Heinrich Neuhaus in Lunapark21 – Heft 30
ALSTOM ist nicht nur ein Konzern mit einem über 100 Jahre alten industriellen technologisch breitesten Angebot in den beiden Kernbereichen Power und Transport. Durch eine Kette von Fehlentscheidungen ist ALSTOM in eine tiefe Krise geraten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien die folgenden Punkte genannt:
• Die Übernahme des Energiesektors von ABB im Jahr 2000 ohne vertragliche Absicherung. Die von ABB verschwiegenen Probleme mit den großen Gasturbinen führten beinahe zum Bankrott von ALSTOM. Der Konzern musste dann 2003 durch den französischen Staat gerettet werden. Die damalige staatliche Hilfe wurde von der EU nur zähneknirschend gebilligt (Konkurrenten wie Siemens hätten fast ein EU-Veto erreicht). Damit aber wäre es 2014/15 auch äußerst schwierig gewesen, erneut auf Hilfe durch Paris zu setzen.
• Der Verkauf der Staatsanteile an Alstom an den mit Sarkozy befreundeten Multimilliardär Bouygues unterwarf das Unternehmen einer ständigen und hemmungslosen Gewinnabführung (addiert rund 15 Milliarden Euro).
• Der überteuerte Rückkauf des Bereichs Grid von Areva schwächte weiter die Eigenkapitalquote.
• Mit teils grotesken Fehleinschätzungen der Nachfrage wurden unsinnige Personalabbaumaßnahmen begründet und teilweise durchgesetzt.
• Durch Produktionsverlagerungen (z.B. im Generatorenbereich) verlor der Konzern Milliarden.
• Die strategische Bedeutung der Qualität der ALSTOM-Produkte und Dienstleistungen wurde lange Zeit nicht ernst genommen.
• Hinweise auf Probleme im Dampfkesselbereich wurden ignoriert.
All das verursachte Fehlerkosten im Milliardenhöhe. Gleichzeitig wurde der Aufbau von Kapazitäten und Fähigkeiten im Bereich der regenerativen Energieerzeugung nur halbherzig vorangetrieben oder er fand deutlich zu spät statt. An der Zulieferung konventioneller Dampfturbinen für die tödliche Atomenergie wurde festgehalten.