Der Berliner Spreepark zwischen Nostalgie und Neuanfang
Warum eigentlich gerade der Name Lunapark, sind wir im Zuge der Neuauflage des Projekts immer wieder gefragt worden. Winnie Wolf beantwortete das zwei Jahre nach dem ursprünglichen Projektstart einmal so: »LP21 steht nicht nur für Analyse, sondern auch für Utopie und Träume. Das Schaustellergewerbe und der Rummelplatz leben von Träumen – von Kindheitsträumen, von Glücksträumen, vom Vergessen der wenig erhebenden Umwelt und der oft erniedrigenden Lebensverhältnisse.«
Befragt worden war Winnie von Brigitte Aust vom Essener Schaustellermuseum. Der Mailwechsel ist in Auszügen abgedruckt im Heft 8 (Winter 2009/2010), darunter: Das Foto eines verfallenen Vergnügungsparks, im Ostberliner Plänterwald. »1999 in Insolvenz gegangen, soll 2010 renaturiert werden«, heißt es in der Bildbeschreibung. So ist es nicht gekommen.
Ein Blick zurück
Vergnügen brauchte es auch in der DDR. So beschloss es der Ostberliner Magistrat. Der Bezirk protestierte: Nicht genug Parkplätze für die zu erwartenden Besucher:innen-Ströme. Damals schon. Durchsetzen konnte sich der Bezirk nicht, der „Kulturpark Plänterwald“ wurde gebaut und 1969 eröffnet. Die Fahrgeschäfte kaufte man zu, aus dem Westen, mit Devisen. Der Eintritt war niedrig. Die einzelnen Fahrgeschäfte kosteten zusätzlich, doch die Preise waren insgesamt eher symbolisch. Und vom Riesenrad war sogar ein Blick nach Westberlin nicht zu verhindern, vom S-Bahnhof bei der Anreise ebenso wenig.
Der Übergang in die Marktwirtschaft nach der Wiedervereinigung misslang. 1999 meldete der Betreiber der 1993 gegründeten Spreepark GmbH Insolvenz an, 2001 wurde der Betrieb endgültig eingestellt. Es war kein stilles Ende.
Mit dem Betreiber verschwand ein großer Teil der Fahrgeschäfte nach Lateinamerika. Zurück blieb vor allem das Riesenrad, weithin sichtbar und im Lauf der Jahre mit den quietschenden Gondeln im Wind auch weithin zu hören.
Die Natur nahm sich den Park zurück. Vandalismus tat das seine. Es entstand ein verwunschener Ort, ein Paradies für Stadtnatur und Fotomotive. So hätte es bleiben können. Die offizielle Renaturierung scheiterte weniger am Verwertungs- als viel mehr am Verwaltungszwang. 2016 entschied die zuständige Senatsverwaltung, die Grün Berlin GmbH mit der Entwicklung und Ertüchtigung des Geländes zu beauftragen. Seitdem wird an einem neuen Konzept für den Spreepark gearbeitet, Teileröffnungen und Baustellenführungen inklusive. 2026 soll der Park wieder in Betrieb gehen. Statt klassischer Rummel-Attraktionen sollen Kunst und Kultur im Mittelpunkt stehen, mit dem berühmten Riesenrad als einzigem Fahrgeschäft.
Was kostet ein Riesenrad?
2022 wurden die quietschenden Gondeln abgebaut, die Generalüberholung des Großgeräts läuft. 3,5 Millionen Euro sind veranschlagt, zunächst. Im Gesamt-Budget von geschätzten 60 Millionen Euro für die Ertüchtigung des Geländes ist das erst einmal keine große Summe.
Kritik gibt es am Konzept, an den Kosten am Gehalt des Geschäftsführers der Grün Berlin GmbH, das man mit an die 200.000 Euro marktüblich nennen kann. Die GmbH befindet sich zu 100 Prozent im Besitz des Landes Berlin. Der privatwirtschaftliche Betrieb aber macht eine demokratische Kontrolle schwierig. Jedenfalls soll statt Besuchermagnet mit Zaun und Parkplätzen, die im Baumbestand ringsum erst noch geschaffen werden müssen, lieber ein offener Raum entstehen. Die aktuellen gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse jedoch geben eine echte Auseinandersetzung hier nicht her. Und so müssen wir uns für die nächste Zeit wohl mit dem zufrieden geben, was geht: Zur Baustellen-PR gehört der Campus Stadt Natur mit kostenfreien Umweltbildungsprogrammen. Immerhin kann man hier lernen, dass es Klimakrisengewinner bis in den Pilzbestand auf der Baustelle und im umliegenden Stadtwald gibt. Da es sich um eine giftige Sorte Champignons handelt, ist klar: Das ist nichts Positives.
Während wir die Nummer 63 der Lunapark-Zeitschrift zu Ende produzieren, wird am Rande des Spreeparks in Berlin eine Ausstellung zur Geschichte des Geländes eröffnet. Am 10. November, drei Tage nach der Wiederwahl von Trump und dem Ende der Ampel. Verfallenes Vergnügen, lautet der Ausstellungstitel, zu sehen bis in den Februar, Eintritt frei.
Die Redaktion hatte überlegt, diesen Beitrag kurzfristig zu streichen, um Platz für aktuelle Entwicklungen zu machen. Wir mögen nicht vergessen, dass das Heft auch leichte Lektüre braucht, kam die Mahnung aus den eigenen Reihen. Und so hat es der Spreepark doch in die Nummer geschafft. Hier mögen die Messen gesungen sein. Die Zukunft wird zeigen, wie lange der angespannte Berliner Haushalt kostenlose Umweltbildung aufrechterhalten kann. Das Projekt Lunapark21 aber bleibt bei der Anspielung auf die historischen Rummelplätze, die neben Orten für Phantasie und Leichtigkeit immer auch eine kritische Gegenwelt zur Alltagsökonomie waren.