Gentechnik-Alarm

Wo was auftaucht, das da laut Monsanto nie und nimmer auftauchen kann
Urs-Bonifaz Kohler. Lunapark21 – Heft 22

Zwei Ereignisse haben in jüngerer Zeit das Thema Gentechnik neu auf die Tagesordnung gesetzt: Da wurde in den USA Gen-Weizen entdeckt, den es nach Ansicht des US-Landwirtschaftsministeriums und des Herstellers, des führenden Gentechnik-Konzerns Monsanto, nie und nimmer geben dürfte. Und da wurde in Europa im Urin von Testpersonen das Pflanzengift Glyphosat gefunden, das nach Aussagen der Agrarkonzerne, darunter Monsanto, niemals dorthin hätte gelangen dürfen.

Den erstgenannten Fund gab es im Mai 2013. Ein Landwirt entdeckte im US-Bundesstaat Oregan eine genmanipulierte Weizensorte. Wissenschaftler untersuchten die Proben gleich dreifach und kamen immer zum gleichen, äußerst beunruhigenden Ergebnis: Es handelt sich um eine nicht zugelassene, verbotene, genmanipulierte Weizensorte. Der US-Saatgutkonzern Monsanto hatte diese Weizensorte im Zeitraum 1998 bis 2004 entwickelt und auf mehreren Feldern in den USA getestet. Er bekam für das Produkt jedoch keine Zulassung; das Risiko erschien selbst den US-Behörden, die bei genmanipuliertem Soja und Gen-Reis großzügig sind, zu groß. Darauf wurden die Samen verbrannt und alle Böden, auf denen es eine solche Aussaat gab, auf letzte Spuren untersucht – alles unter Aufsicht des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums. Das Feld, auf dem nun knapp ein Jahrzehnt später just dieser genmanipulierte Weizen gefunden wurde, liegt weit entfernt von den Testgebieten. Niemand kann erklären, wie GenTech-Weizen auf diesen Acker gelangte. Oder sollte Monsanto außerhalb staatlicher Kontrolle seine Versuche mit genmanipulierten Pflanzen weiter vorantreiben? Das Thema löste andernorts Alarm aus: Japan und Südkorea beschlossen, vom Kauf US-amerikanischen Weizens zumindest vorerst Abstand nahmen. Die EU hingegen will bei ihren Weizenimporten aus den USA nur „stärker als bisher kontrollieren“.

Der genmanipulierte Weizen wurde von dem betreffenden Farmer eher zufällig entdeckt. Dem Landwirt war aufgefallen, dass ein Teil des Weizens, den er mit dem Herbizid Roundup Ready – auch ein Monsanto-Produkt – gespritzt hatte, nicht mehr auf das Gift reagierte. Es stellte sich heraus, dass die überlebenden Pflanzen gegen das Gift Glyphosat, Bestandteil von Roundup Ready, resistent waren – ein Ergebnis der Genmanipulation.

Womit wir bei dem zweiten Vorkommnis sind. Der deutsche Umweltschutzverband BUND und seine europäische Dachorganisation Friends oft the Earth veröffentlichten Mitte Juni eine neue Studie. Untersucht wurde der Urin von 182 Probanden in höchst unterschiedlichen Metropolen und Städten Europas. Ergebnis: Bei 45 Prozent dieser Personen konnte der Unkrautkiller Glyphosat im Urin nachgewiesen werden. Bei den deutschen Probanden, allesamt Stadtbewohner, lag der Anteil sogar bei 70 Prozent. Genau das war jedoch von den Herstellern des Herbizids ausgeschlossen worden. Das Totalherbizid Roundup, das vor der Ernte verspritzt wird (unter anderem, um den Feuchtigkeitsgehalt des Getreides zu senken, störenden Aufwuchs zu beseitigen und die Mähdrescher schneller durchfahren zu lassen), sollte keine Chance haben, in den menschlichen Organismus zu gelangen. Hatte es jedoch.

Die Umweltorganisation BUND und Friends oft the Earth fordern wissenschaftliche Studien darüber, wie Glyphosphat in den menschlichen Organismus gelangt. Und vor allem eine genaue Studie über die gesundheitlichen Folgen, die damit verbunden sind.

In den großen Anbaugebieten mit genmanipuliertem Mais in Argentinien und in Paraguay zeigte sich, dass Frauen, die in einem Radius von einem Kilometer um „Intensiväcker“ leben, mit doppelt so großer Wahrscheinlichkeit ein fehlgebildetes Kind zur Welt bringen. Eine andere Untersuchung belegt, dass sich in Gegenden, in denen Roundup behandeltes Soja angebaut wird, die Krebsrate bei Menschen binnen zehn Jahren vervierfacht hat,

Urs-Bonifaz Kohler lebt in Solothurn und arbeitet für eine Schweizer Nichtregierungsorganisation zum Thema Rohstoffe und Dritte Welt.


Monsanto & Co in der EU

In der EU muss die Industrie gentechnisch veränderte Nahrungsmittel entsprechend kennzeichnen. Da die Verbraucher äußert kritisch gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln sind, ist in der EU der Marktanteil von Gen-Produkten bei menschlicher Nahrung noch gering. Anders sieht es bei Tierfutter aus. Rund zwei Drittel der Rohproteine des Tierfutters in der EU stammen aus Nord- und Südamerika. 80 Prozent derselben sind bereits gentechnisch verändert – so eine Schätzung des Deutschen Verbandes Tiernahrung. Über das Tierfutter gelangen Gen-Pflanzen in das Fleisch und damit auch in die menschliche Nahrung.

Derzeit geht es auf EU-Ebene um die Erlaubnis für den Import von gentechnisch verändertem Mais mit der Bezeichnung SmartStax. Hersteller sind die Konzerne Monsanto und Dow AgroSciences. Einen Antrag auf den Import dieses stark gentechnisch veränderten Mais hatte Monsanto bereits 2008 gestellt. Im Juni 2013 gab es unter den EU-Mitgliedstaaten ein Patt bei der Abstimmung über die Importerlaubnis. In der Regel heißt das, dass die EU-Kommission in Bälde positiv – für eine Import-Erlaubnis – entscheidet.
SmartStax-Mais ist gleich gegen zwei Unkrautvernichtungsmittel resistent und produziert Gifte gegen sechs Schädlinge. Dieser Mais-Art pflanzte man acht fremde Gene ein. Nach Ansicht von Gentechnik-Kritikern sind im Fall von SmartStax-Mais die Risiken für Mensch und Umwelt völlig unzureichend untersucht. Christoph Then, Geschäftsführer des Gentech-kritischen Vereins Testbiotech verweist auf fatale Rückwirkungen: „Diese Importzulassungen führen dazu, dass beispielsweise in Brasilien immer mehr gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden.“ (Taz 12. 6.2013)


Monsanto: Profit mit Gift

Monsanto ist berüchtigt für die Herstellung von Stoffen mit hohem toxischen Gehalt. Das Unternehmen stellte im Zeitraum 1944 bis 1962 DDT her (heute in den meisten Ländern verboten). Von 1940 bis 1977 war Monsanto maßgeblicher Hersteller von PCB (Polychlorierte Biphenole; heute weitgehend verboten). 1965 bis 1970, während des Vietnamkriegs, lieferte Monsanto das mit Dioxinen kontaminierte Herbizid „Agent Orange“ an die US-Armee für den großangelegten Einsatz im Vietnam-Krieg. Offiziell wurde es als Entlaubungsmittel versprüht, um feindliche FNL-(Vietcong-)Kämpfer aufzuspüren und Nachschubwege des militärischen Gegners offen zu legen. Die Agent-Orange-Sprühaktionen hatten vor allem bei der zivilen Bevölkerung erhebliche, irreversible gesundheitliche Schädigungen zur Folge. Noch im Jahr 2002 – ein Vierteljahrhundert nach Beendigung des Vietnam-Krieges – lebten in Vietnam laut Angaben des Internationalen Roten Kreuzes eine Million Menschen mit Agent-Orange-Schäden, darunter mehr als 100000 Kinder mit angeborenen Fehlbildungen. Während Agent-Orange-Opfer in der US-Armee entschädigt wurden, wurden bisher keine vietnamesischen Opfer entschädigt. Eine entsprechende Sammelklage wurde 2005 in den USA abgewiesen.
Agent Orange wurde von den US-Konzernen Dow Chemical und Montanto hergestellt. Die deutsche Firma Boehringer Ingelheim lieferte ein Vorprodukt. Der spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker war 1962 bis 1967 Mitglied in der Boehringer Geschäftsführung.
Im April 2013 meldete Monsanto ein neues Rekordergebnis für das 1. Halbjahr des Geschäftsjahres 2012/2013. Der Umsatz lag bei 8,4 Milliarden US-Dollar; die Nettorendite bei 21,7 Prozent (1,8 Mrd. US-Dollar). Wichtigster Bestandteil am Umsatz ist der Bereich „Saatgut“ (= 6,1 Mrd. US-Dollar); der Rest (2,3 Mrd. Dollar) entfällt auf „Pflanzenschutz“. Der Jahresumsatz dürfte sich 2012/2013 auf 16 Milliarden US-Dollar belaufen; 2010/2011 waren es noch 11,8 Mrd. US-Dollar. (Angaben nach: Börsenzeitung vom 4. April 2013).

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