Verfehlte Hoffnungen

Drei Jahre Tesla in Grünheide

Am 22. März feiert der E-Autobauer Elon Musk in Grünheide den dritten Jahrestag seiner Werkseröffnung – Anlass, die anfangs damit verbundenen Hoffnungen auf eine Beschleunigung der Mobilitätswende, auf eine Entkopplung von industriellem Wachstum und Umweltzerstörung und auf die Schaffung Zigtausender guter Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region Ostdeutschlands auf ihre Realisierung zu überprüfen.

Erste Hoffnung: Die Produktion von Tesla-Autos in Grünheide wird die Verkehrswende hin zu emissionsarmer Mobilität beschleunigen.

Will man überprüfen, ob die in Grünheide produzierten Fahrzeuge einen Beitrag zur Mobilitätswende leisten, sollte man sich nicht nur von den Produktionszahlen leiten lassen. Interessanter ist die Frage, ob Teslas des Typs Y, wie auch vergleichbare Elektro-SUVs anderer Hersteller, tatsächlich zur Einsparung von Treibhausgasen führen. Die aber findet nicht statt, zumindest wenn man nicht nur den Fahrbetrieb betrachtet, sondern den Nutzungszyklus eines Autos einbezieht, darunter auch die Fahrzeugproduktion.

Erstmals belegte dies eine Studie des schwedischen Umweltforschungsinstituts IVL. Zum selben Ergebnis gelangte der Verein Deutscher Ingenieure vor gut einem Jahr. Beiden Analysen zufolge tritt eine CO2-Ersparnis bei E-Autos im Vergleich zu Benzin- oder Dieselfahrzeugen erst nach 200.000 Fahrkilometern ein. Die Lebensdauer der Batterien ihrer Fahrzeuge garantieren die meisten der E-Auto-Produzenten jedoch nur für 160.000 Kilometer. Bis die CO2-Last, die dem Fahrzeug durch die Batterieproduktion aufgebürdet wurde, abgebaut sein wird, wird das Fahrzeug also gar nicht mehr oder aber mit einer neuen Batterie unterwegs sein. Die Behauptung eines Klimanutzens, beruht auf fehlerhaften Annahmen:

1. Der CO2-Ausstoß von Elektrofahrzeugen während der Fahrt wird mit Null veranschlagt. Dies ist unstatthaft, da Ladestrom nicht gänzlich aus Erneuerbaren Energien hergestellt wird.

2. Es wird davon ausgegangen, dass der Strom, der für die Erzeugung der Batterien benötigt wird, mit dem heutigen in Deutschland üblichen Strommix oder künftig mit vollkommen grünem Strom erzeugt wird. Batterien werden aber aus wirtschaftlichen Gründen hauptsächlich in China produziert. Nicht nur ist der Anteil des Kohlestroms im chinesischen Strommix mit 60 Prozent relativ hoch. Die absolute Menge der verstromten Kohle hat sich dort zudem seit 2020 versechsfacht. Kohlendioxid befördert die globale Erderwärmung aber nicht weniger, nur weil es in China und nicht in Deutschland angefallen ist.

Außerdem hat der Schwenk zur E-Mobilität zu immer größeren und schwereren Fahrzeugen geführt. Fahrzeuge mit hohen Reichweiten, wie sie vom Kunden gewünscht und von der Industrie wegen höherer Gewinnmargen produziert werden, benötigen schwere Batterien. Schwere Batterien bedingen vergrößerte Radabstände der Fahrzeuge und aus Sicherheitsgründen schwerere Karosserien.

Die Breite der in Europa neu zu-gelassenen PKW nimmt alle zwei Jahre um einen Zentimeter zu. Betrug der Anteil der erworbenen SUVs im Jahr 2000 nur 3 Prozent, stieg er bis 2022 auf knapp 50 Prozent. Diese Entwicklung wird durch den Umstieg auf batterieelektrische Fahrzeuge befördert.

Elektro-SUVs wie der Tesla Y benötigen nicht nur große Mengen von Rohstoffen wie Aluminium, Nickel, Lithium, Kobalt, Mangan, Kupfer, Graphit und Seltene Erden. Die CO2- Last, die die Batterie eines Tesla Y mit einer Kapazität von 70 Kilowattstunden bei ihrer Produktion erzeugt, beträgt sechzehn Tonnen. Bei einem E-Golf mit einer Batteriekapazität von fünfzig Kilowattstunden beträgt sie nur zehn Tonnen. Und noch andere Umweltschäden werden von schweren Elektro-SUVs erzeugt: Ein zwei Tonnen schweres Fahrzeug wie der Tesla Y führt zu einer sechzehnmal höheren Abnutzung von Asphalt als ein halb so schweres Auto. Ein Benzinauto, das mit drei Litern Benzin auf 100 Kilometern auskommt, erzeugt somit einen viel geringeren ökologischen Fußabdruck als ein E-SUV und beansprucht zudem weniger Raum auf Straßen und Parkflächen.

Zweite Hoffnung: Mit der Produktion von Elektrofahrzeugen gelingt eine Entkopplung von industriellem Wachstum und Umweltzerstörung.

Wird schon das Ziel, durch das Produkt E-Auto umweltschädliche Treibhausgase einzusparen, speziell für große Elektro-SUVs nicht erreicht, addieren sich zusätzlich lokale und durch die benötigten Rohstoffe globale Umweltschäden. Für die Errichtung der Gigafabrik wurden in Grünheide bis zum Frühjahr 2023 500.000 Bäume gefällt. Ein geschlossenes Waldgebiet ging verloren und kann seine Funktion als CO2-Senke nicht mehr erfüllen. Weitere Probleme bringt die Lage der Grünheider Fabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet mit sich. Der Streit mit dem lokalen Wasserversorger um eine Priorisierung der Versorgung Teslas gegenüber Privathaushalten, die Auseinandersetzungen infolge der Verweigerung einer Grundwasserüberwachung unter dem Werksgelände durch eine von Tesla unabhängige Firma und der Protest gegen die ständige und beträchtliche Überschreitung von Grenzwerten im Abwasser ziehen sich durch alle drei Jahre des Betriebes der Fabrik  und spitzten sich zu.

Global erzeugt insbesondere der Lithiumabbau irreversible Schäden in fragilen Ökosystemen, wie den Salzseen der Atacamawüste. Auch der Critical Raw Materials Act der Europäischen Union vom April vergangenen Jahres, der unter anderem eine Verlagerung des Lithiumabbaus nach Europa anstrebt, vermeidet Umweltprobleme nicht. In Serbien wird eine Schädigung des Grundwassers durch einen Lithiumabbau in der Jadar-Mine befürchtet. Die örtlichen Behörden sind nicht in der Lage, die Anwendung rechtsstaatlicher Standards zu gewährleisten. Umweltaktivisten diffamiert der Staatspräsident als Staatsfeinde, Verräter und ausländische Söldner. Sogar Morddrohungen hat es gegeben.

Dritte Hoffnung: In Grünheide werden gute Arbeitsplätze geschaffen.

Die Definition guter Arbeitsplätze sollte die Sinnhaftigkeit der Arbeit einschließen. Automobile zu produzieren, wenn es so schon zu viele Autos auf den Straßen gibt, Rohstoffe zu verbrauchen, wo Rohstoffmangel herrscht, und Trinkwasser zu gefährden, wo auch Trinkwasser ein knappes Gut ist, kann keinen Sinn ergeben. Ein reiner Antriebswechsel bei Individualfahrzeugen, der keines der bestehenden Probleme im Verkehrssektor löst, kann nicht durch das bloße Argument der Schaffung von Arbeitsplätzen Sinnhaftigkeit erlangen.

Auch sind die Arbeitsbedingungen bei Tesla keine guten. Hohe Krankenstände unter der Belegschaft werden von Insidern starker Arbeitsbelastung bei zu geringen Ruhephasen zugeschrieben. Der Stern konnte zwei Journalistinnen ins Werk schleusen. Die konstatierten einen unzureichenden Arbeitsschutz. Der Werksleiter und sein Personalchef bauten mittels unangekündigter Krankenbesuche Druck gegenüber ihren krankgeschriebenen Mitarbeiter:innen auf. Eine für Bewerber:innen um einen Arbeitsplatz bestehende Verpflichtung, mit dem Arbeitsvertrag fünfseitige Geheimhaltungsklauseln zu unterschreiben, wie auch die gängige Überwachung ihrer Mobiltelefone, erzeugt eine Atmosphäre der Angst. Die Erschwerung der Arbeit der Gewerkschaft IG Metall und die Kündigung zweier Betriebsräte vervollständigen das negative Bild.

Menschen aus 150 Nationen, die Unfrieden und Armut in ihren Heimatländern nach Berlin getrieben haben, pendeln von dort in die Grünheider Gigafabrik. Der vorige Wirtschaftsminister Brandenburgs, Jörg Steinbach, deutete dies als Zeichen der Inklusivität und Diversität, die bei Tesla gelebt würden. Wenn aber eine Anstellung bei Tesla für diese Menschen im Zweifelsfall den Unterschied zwischen einer Einbürgerung und möglicher Abschiebung bedeuten kann, stellt das eine starke Motivation dar, auch schlechte Arbeitsbedingungen zu ertragen. 

Elons Pfeife

Die Bilanz fällt negativ aus. Tesla-Grünheide hat keine der Hoffnungen erfüllt. Die Zulieferindustrie und Gewerbe aus der Region profitierten nicht von der Werksansiedlung. Die Reifen des Herstellers Goodyear im benachbarten Fürstenwalde waren Tesla zu teuer. 750 Stellen wird die Firma bis 2027 daher abgebaut haben.

Das ehemals idyllische Lebensumfeld Grünheides ist einer gigantischen Industrieansiedlung gewichen, die die örtliche Infrastruktur hoffnungslos überlastet. Bedürfnisse und Haltung der Bürger:innen spielten zu keinem Zeitpunkt eine Rolle. Ihr Negativvotum bei einer Befragung zu einer geplanten Flächenerweiterung wurde nicht respektiert.

All dies beschädigte das Demokratieverständnis der Menschen. Die Vertreter letztlich aller Parteien buckelten vor Elon Musk. Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke und sein Wirtschaftsminister Steinbach, beide SPD, rollten dem Investor den roten Teppich aus. Das von einem grünen Minister geleitete Umweltministerium mit seinen Behörden missachtete jedes Gesetz, das dem schnellen Baufortschritt Teslas im Wege gestanden hätte. Der CDU-Innenminister ersann Tricks, um eine genehmigte Waldbesetzung durch Klimaaktivisten gewaltsam zu beenden. »Die Linke« hatte primär die geschaffenen Arbeitsplätze im Fokus.

Wenn somit alle demokratischen Parteien dem genialen Investor Musk huldigten, konnte bei der Wahl zum Bundestag nur die Partei profitieren, der Elon Musk huldigt. Bis kurz vor der Wahl war die AfD die einzige Partei, die Wald und Wasser in Grünheide eine Bedeutung beizumessen schien. Inzwischen fordert sie die Politik auf, den Druck auf den regionalen Wasserverband zum Abschluss eines Knebelvertrages mit Tesla zu erhöhen. Wie Musk sich dafür bedanken wird, lässt sich nach den Wahlen in den USA vorstellen. Heidemarie Schroeder ist Anwohnerin Grünheides und Mitglied von Bürgerinitiativen. Am 5. Februar ist ihr Buch »Eine Gigafabrik in Grünheide oder der Albtraum vom grünen Kapitalismus« im Büchner-Verlag erschienen. 200 Seiten für 2