Lunapark21 Kurzmeldungen

Rekordwachstumsbranche Deutscher Bundestag

Laut Gesetz hat der Bundestag 598 Mitglieder (MdBs). 1990 waren es 662 Mandate. 1994 wurden bereits 672 MdB und in der letzten Legislaturperiode 709 Abgeordnete gezählt. Mit der Wahl am 26. September 2021 erhöhte die sich MdB-Zahl ein weiteres Mal auf nunmehr 735. Das ist gegenüber der gesetzlichen Festlegung eine Steigerung um 22,9 Prozent. Und gegenüber dem ersten gesamtdeutschen Parlament von 1990 immer noch eine Wachstumsrate von 11 Prozent. Wesentliche Ursache für die Mandats-Inflation ist das komplexe Wahlrecht mit den „Ausgleichsmandaten“ und „Überhangmandaten“. Allerdings gab es viele Anläufe, das Wahlrecht zu verändern, um die absehbare MdB-Flut zu stoppen. Dass sie alle scheiterten, deutet auf eine innere Tendenz zur bürokratischen Verselbständigung des parlamentarischen Apparats – mit selbstgesteuerten Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen – hin. Es wachsen nicht nur die Zahl der MdBs (und deren inzwischen mehr als 6000 Mitarb eiter). Zusätzlich vergrößert sich der gesamte Apparat des Parlaments. So erhöhte sich die Zahl der Bundestagsbeschäftigten noch stärker als diejenige der Abgeordneten. 2005 wurden in den obersten Bundesbehörden und in den Fraktionen14.360 Beschäftigte registriert, Ende 2021 sind es 24.221. Wachstumsrate 68,6 Prozent.

Angaben nach Bundesministerium für Finanzen.

Kapital-Spenden für die Grünen

Dass sich Konservative und FDP in erheblichem Maß über bekannte und unbekannte Großspenden finanzieren, ist bekannt. Öffentlich gemacht werden konnte auch, dass die AfD ungesetzliche Wege der Parteien-Finanzierung fand und dass dabei ein in der Schweiz lebender, weit rechts stehender Milliardär AfD-Geldgeber ist. Dass die Grünen von finanzstarken Personen und Unternehmen unterstützt werden, war dann im 2021er Bundestagswahlkampf neu. Bereits im Februar 2021 überwies der deutsch-griechische Multimillionär Antonis Schwarz (sein Vermögen basiert auf Erbschaft aus Pharma-Kapital) 500.000 Euro. Kurz vor der Wahl spendete der niederländische Technologieunternehmer und Milliardär Steven Schuurman 1,25 Millionen Euro. Sebastian Schels, Sohn des Netto-Gründers Rudolf Schels, tätigte – ebenfalls im Wahlkampfendspurt – eine 250.000-Euro-Spende. Bereits im April erhielten die Grünen eine Million Euro von einem „Parteimitglied aus Greifswald 93. Der Ex-Siemens-Top-Mann Joe Kaeser, der deutliche Sympathie für die Grünen hat, geht davon aus, dass „im mittleren Management inzwischen bundesweit der Prozentsatz der Grünen-Wähler höher ist als in der Gesamtbevölkerung“ (Spiegel 18.9.2021).

Als Motive nennen alle kapitalkräftigen Spender für die grüne Partei den Kampf gegen die Klimakatstrophe. Wobei der Reichtum des Spenders Schels auf Immobilienspekulation beruht und damit zumindest mit Umweltzerstörung verbunden ist. Das Vermögen des anonymen „Parteimitglieds aus Greifswald“ basiert auf Bitcoin-Spekulation. Dazu heißt es in einer Erklärung der Grünen, der Mann sehe „inzwischen das Bitcoin-System kritisch, unter anderem auch vor dem Hintergrund, dass die nötigen Rechenoperationen riesige Mengen Strom verbrauchen.“ Die grüne Programmatik beim Thema Flugverkehr wird beim Spender Schwarz damit akzentuiert, dass der Herr „regelmäßig zwischen München und Athen pendelt, um die familiären Wurzeln zu pflegen.“ FAZ 22.6.021

Bitcoin-Spekulation losgelöst

In den letzten Septembertagen wurde der Kryptomarkt (Markt mit Digital-Währungen oder Kunstgeld, digital produziert) ein weiteres Mal erschüttert. Das Gesamtmarkt-Volumen sank mit Stand 21. September auf 1,8 Billionen US-Dollar; drei Tage zuvor waren es noch 2,2 Billionen. Einzelne Meldungen von Individuen können inzwischen Glanz oder Elend bedeuten. So twitterte der Tesla-Eigentümer und reichste Mensch der Welt, Elon Musk, Mitte September das Foto seines neuen Hundewelpen der Rasse Shiba Inu mit Namen Floki – worauf die Kurse mehrerer Kryptowährungen explodierten. Schließlich hatte Musk einige Zeit zuvor den Namen seines Hundes (Floki) verraten, worauf Kryptowährungen entstanden, die in verschiedenen Kombinationen den Namen Floki beinhalten und als Symbol einen Shiba Inu haben. Das Handelsblatt (17.9.): „Wer das verrückt findet: Willkommen im Club. Das zeigt: Musks Einfluss auf den Kryptomarkt hat sich verselbständigt.“ Dabei hat die US-Bank J.P. Morgan jüngst behauptet, die Kryptowährung Bitcoin „könnte dem Gold bei institutionellen Investoren den Rang ablaufen“ (FAZ 28.8). Das dürfte sich aus einem handfesten Grund als falsch erweisen: Der Goldpreis ist zwar auch deutlich von Spekulation bestimmt, doch ein Goldbarren ist vergegenständlichte (harte) Arbeitszeit. Der Wert von Kryptowährungen ist jedoch primär durch Spekulation bestimmt. Der Goldpreis wird nie ins Bodenlose stürzen; der Wert von Kryptowährungen dürfte sich bei einem Crash dem Wert Null annähern.

Evergrande

Ein Faktor, der seit September verantwortlich für die Zuckungen des hochspekulativen Marktes mit künstlichen Währungen ist, hat mit dem Namen Evergrande zu tun hat. Der Strudel, in dem sich dieser größte Immobilienkonzern der Welt mit Sitz in China seit August 2021 befindet, veranlasste die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zur Schlagzeile: „Beginnt in China eine weltweite Finanzkrise?“ (19.9.).

Evergrande baut seit Ende der 1990er Jahren 600.000 Wohnungen – im Jahr. Aktuell ist Evergrande zusätzlich an der Entwicklung von 1300 großen Immobilienprojekten (Einkaufszentren, Hochhäuser) beteiligt. Es gibt keine große Stadt in China ohne Evergrande-Investments. Bei Evergrande handelt sich um ein Konglomerat, wie es typisch ist für einen sich schnell entwickelnden Manchester-Kapitalismus. Neben dem Hauptgeschäft Wohnungsbau und Immobilienentwicklung ist Evergrande auch im E-Pkw-Sektor engagiert.

Der Evergrande-Eigentümer ist Xu Jiayin, ein Herr, der noch vor kurzem der reichste Chinese war. Die Berichte über den Aufstieg dieses Mannes und seine Unternehmenskultur ähneln denen von englischen Eisenbahnkönigen im vorletzten oder von US-amerikanischen Öl- Magnaten Anfang des letzten Jahrhunderts. Beispielsweise galt im Evergrande-Konzern die Regel: Ein Manager muss, wenn der Chef anruft, spätestens beim dritten Klingeln des Telefons abgenommen haben, anderenfalls ist eine Strafe von 20.000 Yuan (2600 Euro) fällig. Und natürlich hat Herr Xu Jiayin die „längste Jacht der Welt“ (62 Meter).

Weniger lustig: Im Zeitraum 1. Januar bis zum 21.9.2021 ist der Kurs der Evergrande-Aktie um 80 Prozent gefallen. Das Konglomerat steht vor dem Zusammenbruch. Die Außenstände liegen bei rund 300 Milliarden US-Dollar. 1,2 Millionen Chinesen warten auf „ihre“ Evergrande-Wohnung, die sie aber möglicherweise nie erhalten werden (sie haben die Wohnung meist zum größten Teil bereits bezahlt). Die Lage von Evergrande erinnert in doppelter Hinsicht an Lehman Brothers 2008: Erstes hinsichtlich der Dimensionen. Und zweitens hinsichtlich der Frage, inwieweit die Regierung einspringt – oder glaubt, ein Exempel statuieren zu müssen. Zum Letzteren entschloss sich die US-Regierung 2008.

USA: Doppelte Klemme

Zunächst muss noch offen bleiben, in-wieweit der neue große Markt, China, entscheidend bei einem Crash sein wird. Oder ob es nicht doch erneut die USA als bislang immer noch größte Volkswirtschaft der Welt sind, die den Takt vorgeben. Die US-Wirtschaft wird in den letzten Wochen des Jahres 2021 von zwei Seiten bestimmt: von wachsender Armut von Millionen und Staatsarmut. Am 6. September liefen wichtige Corona-Sozialprogramme aus. 7,5 Millionen Menschen haben seither keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosenhilfe. Weiter 20 Millionen Menschen ohne Job erhalten zwar weiter Hilfe, doch die Corona-Zusatzzahlungen von 300 US-Dollar pro Woche wurden gestoppt. Schließlich lief im September ein Moratorium bei Zwangsräumungen aus; nach Schätzung von Goldman Sachs könnte es im Rest des Jahres zu 750.000 Zwangsräumungen (wegen ausstehender Mietzahlungen) kommen. Hinzu kommt die bereits angelaufene vierte Corona-Welle, die neue soziale und gesundheitliche Verwerfungen fð cr Millionen 
Menschen bringt. All dies veranlasste 
die Finanzministerin Janet Yellen dazu, 
vor dem Auslaufen von Sozialprogrammen und Moratorium zu warnen. Die Hilfen seien „für Millionen Amerikaner eine Lebensgrundlage“.

Die soziale Dramatik wird dadurch erhöht, dass – Stichwort Staatsarmut – im Oktober der Bundesregierung ein weiteres Mal das Geld ausgeht. Eine neuerliche Anhebung des Schuldenlimits wird nötig – wofür die Biden-Regierung jedoch im Senat zehn Republikaner-Stimmen benötigt. Doch die Trump-Partei ist dazu eher nicht geneigt und befindet sich bereits im Wahlkampfmodus für die Zwischenwahlen. Bleibt es bei dieser Blockade-Situation, stünde auch das Rating der USA zur Disposition, was, so erneut Yellen, „einen irreparablen Schaden für die amerikanische Wirtschaft und die globalen Finanzmärkte anrichten“ könnte (FAZ 10.9.2021).

Unternehmer-Fürsorglichkeit und Lamborghini-Dichte

Ingo C. Peters ist Chef des Hamburger Luxushotels Vier Jahreszeiten. Der Mann präsentierte sich im Magazin Der Spiegel (24.7.2021) als Mensch mit sozialer Ader. Immerhin habe man in den Corona-Zeiten, bei fast durchweg geschlossenem Hotel, den „Mitarbeitern stets 100 Prozent ihres Gehalts“ bezahlt – also das Kurzarbeitergeld aufgestockt. Peters: „Man muss um seine Leute kämpfen. Ein Beispiel: Unsere Restaurantleiterin für das Frühstück fing inmitten der Krise an, auf dem Wochenmarkt zu arbeiten. Ich bin mit meiner Familie hingegangen, und habe ihr gesagt, dass wir sie sehr vermissen und sie auf jeden Fall zurückkommen müsse. Was sie dann auch tat, als wir wieder offen hatten.“ Diese Fürsorglichkeit herrscht in einem Hotel mit Gästen, die es – so erneut O-Ton Peters – „gewohnt sind, in der Woche 15.000 bis 20.000 Euro auszugeben für ein Zimmer, Essen, für Weine. Wir haben immer schon gute Autos in der Garage gehabt. Aber die Lamborghini-Dichte ist gerade höher als sonst.“

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