Privat-Raum

Die große Sause ins Weltall zeigt den Gegensatz zwischen öffentlich verpulvertem privatem Reichtum und öffentlicher Armut auf obszöne Weise: In der Türkei funktioniert kein Löschflugzeug, um Großbrände in tausendjährigen Wäldern zu löschen. Es braucht vier bis sechs Personen im Schutzanzug, um einen Patienten mit schwerer COVID-19-Erkrankung zu wenden, statt dass ein Roboter ihnen hilft. Im Starkregen ersaufen Menschen, weil Warnungen nicht weitergegeben werden und Alarm-Sirenen demontiert sind.

Und drei der reichsten Männer der Welt, Richard Branson, Jeff Bezos und Elon Musk, haben nichts Besseres zu tun, als sich ins Weltall schießen zu lassen, möglichst als erster, um ihren Herrschaftsbereich zu begucken. Sie besehen von oben herab all die Länder, in denen Zehntausende für Bransons Virgin Privat-Musik, Luftfahrt und Eisenbahnen schuften, für Bezos Gründung amazon Pakete schleppen und Treppen hochhasten, die mittels Elon Musk‘s Paypal bezahlt und auf energievergeudenden, schnellen und schweren Batteriefahrzeugen Marke Tesla durch die Gegend kutschiert werden.

Die drei an Geld Reichen können dabei mehr Menschen begucken, die für sie arbeiten und gegen Lohn beherrschen, als je ein absolutistischer König Untertanen hatte. Und sie werden dabei auf die vielen Staaten gucken können, in denen dies alles angeblich zum Nutzen der Menschheit stattfindet, ohne dass sie dafür Steuern zahlen. Die ideologischen Scooterfahrer im Weltall verbreiten so jeden Fernsehabend die Botschaft, dass private Ausbeutung staatliche Aufgaben besser und lustiger erfüllen könne. Als hätte es nicht genügt, dass Raumfahrzeuge bisher von Privatfirmen mit großem Gewinn zusammengeschraubt worden sind aufgrund von Erkenntnissen, die in staatlich-gesellschaftlicher Forschung gewonnen wurden. Jeder Privat-Start teilt mit, dass Weltraumschrott nur dann wirklich geil ist, wenn er aus privater Spaßkonkurrenz entsteht.

Fast enttäuscht bemerken wir Wochen später, dass der Kick für die ältlichen Jungs nur dazu diente, einen größeren Teil des staatlichen Etats der US-Weltraumfahrt herauszuschneiden für das zugehörige Privatunternehmen.

Das wird ausgehen wie alle Privatisierung ehemals staatlicher Aufgaben und wirken wie beispielsweise die Fallpauschale im Krankenhaus. Irgendwann bald wird ein Mensch, der ernsthaft die Erde von oben beforschen will, als Sternschnuppe auf unsere Köpfe fallen, weil der Gewinn für die Privatfirmen größer sein musste auf Kosten der Sicherheit.

Eigentlich schade, dass dieses absehbare und sichere Ergebnis der Privat-Raumfahrt nicht bereits bei den Spaßhupfern der drei Milliardäre aufgetreten ist, deren Sprünge in den luftleeren Raum aus Übereilung kleiner ausgefallen sind als der zweifellos staatlich organisierte ballistische Flug ins Weltall des kühnen Juri Gagarin vor sechzig Jahren. Nach dem kometenhaften Abstieg eines Milliardärs hätte der Kapitalismus dann endlich, wie es das Kommunistische Manifest 1848 versprach „ganz andere Züge ausgeführt, als Völkerwanderungen und Kreuzzüge“. Die Anwälte möglicher Erben hätten endlich viel größere Erbfolgekriege aufgeführt als der Feudalismus mit gravierenden Folgen für den zuguckenden Rest der Welt.

Jürgen Bönig empfiehlt statt geisterbahn diesmal den Rotor auf dem Rummelplatz, in dem einem viel billiger schlecht werden kann.