Familien- und Frauenpolitik der selbsternannten “Alternative für Deutschland”

Die Alternative für Deutschland (AfD) positioniert sich als politische Kraft rechts von der CDU/CSU. Sie bezeichnet sich selbst als Familienpartei. Trotz der wesentlichen Bedeutung wird das Thema Familien- und Frauenpolitik selten problematisiert, wenn es um die AfD geht. Im Zentrum kritischer Veranstaltungen und Publikationen stehen meist die Zuwanderungspolitik, die EU-Politik, und völkische Rhetorik der AfD. Selten werden die familistischen und bevölkerungspolitischen Positionen der Partei angegriffen.

 

Familie ist die deutsche Vater, Mutter, Kind-Familie und sonst nichts

Bereits im Grundsatzprogramm der AfD heißt es: „Die Wertschätzung für die traditionelle Familie geht in Deutschland zunehmend verloren. Die Familie aus Vater, Mutter und Kindern als Keimzelle der Gesellschaft zu verstehen und den Bedürfnissen der Kinder und Eltern gerecht zu werden, muss wieder Mittelpunkt der Familienpolitik werden“. Beim Parteitag der AfD am 22. und 23. April 2017 in Köln, wo auch das Wahlprogramm für 2017 verabschiedet wurde, nahm das Thema „Familie“ einen breiten Raum ein.

Aus der Überschrift des Kapitels: „Willkommenskultur für Kinder: Familien und Bevölkerungsentwicklung“, wird deutlich, dass ein enger Zusammenhang zwischen den Politikbereichen, Zuwanderungspolitik Familien-, Bevölkerungs- und Frauenpolitik besteht. Deutlich wird, dass es beim Thema Bevölkerungspolitik keinesfalls lediglich um „mehr Kinder“ geht, oder um eine generell familien- und kinderfreundliche Politik; es geht auch um die ‚richtigen‘, gewünschten deutschen Kinder und um ‚ordentliche‘ als ‚normal‘ bezeichnete Zusammenlebensformen. Ihnen alleine gilt die Freundlichkeit (nicht nur) im Wahlprogramm:

„Die dramatische Zunahme der Ehe- und Kinderlosigkeit und das Verschwinden normaler mittelgroßer Familien – von den etablierten Parteien längst als alternativlos hingenommen – sorgen für eine Schrumpfung unserer angestammten Bevölkerung um mehr als 250.000 Personen pro Jahr, mit stark steigender Tendenz. Die AfD stemmt sich gegen diesen Trend zur Selbstabschaffung und will Deutschlands Gesellschaft von Grund auf familien- und kinderfreundlicher gestalten.“

Auf der anderen Seite lehnt die AfD jeglichen Familiennachzug für Flüchtlinge ab und will „ausschließlich qualifizierten Zuzug nach Bedarf [der deutschen Wirtschaft – G.N.] zulassen“. Darüber hinaus wird eine feste jährliche Abschiebequote gefordert. Sollten die Herkunftsländer ihre BürgerInnen und deren Kinder nicht wieder zurücknehmen, müsse durch Einstellung der Entwicklungshilfe Druck ausgeübt werden.

Dass täglich 30.000 Kinder auf der Welt verhungern, ist kein Thema der „familien- und kinderfreundlichen“ Politik der AfD.

Die Delegierten votierten beim Parteitag für einen Antrag, in dem das Alleinerziehen als ein „Notfall“ bezeichnet wird und als „Ausdruck eines Scheiterns eines Lebensentwurfs“. Eine „vorbehaltlose Förderung Alleinerziehender“, wie sie von etablierten Parteien praktiziert werde, sei falsch. Eine Ausdehnung des Begriffs „Familie“ auf andere Lebensgemeinschaften lehnt die AfD prinzipiell ab.

 Maßnahmen zur Geburtenförderung

Auch konkrete Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenzahl wurden beim Parteitag genannt. So sollen Familien durch Steuerentlastungen stärker gefördert werden, junge Eltern sollen ein „Baby-Begrüßungsgeld“ erhalten. Ein „Familiensplitting“ soll zu einer spürbaren Entlastung von Familien führen. Zunächst bleibt unklar, ob nur “deutsche junge Eltern“, die „deutsche Kinder“ bekommen, gefördert werden sollen. Jedenfalls will die AfD das Geburtsortprinzip, nachdem ein in Deutschland geborenes Kind auch dann die deutsche Staatsbürgerschaft erhält, wenn beide Eltern diese nicht besitzen, ein Elternteil sich aber seit mindestens acht Jahren in Deutschland aufhält und über eine Niederlassungserlaubnis verfügt, wieder abschaffen: „Das Geburtsortsprinzip (Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit allein durch Geburt in Deutschland, auch wenn kein Elternteil Deutscher ist) wollen wir wieder aus dem Gesetz streichen und zum Abstammungsprinzip, wie es bis zum Jahr 2000 galt, zurückkehren.“[1]

Der § 218 StGB, der den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich immer noch unter Strafe stellt, dessen Streichung aus dem Strafgesetzbuch für alle emanzipatorischen Kräfte längst überfällig ist, soll verschärft werden: „Auch ungeborene Kinder haben ein Recht auf Leben“, heißt es im Wahlprogramm. Dieses Recht dürfe nicht der Selbstverwirklichung oder sozialen Zukunftsängsten untergeordnet werden. Die AfD  fordert eine Meldepflicht für Abtreibungen. „Bei Nichterfolgen soll eine spürbare Strafe ausgesprochen werden.“ Auch die bereits jetzt restriktive Pflichtberatung (Beratungsscheinregelung) soll überprüft und gegebenenfalls gesetzlich verschärft werden, damit die Schwangerschaftskonfliktberatung „tatsächlich dem Schutz des Lebens“ dient.

Jungen Menschen soll nahegelegt werden, eine Familie zu gründen. Ihnen soll durch die Lehrpläne und Schulbücher „aller allgemeinbildenden Schulen“ ein positives Bild von Elternschaft vermittelt werden. Hingegen sollen die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ und „staatlich geförderte Umerziehungsprogramme“ aus Kindergärten und Schulen beseitigt werden. Die Eltern sollen zusammen bleiben, deshalb will die AfD das erst nach langen Auseinandersetzungen 1977 abgeschaffte Schuldprinzip im Scheidungsrecht wieder einführen: „Schwerwiegendes Fehlverhalten gegen die eheliche Solidarität muss bei den Scheidungsfolgen wieder berücksichtigt werden.“

 Dürfen Frauen berufstätig sein?

Die AfD kritisiert, dass „die Wirtschaft“ die Frauen als Arbeitskräfte betrachtet. Sie will Gender Mainstreaming, Quotenregelungen, und „Propagandaaktionen wie den „Equal Pay Day“  abschaffen. Es sei falsch verstandener Feminismus, wenn Frauen einseitig im Erwerbsleben geschätzt werden, nicht aber Frauen, die „nur” Mutter und Hausfrau sind. Sie würden auch finanziell benachteiligt.

Laut Wahlprogramm will die AfD prekäre Beschäftigung abbauen und Mindestlöhne einführen, weil „das Fehlen einer materiellen Grundlage durch eigene Arbeit z.B. Familiengründungen erschwert“ und negative Auswirkungen „für die Demografie“ die Folge sind. Sie denkt dabei weniger an die vielen Mini-Jobs, die Frauen innehaben, sondern eher an die „Leih- und Werkarbeiter“. Was in der aktuellen Situation wie eine gewerkschaftliche Forderung klingt, hat für die vielen Verkäuferinnen und andere Frauen, die im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, kaum Wirkung. Ebenso wenig wie die Forderung bei einer Lebensarbeitszeit von 45 Jahren den Rentenanspruch „abschlagfrei“ zu gewähren. 45 Jahre ist eine Zeit, die Frauen in aller Regel nicht erreichen, wenn sie Kindererziehungszeiten und Pflegezeiten ausfüllen. Dafür, dass die Stabilisierung der Sozialsysteme mit Schwierigkeiten verbunden ist, macht die AfD wiederum eine „unverantwortliche Zuwanderungspolitik“ verantwortlich, die „unsere begrenzten Mittel“ angeblich auffrisst.

 Fazit:

„Die AfD ist rassistisch, frauenfeindlich, unsozial und undemokratisch und sie ist keine Alternative“, so sieht es das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ (infa@aufstehen-gegen-rassismus.de). Sie will uns in eine Zeit katapultieren, in der Frauen wieder am Herd (des eigenen Mannes) ein nationalistisches Süppchen kochen sollen.

 

Gisela Notz ist freie Wissenschaftlerin und Autorin. Sie lebt und arbeitet in Berlin. In ihrem Buch „Kritik des Familismus“ beschäftigt sie sich unter anderem mit der Familienideologie der „neuen Rechten“.

[1]   Wahlprogramm, S. 29.