Schotter-Gärten sind der Versuch, eine selbständige Natur unter Steinen zu erdrücken. Wenn schon der wöchentlich gemähte Rasen zeigen will, dass der Besitzer es nicht nötig hat, eine Fläche landwirtschaftlich zu nutzen, so steigert ein Schottergarten die Abwehr des Gedeihens zu einer Todeszone, in der Pflanzen austauschbare Dekoration sind, die sich fügen sollen.
Schotter-Gärten benötigen viel Aufwand an Arbeit und Geld. Der Garten soll ein immer gleiches Bild bieten. Wenn die Pflanzen zwischen den Steinen diesem Anspruch nicht länger genügen und sogar wachsen, blühen und vergehen, dann werden sie ausgewechselt. Schotter-Gärten sind die Fototapete für draußen.
Schotter-Gärten wollen die Natur stillstellen. Doch gerade in dem Bemühen, keinen Wandel zuzulassen, zeigen sie sich der Natur nicht gewachsen. Kunststoffrasen, Blechblumen und Bambi-Figuren aus Plastik wären die ehrlichere Variante.
Plätschernde Wasser, sich wiegende Zweige, duftende Blüten und Schatten spendende Bäume – eine Paradiesvorstellung. Der Schotter-Verwender stattdessen will Stein, Starrheit und Stille, ein Ideal, wie es sich nur in dieser Wüstenei findet.
Schotter-Gärten sind die Vorwegnahme der Klimakatastrophe mit häuslichen Mitteln. Eine steinerne Landschaft zu schaffen, in der nur wenige Pflanzen und noch weniger Lebewesen eine Chance haben, zu überleben. Die Steine speichern die Wärme, der Boden unter dem Plastik wird trocken gehalten und kein Pflänzchen wagt sich hervor, um anderen Lebewesen Schatten, Schutz, Feuchtigkeit und Nahrung zu spenden. Nur Laubbläser und Kärcher beleben diese Totenstätte gelegentlich.
Solche Sünden straft die Natur mit der Notwendigkeit immerwährender Anstrengung, die makellose Präsentanz zu erhalten. Gesteinigte Gärten in unseren Breiten beweisen ihre hartnäckige Vitalität dadurch, dass zwischen den Materialien sehr unterschiedliche Temperaturen und Feuchtigkeitsgrade herrschen und verschiedensten Samen die Chance bieten, zu keimen und zu wachsen. Das durch Steine vielfältig strukturierte Milieu muss also noch lebensfeindlicher gemacht und eine Plastikplane untergezogen werden, die das Wurzeln und Gedeihen der Keimlinge verhindert. Es kostet Mühe, die Reste des Lebens wegzumachen.
Dem ökonomischen Kalkül der Gartenbauer kommt dieser Beherrschungswahn entgegen. Gartenbauer werden gemäß dem gehabten Aufwand bezahlt und folglich lassen sie aufwändig den Garten zupflastern, die Rasenkante betonieren, Steine durch Diamantscheibe in jede denkbare Form schneiden und Technovlies unter der keimfrei gemachten Schotterfläche verlegen. Eine Bepflanzung käme zu billig. Was mit technischen Mitteln teuer erreicht werden soll, ließe sich mit Stauden einfacher besorgen.
Schotter-Gärten verraten eine Angst, es könne sich etwas selbsttätig ändern, es ließe sich nicht alles in den Griff bekommen, die Welt richte sich nicht nach dem Willen des Gartenbesitzers. Sie sind Ausdruck der Verleugnung des Entstehens, Wachsens und Vergehens und Zeugnis eines schlechten Geschmacks. Sie beweisen, dass ihre Initiatoren sich nicht in der Welt zurechtfinden und kindlichen Allmachtsphantasien anhängen.
Um ein Wort von Karl Lagerfeld zu variieren: Wer Schottergärten anlegt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.
Rund zwei Prozent der Bodenfläche in Deutschland sind Grünflächen. Als solche gelten begrünte Flächen, die nicht der Land- oder Forstwirtschaft dienen, aber auch Spiel- und Sportplätze. Wie diese Flächen bewachsen sind, welche Pflanzen und Tiere dort leben können, wie viel Regenwasser sie aufnehmen und ob sie zur Kühlung oder Erwärmung besonders in den Städten beitragen, hat erheblichen Einfluss auf das Klima des ganzen Landes.