampf um den sicheren Zugang zu Wasser auf dem Land der Standing-Rock-Sioux oder in Flint in Michigan, bis hin zum Kampf im Westjordanland und im Gazastreifen, der Kampf, um unsere Flora und Fauna, unsere Luft zu retten – dies ist der Ausgangspunkt für den Kampf für soziale Gerechtigkeit.

Dies ist ein Frauenmarsch (Women’s March) und dieser Frauenmarsch stellt die Macht des Feminismus dar gegen die bösartigen Kräfte der Staatsgewalt. Es ist ein offener und umfassender Feminismus, der alle aufruft, sich dem Widerstand gegen Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und kapitalistische Ausbeutung anzuschliessen.

Ja, wir begrüssen den Kampf für den 15-Dollar-Mindestlohn. Wir schliessen uns dem kollektiven Widerstand an. gegen die PrivatisiereInnen des Gesundheitssystems. Dem Widerstand gegen Attacken auf MuslimInnen und MigrantInnen. Dem Widerstand gegen Staatsgewalt, die von der Polizei und durch den gefängnisindustriellen Komplex vorangetrieben wird. Dem Widerstand gegen die institutionelle und intime Geschlechtergewalt, besonders gegen dunkelhäutige Transfrauen. Frauenrechte sind Menschenrechte auf dem ganzen Planeten. Darum sagen wir: Freiheit und Gerechtigkeit für Palästina. Wir feiern die bevorstehende Befreiung von Chelsea Manning und Oscar López Rivera. Aber wir sagen auch: Freiheit für Leonard Peltier, Freiheit für Mumia Abu-Jamal, Freiheit für Assata Shakur.

Über die nächsten Monate und Jahre sind wir aufgefordert, unsere Forderungen für soziale Gerechtigkeit zu intensivieren, militanter zu werden in der Verteidigung von verletzlichen Gesellschaftsgruppen. Diejenigen, die noch immer die Vorherrschaft des weissen Hetero-Patriarchats verteidigen, sollen sich hüten! Die bevorstehenden 1459 Tage der Trump-Regierung werden 1459 Tage des Widerstandes sein: Widerstand auf der Strasse, im Schulzimmer, auf der Arbeit, Widerstand in unserer Kunst und Musik. Das hier ist erst der Anfang.

 

… die Geschichte kann nicht gelöscht werden wie eine Internetseite … Am 7. Februar 1971 stimmten die männlichen Stimmbürger in der Schweiz für die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen zu. Generationen von Frauen haben dafür lange Jahre unermüdlich gekämpft, nicht zuletzt auch mit einem Marsch durch die Stadt Bern 1928, angeführt von einer überdimensionierten Schnecke, die das Tempo der politischen Mühlen in der Stimmrechtsfrage für Frauen symbolisch darstellte…

 

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