American Machismo

Die Gründung des Staates Bangladesch vor 50 Jahren – eine vergessene Episode des Kalten Krieges

„Die unattraktivsten Frauen auf der Welt sind ohne Zweifel die indischen Frauen … Absolut ohne Sexappeal diese Leute. Gut, manche sagen das von den Schwarzafrikanern. Nun, bei denen ist wenigstens Vitalität zu spüren. Die haben so einen putzigen Charme. Aber Gott, diese Inder, jämmerlich.“ „Ein Volk von Aasfressern.“

So beurteilte der US-amerikanische Präsident Richard Nixon die Lage, als im Sommer 1971 ein Konflikt zwischen Pakistan und Indien zu eskalieren drohte.

Im November desselben Jahres traf er die indische Premierministerin Indira Gandhi, eine der ersten Frauen in einem solchen Amt, im Weißen Haus. Nixon verachtete Gandhi als hochnäsige Intellektuelle. In einer Gesprächspause beklagte er sich gegenüber seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger über die Delegation aus Delhi: „Die törnen mich ab. Wie zum Teufel törnen die andere Leute an, Henry?“ Der meinte, die Inder wären „Meister der subtilen Schmeichelei.“ Damit hätten sie „600 Jahre überlebt.“ *

Die Rivalität zwischen Indien und Pakistan bestand seit beider Staatsgründung. Unter der britischen Kolonialherrschaft auf dem indischen Subkontinent hatte seit den 1930er Jahren die Muslimliga gegenüber der hinduistischen Dominanz auf einen eigenen Staat orientiert. 1947 teilte sich die vorherige Kronkolonie in die souveränen Commonwealth-Staaten Indien und Pakistan, worauf es zu Vertreibung und Umsiedlungen von 20 Millionen Menschen kam, wobei Hunderttausende getötet wurden.

Auch das bengalische Sprachgebiet im Nordosten des Subkontinents wurde geteilt, West-Bengalen Indien zugesprochen, Ost-Bengalen fiel an Pakistan, so dass Pakistan aus zwei, über 2000 Kilometer von einander getrennten, Teilen bestand.

Die Bengalen in Ost-Pakistan bildeten die Bevölkerungsmehrheit. Die politische und militärische Macht lag auf Seiten West-Pakistans mit der Hauptstadt Islamabad. Die dortige Militärjunta und Punjabi-sprechende, quasi feudale Elite sahen auf die Bengalen als minderwertig herab und behandelten den östlichen Landesteil fast wie eine Kolonie und als Absatzgebiet ihrer Produkte.

Die ostpakistanische Awami-Liga, unter ihrem Führer Mujibur Rahman, forderte die Autonomie Bengalens und gewann im Dezember 1970 die landesweite Parlamentswahl. Der Zweitplatzierte, Zulfikar Ali Bhutto, und die Generäle in Islamabad entschlossen sich, die Unabhängigkeitsbewegung gewaltsam zu unterdrücken und deren Führer zu eliminieren. Am 26. März 1971 begann der Krieg der vor Ort stationierten Truppen gegen Ost-Pakistan. Noch am selben Tag rief die Awami-Führung aus dem indischen Exil den Staat Bangladesch aus.

Von indischer Seite bekam sie Unterstützung. Nach bereits zwei Kriegen gegen Pakistan war der indischen Führung an einem unabhängigen Bengalen durchaus gelegen, so dass in einem weiteren Konflikt eine Zwei-Fronten-Stellung vermieden wäre. Also bildete Indien die ostpakistanische Guerilla aus und schloss die Grenzen für den Nachschub aus Westpakistan.

In jener Epoche aber wurde jeder Konflikt auch als Manöver im Kalten Krieg der Supermächte interpretiert. Pakistan, ein wirtschaftlich prosperierendes Land, aber unter korrupter und repressiver Führung, war Verbündeter der USA, der gegen Bedrohungen durch Indien oder die Sowjetunion zu schützen war, und den die USA militärisch ausrüsteten. Indien galt als neutral, was aus amerikanischer Sicht bedeutete, der Sowjetunion zugeneigt. Außerdem unterhielt der pakistanische Präsident, General Yahya Khan, einen guten Draht zu Zhou Enlai, dem Premier der Volksrepublik China, und sollte für die USA einen Kontakt herstellen. Seit 25 Jahren hatte zwischen dem kommunistischen China und den USA diplomatische Funkstille geherrscht. Ein Staatsbesuch in Peking, der zur Überraschung der Welt 1972 auch tatsächlich stattfand, galt Nixon und Kissinger als der große Coup, um die US-Streitkräfte ohne Gesichtsverlust aus Vietnam abziehen zu können. Die Schlappe g egenüber Moskau, die ein Rückzug aus Vietnam bedeutete, sollte durch eine Annäherung an China, dem sozialistischen Rivalen der Sowjetunion, wettgemacht werden – so die schlichte Logik der Kalten Krieger.

Der militärische Einsatz in Ost-Pakistan war schon nach Planung und Ziel ein Kriegsverbrechen. Die überwiegend muslimischen pakistanischen Soldaten töteten mindestens 300.000 Bengalen, in ihrer Mehrheit Hindus. Massenvergewaltigungen waren integraler Bestandteil der Kriegsführung. Zehn Millionen Bengalen flüchteten nach Indien. Als der amerikanische Generalkonsul in Dhaka, der Hauptstadt Ost-Pakistans, dem Weißen Haus über die Greueltaten der pakistanischen Armee berichtete und von Völkermord sprach, ignorierten Nixon und Kissinger das. Auch der US-Botschafter in Indien forderte, das brutale Vorgehen der pakistanischen Armee zu verurteilen. Aber nicht einmal die Lieferung von Waffen, Munition und militärischen Ersatzteilen an den Verbündeten ließ der US-Präsident stoppen.

Um den Flüchtlingsstrom nicht weiter anschwellen zu lassen und das Blutbad zu beenden, griff Indien schließlich militärisch auf ostpakistanischem Territorium ein.

„Was die Inder brauchen – was sie wirklich brauchen – ist eine Hungersnot“, sinnierte Nixon, und Kissinger sekundierte: „Sie sind solche Mistkerle“. Von allen guten Geistern verlassen, schickte Nixon einen Flottenverband samt Flugzeugträger in den Golf von Bengalen und ermutigte China, Truppen an die indische Grenze zu verlegen, ein Manöver, das eine Provokation Moskaus gewesen wäre. Was das hätte bedeuten können, war Kissinger durchaus bewusst: „Wenn die Sowjets gegen sie vorgehen, und wir dann nichts tun, sind wir am Ende.“ Worauf Nixon fragte: „Was also machen wir, wenn die Sowjets vorgehen? Fangen wir an, Atombomben zu werfen, ist es das, was Sie meinen?“ Die alles zerstörende Katastrophe und den eigenen Untergang vor Augen, wurde man philosophisch: „Wenigstens kämen wir da raus wie Männer“, erwägt Kissinger. Und Nixon träumte: „Der Mann im Weißen Haus ist tough“, ein echter Kerl.

Zum Glück behielten die Führungen der beiden sozialistischen Mächte einen klareren Kopf als die Jungs im Weißen Haus, und der Krieg endete bald mit einer vernichtenden Niederlage der pakistanischen Armee und ihrer Kapitulation am 16. Dezember 1971. Ost-Pakistan erlangte seine Unabhängigkeit und völkerrechtliche Anerkennung und gab sich den Namen Bangladesch.

Nixon und Kissinger gerierten sich stets als brillante Realpolitiker. In Wahrheit erwuchs ihr Handeln aus einer Melange aus Misogynie und Rassismus und zeitigte ein politisches Desaster. Ihre Drohungen veranlassten Indien, einen Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion zu schließen. Pakistan erlitt mit der militärischen Niederlage eine tiefe Schmach und verschrieb sich der Doktrin, Indien fortan „mit tausend Stichen bluten zu lassen“. Die verdeckten Operationen hatten den Zweck, vor allem Kaschmir und das von Indien unterstützte Afghanistan zu destabilisieren. 1974 gelang Indien der erste erfolgreiche Nukleartest. Pakistan zog nach. Beide Länder verfügen heute über je rund 160 Sprengköpfe.

* Gary Bass, Politik-Professor in Princeton, veröffentlichte 2013 sein Buch „The Blood Telegram. Nixon, Kissinger and a Forgotten Genocide“, worin er die Tonmitschnitte aus dem Weißen Haus während des Bangladesch-Krieges dokumentierte. Viele Stellen der Tonbänder waren mittels Piepton zensiert. Auf dem Rechtsweg konnte Bass die Freigabe weitgehend unzensierter Tonaufzeichnungen erreichen, die ihm portionsweise zwischen Mai 2018 und Mai 2020 zur Verfügung gestellt wurden. Die Nachlese veröffentlichte er im September 2020 in der New York Times.