Raus aus der Kohle – rein ins Subtropen-Buschholz?

Die BRD will aus der energetischen Kohlenutzung aussteigen – bis 2038, also viel zu spät. Nun ist zu klären, wie die Strom- und die Wärmegewinnung aus Kohle auf regenerative Quellen umgestellt werden kann.

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), das bundeseigene Unternehmen für die sogenannte Entwicklungszusammenarbeit, hat einen Weg entdeckt, wie vermeintlich deutsche Steinkohlekraftwerke auf einen regenerativen Energieträger umgestellt werden können. Die GIZ will große Mengen an Holz aus Namibia und angrenzenden Ländern importieren lassen. Dafür soll sogenanntes Buschholz genutzt werden, das in großen Mengen in Namibias Savannen wächst. Was dort stattfindet, heißt Verbuschung und bezeichnet eine Ausbreitung von Sträuchern und Bäumen in Wiesen oder Graslandschaften. Es handelt sich dabei um einen Vegetationswechsel, der sich infolge von Klimaveränderungen oder einer Verhinderung von Buschfeuern oder anderen Faktoren vollzieht.

Hamburg ist engagiert und prüft, ob die Hansestadt mit ihrem Heizkraftwerk Tiefstack ein Pilotprojekt mit namibischem Buschholz starten kann. Im Gespräch sind auch schon Heizkraftwerke in Hamburg-Moorburg, Flensburg, Berlin und Rostock. Außerdem sollen Holzpellets für den internationalen Markt aus Namibia exportiert werden. Vattenfall, Uniper, das Monsterkraftwerk Drax in Großbritannien und die niedersächsische Brüning Group sind interessiert.

Was die GIZ erzählt

Die Verbuschung ehemaliger Savannen sei für Namibia ein großes ökonomisches Problem. Die großflächige Rinderhaltung sei behindert. Der Luxustourismus sei bedroht, weil nicht mehr in weiten Savannen Großwild beobachtet und gejagt werden könne. Zudem würde die Verbuschung den Wasserhaushalt ungünstig beeinflussen. Und schließlich würden Grassavannen im Boden mehr CO2 speichern als mit Büschen bewachsene Flächen.

Da Namibia dieses Problems nicht allein Herr werden könne, sei dringend deutsche Hilfe erforderlich. Es werden Pläne für den Einsatz von Großtechnik geschmiedet, mit der jährlich 25 Millionen Tonnen Buschholz für den Export in den globalen Norden bereitgestellt werden sollen.

Eine Win-Win-Situation, so die Befürworter des Projekts. Namibia werde vom Buschholz befreit, könne mehr Rinder halten und den Tourismus ankurbeln, dürfe auch einen kleinen Teil des Buschholzes selber nutzen. Deutschland stelle Großtechnik für 105 Biomasse-Industrieparks und für den Transport zur Küste zur Verfügung. Und das alles würde auch noch dem globalen Klima nützen.

Wie ist es wirklich?

Leider stimmt an der Argumentation der GIZ nahezu nichts. Zu den Auswirkungen auf das globale Klima hat der Hamburger Energietisch ein Kurzgutachten in Auftrag gegeben1. Dort führt der Gutachter Professor Dietrich Rabenstein von der HafenCity Universität Hamburg aus, „dass sich die veränderte Landnutzung, die auf die Buschernte folgt, stark auf die Klimabilanz auswirkt.“

1. Der Boden unter den verbuschten Gebieten speichert erheblich mehr organischen Kohlenstoff als der Boden unter einem typischen subtropischen trockenen Grasland (Savanne). Eine große Anzahl von Untersuchungen in den letzten beiden Jahrzehnten haben diesen Befund überzeugend bestätigt. Sie konnten auch erklären, wie es hierzu kommt. Wird nun die Verbuschung mit der Absicht beseitigt, Grasland als Viehweide herzustellen, so wird im Boden gespeicherter organischer Kohlenstoff nach und nach in Form von CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Diese Änderung der Landnutzung erzeugt also eine CO2-Quelle.

2. Das wiedergewonnene Grasland soll bevorzugt für eine Erweiterung der Viehzucht genutzt werden. Wiederkäuer geben bei ihrem Verdauungsvorgang Methan ab, ein Klimagas, das in einem Zeitintervall von etwa 20 Jahren fast hundertmal stärker wirkt als CO2. Die beabsichtigte Erweiterung der Viehzucht bildet also eine zweite Treibhausgas-Quelle. Wird das entbuschte Land nicht für die Viehzucht genutzt, sondern für touristische Zwecke, zur Tierbeobachtung oder zur Jagd, so steigen die Treib-hausgas-Emissionen für Flüge und für den Komfort, der Touristen geboten werden soll, in vermutlich ähnlichem Umfang.

3. In Hamburg soll das in Form von Holzschnitzeln oder Holzpellets angelieferte Buschholz zum Zweck der Erzeugung von Fernwärme und Strom verbrannt werden. Dabei wird der im Holz gespeicherte Kohlenstoff in CO2 umgewandelt und freigesetzt. Der Verbrennungsprozess bildet also eine dritte Treibhausgas-Quelle. Die Verbrennung von Holz wird oft als klimaneutral betrachtet, dann nämlich, wenn das aus einem Wald entnommene Holz wieder nachwachsen kann. Das Nachwachsen des Buschholzes in Namibia soll aber gerade verhindert werden. Nun kann argumentiert werden, es wachse, nachdem das Buschholz entnommen wurde, weiteres Buschholz in andern Gebieten Namibias nach. Diese Argumentation ist nicht stichhaltig. Denn nach Plänen der GIZ soll schon bis 2030 doppelt so viel Buschholz geerntet werden, wie angeblich gleichzeitig nachwächst (18 Mio. Tonnen pro Jahr gegen 9 Mio. Tonnen, die angeblich pro Jahr nachwachsen). … Natürlich sind auch der Erntevorgang, die Verarbeitung in Holzs chnitzel oder Holzpellets und der Transport nach Hamburg mit der Freisetzung von Treibhausgasen verbunden.2

Ist nachwachsendes Holz klimaneutral?

In Deutschland und der EU wird davon ausgegangen, dass Holz ein nachwachsender Rohstoff ist, seine Verbrennung folglich klimaneutral sei. Diese Orientierung, die von Umweltorganisationen zurückgewiesen wird, vernachlässigt die Tatsache, dass bei der Holzverbrennung CO2 schlagartig freigesetzt wird, das über viele Jahrzehnte in den Bäumen gespeichert wurde. Um die kommende Klimakatastrophe in ihren Auswirkungen noch wirksam zu begrenzen, müssen die Treibhausgasemissionen in den nächsten 10 bis 15 Jahren drastisch verringert werden. Deshalb ist bei der Nutzung von Holz die Kaskadennutzung vorzuziehen: Holz wird zuerst für langlebige Produkte wie Bauholz verwendet, danach für andere Holzprodukte und erst am Ende der Nutzungskette kann es energetisch genutzt, also verbrannt werden. In Namibia soll aber die abgeholzte Biomasse gar nicht nachwachsen!

Das Buschholz-Projekt der GIZ unterstützt eine europäische Weichenstellung von der Kohle- zur Holzverbrennung, die von einer Mehrheit in der Wissenschaft als Katastrophe für das Klima und die Artenvielfalt abgelehnt wird. Die Verbrennung von Frischholz ist nicht klimaneutral und bei weitem nicht nachhaltig, wie 800 internationale Wissenschaftler*innen 2018 in einem offenen Brief3 warnten. Damit würde der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Das globale Klima würde sich in rasantem Tempo gefährlichen Kipppunkten nähern.

Durch die Rodung der Büsche und den Abtransport in den globalen Norden würden dem Boden Mineralien entzogen, was zu einer Degradation des Bodens führen würde. Für die Behauptung, die Böden könnten wieder zu einer Grassavanne werden wie vor Generationen, gibt es so gut wie keine Belege. Die zunehmende Verbuschung wird Experten zufolge durch die frühere Überweidung und auch den Klimawandel begünstigt.

Vorteile für die Bevölkerung Namibias?

Die Behauptung, die namibische Bevölkerung würde von großflächiger Buschholzentnahme profitieren, hält keiner Überprüfung stand. Mehr als die Hälfte des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens gehört etwa 30.000 weißen Großgrundbesitzern, auch direkten Nachkommen der deutschen Kolonisatoren. Die Grundbesitzer könnten kurzfristig von der Buschholzentfernung profitieren. Die große Mehrheit hätte die Nachteile zu tragen.

Im Zuge der Industrialisierung der Buschholzernte in Namibia würden zwar einige neue Arbeitsplätze geschaffen, aber viele vorhandene in der bisherigen Buschholzernte sowie bei kleinen und mittleren Unternehmen zerstört. Konzerne im globalen Norden würden dagegen von dem Projekt profitieren, indem sie Maschinen und Transportfahrzeuge verkaufen und sich mit Rohstoffen versorgen könnten. Die Wertschöpfung fände überwiegend außerhalb Namibias statt. Eine Verarbeitung des Buschholzes innerhalb Namibias und dessen Verwendung als Bau- und Möbelholz würde hingegen viele neue Arbeitsplätze schaffen.

Fazit: Das Buschholzprojekt wäre für deutsche Konzerne ein gutes Geschäft. Sie verkaufen die für Rodung, Aufbereitung und Transport notwendige Technik. Die Energiekonzerne bekommen einen öffentlich geförderten günstigen Rohstoff. Im Hamburg und anderswo könnte von nahezu CO2-freier Energiebereitstellung geredet werden. Die Treibhausgasemissionen würden – formal korrekt – Namibia zugerechnet. Dem Klima helfen solche Tricks allerdings nicht.

Mit Namibia, der ehemaligen deutschen Kolonie und Ort des ersten Völkermords im 20. Jahrhundert, würde wieder mal ein armes Land im globalen Süden in noch stärkerem Maße als bisher zum Rohstofflieferanten. Finanzielle Entschädigung für die Nachkommen der Opfer des Genozids an den Herero und Nama verweigert die Bundesregierung bis heute.

Gilbert Siegler ist Sprecher des Hamburger Energietisches, eines anerkannten Umweltverbandes in Hamburg, und Aktivist für linke Klimapolitik seit vielen Jahren.

Weitere Informationen: https://www.hamburger-energietisch.de/biomasse-statt-kohle/

Anmerkungen

1 Kurzfassung: https://www.hamburger-energietisch.de/WP-Server/wp-content/uploads/2020/06/Klimawirkungen-von-Buschholz-aus-Namibia-in-Hamburg-Zusammenfassung.pdfs

Langfassung: https://www.hamburger-energietisch.de/WP-Server/wp-content/uploads/Klimawirkungen-von-Buschholz-aus-Namibia-in-Hamburg-V1-final.pdf

2 Rabenstein, Kurzfassung, S. 5.

3 http://www.pfpi.net/wp-content/uploads/2018/ 04/UPDATE-800-signatures_Scientist-Letter-on-EU-Forest-Biomass.pdf


Zwingt die Armut Namibia, extreme Umweltschäden in Kauf zu nehmen?

Ein Fracking-Projekt in Namibia und Botswana gefährdet das berühmte Okavango-Delta, ein Unesco-Weltnaturerbe, das wegen seines Artenreichtums als Heimat von Elefanten, Flusspferden, Antilopen, Büffelherden und vielen Vögeln weltweit bekannt ist. Die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung ist durch die zu erwartende Vergiftung des Grundwassers und das Ausbleiben der Touristen in Gefahr.

Die kanadische Ölexplorationsgesellschaft Reconnaissance Energy Africa (ReconAfrica) hat sich schon vor sechs Jahren bei den Regierungen von Botswana und Namibia ein fast 35.000 Quadratkilometer großes Explorationsgebiet gesichert, größer als Belgien. Seit dem 20. Januar 2021 finden die ersten Probebohrungen statt, die in extreme Tiefe getrieben werden sollen.

ReconAfrica erwartet ein riesiges mit Öl und Gas gefülltes Sediment-Becken, ein „weiteres Weltklasse-Perm-Becken, analog zum texanischen Sedimentbecken“.

Umweltschützer befürchten, dass das einzigartige Ökosystem der Kavango-Region zerstört werden wird. Das Areal ist Teil des Kavango-Zambezi-Naturschutzgebiets, dem größten Schutzgebiet des Kontinents, das sich über Flächen in Namibia, Angola, Sambia, Simbabwe und Botswana erstreckt.

„Das Erdöl muss im Boden bleiben“, forderte Ina-Maria Shikongo, Künstlerin und Sprecherin von Fridays for Future Windhoek. „Die Ölförderung wäre nicht nur eine Katastrophe für das Weltklima, das Wasser und die Tierwelt, sondern darüber hinaus für die örtliche Bevölkerung.“

Der Aktienkurs von ReconAfrica schoss seit August 2020 um 500 Prozent nach oben.

Mit zehn Prozent der Aktien hat ReconAfrica das staatliche namibische Mineralölunternehmen NAMCOR beteiligt. NAMCOR behauptet, die Suche nach Öl und Gas in den Kavango-Regionen sei gut für das Land.

Namibias Regierung versichert, zumindest zum Fracking keine Genehmigung erteilt zu haben. Dagegen heißt es in der Präsentation der kanadischen Firma für eine vor zwei Jahren veranstaltete Investorenkonferenz: Zumindest in einigen der insgesamt hundert geplanten Ölquellen werde auch „modern frac stimulation“, also Fracking, durchgeführt.

So ähnlich verhält es sich auch mit dem Vorhaben der GIZ, auf riesigen Flächen in Namibia das Buschholz abzuholzen, um es in den globalen Norden zu transportieren. Auch hier wird von Ministerien verbreitet, es bestünden große Vorteile für das Land.