Konzernprofite und militärische Interventionen in Afrika

Bernard Schmid. Lunapark21 – Heft 29

Laurent Fabius, Frankreichs seit Mai 2012 amtierender Außenminister, hatte ein Konzept mit der Bezeichnung diplomatie économique entwickelt. Eine solche „Wirtschaftsdiplomatie“, im Auftrag oder im Interesse französischer Unternehmen, kommt vor allem auf dem afrikanischen Kontinent zur Anwendung. Mehrere führende französische Unternehmen, darunter börsennotierte Konzerne wie TOTAL (Erdöl) und Bouygues (Beton, Mobiltelefone) oder auch der Mischkonzern von Vincent Bolloré (Transport, Infrastruktur; Besitzer oder Pächter mehrerer Tiefwasserhäfen in Westafrika), verdanken dem afrikanischen Kontinent einen beträchtlichen Teil ihrer Extraprofite. Der mittelafrikanische Staat Niger lieferte etwa in den letzten Jahren durchschnittlich 37 bis 38 Prozent des Urans, das in den 58 französischen Atomkraftwerken verbrannt wird. Der französische Nuklearkonzern AREVA fördert seit den 1970er Jahren Uranmetall im Norden Nigers. Das Land zählt heute zu den drei ärmsten Staaten des Planeten. Cherchez l’erreur! Finden Sie den Fehler im System! Flankiert wird diese Politik von militärischen Interventionen, von denen seit der formalen Unabhängigkeit der früheren französischen Kolonien in Afrika – die Mehrzahl von ihnen erlangte im Jahr 1960 die formale Souveränität – über fünfzig stattgefunden haben. Allerdings versuchen die aufeinander folgenden Regierungen in Paris seit 1997, möglichst viele „Lasten“ auf die Schultern afrikanischer Akteure abzuwälzen. Weil man nämlich zu der Erkenntnis gelangt war, dass einige örtliche Autokraten – im Blickfeld war zu jener Zeit vor allem der damalige Präsident der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), Ange-Félix Patassé – die Präsenz der französischen Armee in ihrem Land vor allem als Garant eines quasi unbegrenzten Machterhalts nutzten. Es gelte, französische Eigeninteressen besser zu definieren und von den Privatinteressen jeweils regierender Clans abzugrenzen. Im Laufe der letzten fünfzehn Jahre wurde die französische Truppenpräsenz in Frankreich (ohne Ausbildungsprogramme für örtliche Armeen) im Wesentlichen auf zwei große ständige Militärbasen konzentriert, in Libreville – Hauptstadt von Gabun – an der Atlantikküste und Djibouti am Horn von Afrika. Aber von insgesamt rund 8000 weltweit im „Auslandseinsatz“ befindlichen französischen Soldaten stehen allein 5000 auf dem afrikanischen Kontinent. Im ersten Halbjahr 2013 hatte Frankreich militärisch im Norden Malis gegen die jihadistischen Gruppen, die sich dort im Schatten einer sezessionistischen und von Tuareg getragenen Rebellion in Gestalt des MNLA (Mouvement national de libération de l’Azawad, „Bewegung für die nationale Befreiung von Azawad“) festgesetzt hatten, eingegriffen. Die „Operation Serval“ hatte am 11. Januar 2013 mit Luftangriffen und dem Einsatz von Bodentruppen begonnen. Am 5. Dezember 2013 wurde dann eine andere Front im Auslandseinsatz eröffnet, mit der „Operation Sangaris“ in der von Bürgerkrieg geschüttelteten Zentralafrikanischen Republik. Im Winter 2013/14 klang es zunächst so, als stünde die militärische Aktivität Frankreichs zumindest in Mali vor einem baldigen Abschluss und als sei das „Jihadistenproblem“ in der Sahelregion weitgehend geregelt. Wenn auch dadurch, dass die bewaffneten Islamisten geflohen und in den instabilen Süden des Bürgerkriegslands Libyen ausgewichen seien. Heute klingen die Dinge längst wieder anders. Am 12. Oktober 2014 gab der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian eine Verstärkung der Truppen seines Landes in Nordmali bekannt, um „auf akute jihadistische Bedrohungen“ zu reagieren. Anstelle der „Serval-Operation“ – damals nach einer Wüstenkatze benannt – gibt es seit Juni 2014 eine solche mit dem Titel „Barkhane“. Die neue Operation ist nach einer in der Sahara anzutreffenden Dünenformation benannt, und ihr Befehlshaber für die Region sitzt nicht länger in Mali, sondern in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena. Dort unterstehen ihm 3000 Soldaten, während die Vorläuferoperation „Serval“ im Herbst des vorangegangen Jahres in Mali noch auf 1000 Mann reduziert worden war. Und bei dieser Truppenzahl blieb es nicht. Der französische General Jean-Pierre Bosser verkündete am 14. Oktober 2014 eine weitere Verstärkung des regionalen Truppenkontigents von drei- auf viertausend Militärs. Eine mögliche neue Intervention, die sich anbahnt, könnte französische Militärs erneut nach Libyen führen. Vor nunmehr vier Jahren zählte die damalige französische Führung zu den treibenden Kräften bei der massiven Nato-Intervention. Angesichts der heute in Libyen vorherrschenden chaotischen Situation (für welche nicht allein die Interventionsmächte verantwortlich sind, sondern auch das damalige Gaddafi-Regime, das 42 Jahre lang mittels tribaler Spaltungen herrschte) wird Frankreich von einigen regionalen Akteuren erneut zur Intervention aufgefordert. So forderte am 5. Februar 2014 der Innenminister von Niger, Massoudou Hassoumi, im französischen Auslandsradiosender RFI eine Intervention auswärtiger Mächte in Südlibyen, das er als „Brutstätte für terroristische Gruppen“ bezeichnete. Niger ist ein Stationierungsland für französische Truppen, für die erst kürzlich – im November 2014 – eine neue Militärbasis in Madama eingeweiht wurde. Diese liegt im Nordosten des Landes, nur 100 Kilometer von der libyschen Grenze entfernt.

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