Das Waschprogramm

Eine kurze Anleitung zur Reinigung von Schwarzgeld

Liebe Leserin, lieber Leser, haben Sie vielleicht Geld über? Zum Beispiel aus einem Drogengeschäft und möchten ein paar Millionen nicht unters Kopfkissen legen?

Ein solches Kapital sollte schon vernünftig angelegt werden. Aber wie investieren, ohne Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft zu alarmieren? Lunapark hilft und rät, von den Oligarchen zu lernen.

Zunächst sollten Sie ein paar Briefkastenfirmen offshore einrichten, über die Sie Ihre Geschäfte künftig abwickeln. Briefkastenfirmen, zum Beispiel auf den Cayman-Inseln, sind im dortigen Firmenregister eingetragen, brauchen aber keinerlei Geschäftstätigkeit auszuüben, und Name und Adresse ihrer Eigentümer werden nicht dokumentiert.

Für Ihre Briefkastenfirma brauchen Sie noch einen Direktor, der für Sie tätig wird, so dass Sie selbst nicht in Erscheinung treten. Der wird sich finden, aber davon später.

Roman Abramowitsch, den wir uns zum Vorbild nehmen wollen, unterhält auf Zypern sogar einen Trust, der wiederum Beziehungen zu einer ganzen Reihe von Briefkastenfirmen pflegt, sozusagen das Roman Empire dirigiert. Jede dieser Briekastenfirmen hat mehrere Konten bei diversen Banken, was sich als besonders sinnvoll erweist, sofern das Schwarzgeld nur in bar vorliegen sollte. Um also nicht mit einem zu dicken Koffer aufzuschlagen, ist die Summe gestückelt auf mehrere Konten einzuzahlen, was eine vertrauenswürdige Anwältin im Namen einer der Briefkastenfirmen übernehmen sollte. Liegt der Schatz erst einmal als Buchgeld in der Bank, kann es im Auftrag des Kontoinhabers, also der Briefkastenfirma eines nicht bekannten Eigentümers, auf ein beliebiges anderes Konto überwiesen werden.

Doch Vorsicht ist weiterhin geboten. Jeder Empfänger, ob Mensch oder Firma, wird gegenüber dem Finanzamt erklären müssen, für welche Leistung ihm oder ihr die Zahlung zuteil wurde. Die Gewinn bringende Anlageform sollte mit Sorgfalt und Bedacht gewählt werden.

Gute Beratung

Da eine Briefkastenfirma nicht als potenter Börsenzocker Aufmerksamkeit erregen sollte, ist die Anlage in einem Investmentfonds zu empfehlen, der den Kauf und Verkauf von Aktien und Anleihen besorgt. Und selbstverständlich ist dazu ein seriöser und gut gemanagter Fonds zu wählen. Der unterliegt allerdings auch der Finanzaufsicht und wird Auskunft über die Herkunft des Geldes fordern, ehe er die Einlage akzeptiert.

Was ist zu tun? Am besten holt man sich Rat vom Fachmenschen und fragt bei einer renommierten Bank an, die, sofern man mit gebotener Diskretion auftritt, helfen wird.

Nachdem durch die Panama Papers einiges über diskrete Finanzgeschäfte bekannt geworden ist, hat sich kürzlich der Manager eines Hedgefonds in den USA der New York Times anvertraut und die Details einer Investition von 20 Millionen Dollar im Jahr 2012 dargelegt unter der Bedingung, dass die Times weder seinen Namen noch den seines Fonds nenne. Hier soll der Hedgefonds GoodLuck heißen.

Zunächst sei ein Mitarbeiter der Schweizer Großbank Credit Suisse an GoodLuck herangetreten und habe sich als Vertreter einer reichen Familie vorgestellt, die beabsichtige, einige zig Millionen anzulegen, wobei die Familie eine Besteuerung durch das US-Finanzamt vermeiden wolle. Deshalb werde der GoodLuck-Manager gebeten, sofern an der Einlage interessiert, einen Investmentfonds aufzulegen, der der Gerichtsbarkeit eines Offshore-Territoriums unterliege. Für diesen Aufwand würde GoodLuck ein gewisser Prozentsatz der investierten Summe als Entgelt zuteil, wovon auf die Credit Suisse ein Fünftel entfalle.

Um die Operation ordnungsgemäß abwickeln zu können, suchten die beiden Herren die Büros von Concord Management in einem tristen Gebäude in einem New Yorker Vorort auf. Concord hält sich in seiner Öffentlichkeitsarbeit zurück, wird jedoch für spezielle Geschäfte von namhaften Banken empfohlen.

Die Berater von Concord rieten, sich an HighWater zu wenden, eine Firma auf Grand Cayman, die auf die Bereitstellung von Corporate Governance spezialisiert sei. Für jährlich 15.000 Dollar plus Spesen würde HighWater einen Mitarbeiter als Direktor für den von GoodLuck zu gründenden Investmentfonds abstellen.

Cayman Islands

Auf Grand Cayman war man gern behilflich. Mourant, eine Anwaltskanzlei, die auch auf den Britischen Jungferninseln und auf Guernsey und Jersey vertreten ist, erledigte den Papierkram. Und GlobeOp, ein Unternehmen, das Verwaltungsdienstleistungen speziell für Hedgefonds anbietet, sorgte für Übereinstimmung mit Anti-Geldwäsche-Gesetzen.

Schnell war alles klar, und bald gingen 20 Millionen Dollar auf dem Konto des frisch gebackenen Offshore-Investmentfonds ein, der fortan mit gleicher Strategie wie der GoodLuck-Hedgefonds in den USA, und dennoch vollständig unabhängig geführt werden konnte.

Überwiesen worden waren die 20 Millionen von einer Firma namens Caythorpe Holdings, die auf den Britischen Jungferninseln registriert war. Das Geld ließ sich zurückverfolgen bis zu einer kleinen Privatbank in Wien. Die hatte es über die österreichische Raiffeisen Bank International und die über ihre Korrespondenzbank J.P. Morgan bis in den Caythorpe-Briefkasten expediert. Und wirklich niemand in dieser langen Kette soll gewusst haben, dabei für Herrn Abramowitsch tätig gewesen zu sein.

Der soweit beschriebene Waschgang ist bitte nur als Prinzip zu verstehen; die genannten Institute sollten in dieser Hinsicht nicht angesprochen werden. Die österreichische Finanzmarktaufsicht hat die Raiffeisen Bank International vor vier Jahren mit einer Geldstrafe von knapp drei Millionen Euro belegt wegen Verstößen gegen die Dokumentationspflichten zur Prävention von Geldwäsche. Nach Einspruch der Bank setzte das Bundesverwaltungsgericht die Strafe im vergangenen Jahr auf gut 800.000 Euro herab, wie gesagt, wegen mangelnder Dokumentation, wie die Raiffeisen Bank International betont, „den Vorwurf der Geldwäsche oder eines anderen Delikts“ dagegen habe weder das Aufsichtsamt noch das Gericht gegenüber der Bank erhoben.

Der 20-Millionen-Anlage auf Cayman war kein Glück beschieden. Nach der russischen Invasion auf der Krim 2014 spekulierte GoodLuck auf fallende Börsenkurse. Doch die Kurse stiegen. 2015 zog Caythorpe das Geld aus dem Cayman-Fonds zurück. Caythorpe wurde 2017 liquidiert.

Als kluger Investor streut Abramowitsch natürlich seine Anlagen. Die 20 Millionen waren nur eines unter vielen Engagements. Die Finanzmarktaufsicht zählte Hunderte von Transaktionen der Abramowitsch-Briefkastenfirmen allein über die Raiffeisen Bank International. Die größte Einzelüberweisung betrug fast 200 Millionen Euro.

Über die Zahl der Mitarbeitenden, derer es bedarf, um das auf annähernd 15 Milliarden Dollar geschätzte Vermögen von Roman Abramowitsch zu managen, ist nichts zu erfahren. Doch angesichts all der allein an der GoodLuck-Operation von 2012 Beteiligten wird man annehmen dürfen, dass die weltweite Geldwäsche Arbeitsplätze einer ganzen Industrie sichert.

Anmerkung:
Den Artikel „How One Oligarch Used Shell Companies and Wall Street Ties to Invest in the U.S.“ der Autoren Matthew Goldstein und David Enrich veröffentlichte die New York Times am 21. März und in einer aktualisierten Fassung am 5. April dieses Jahres:

Vertreter:innen von Concord Management, von Roman Abramowitsch, von Credit Suisse, von Mourant und von der Wiener Privatbank seien zu keiner Stellungnahme gegenüber der New York Times bereit gewesen. GlobeOp habe lediglich erklärt, alle Gesetze zu beachten. HighWater habe angegeben, nach 2014 mit Concord nicht mehr zusammengearbeitet zu haben.