Winfried Wolf. Lunapark21 – Heft 28
Das Wachstum, das die chinesische Ökonomie noch in den ersten eineinhalb Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts erlebte, ist in diesem Zeitraum weltweit einmalig. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs 1996 bis 2005 im Durchschnitt um jährlich 9,2 Prozent. Das indische BIP wuchs in diesen Jahren um 6,1 Prozent pro Jahr. Im Zeitraum 2004 bis 2007 gab es in China nochmals eine Steigerung auf Jahresraten bis zu 12,8 Prozent (siehe Grafik 2). Der Rückgang, der mit der weltweiten Krise 2008/2009 erfolgte, war, gemessen an dem Einbruch in anderen Ländern, gering. Gemessen am vorausgegangenen Wachstum aber doch erheblich.
Nach der Krise gab es 2009 bis 2011 nochmals Wachstumsraten zwischen 9 und 10 Prozent. 2012 und 2013 waren es jeweils 7,7 Prozent. 2014 „nur“ noch rund 7,5 Prozent. Für die Jahre 2015 und 2016 wird ein weiterer Rückgang des Wachstums prognostiziert. Die Daten für das BIP zeigen meist eher gemäßigte Ausschläge nach oben und unten, da verschiedene BIP-Komponenten wie der Staatshaushalt oder die Einkommen der Beschäftigten wenig Flexibilität aufweisen. Deutlicher wird der konjunkturelle Verlauf nach oben und unten mit (siehe Grafik 1), die allein die industrielle Produktion abbildet. Danach liegen die Wachstumsraten 2012 bis 2014 nur noch knapp halb so hoch wie 2011.
Wenn hier von sozialen Aspekten abgesehen wird (immerhin gibt es in jüngerer Zeit wieder eine Zunahme von Streiks in der VR und es gab die Demokratie-Bewegung in Hongkong) dann gibt es in China im Wesentlichen drei spezifische mögliche Krisenfaktoren:
Erstens die erhebliche Abhängigkeit von der US-Konjunktur und der Zahlungsfähigkeit der USA. Die USA sind der wichtigste Handelspartner Chinas. Dabei gestalten sich die Austauschbeziehungen zunehmend einseitig. Das bilaterale Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China betrug 2014 rund 350 Milliarden US-Dollar; es ist seit der Krise um 40 Prozent gestiegen. Gleichzeitig halten China und Hongkong inzwischen einen gigantischen Schatz mit US-Staatsanleihen im Wert von 1400 Milliarden US-Dollar. China muss auf absehbare Zeit ein Interesse daran haben, dass es der US-Wirtschaft gut geht.
Zweitens das undurchsichtige Finanzsystem in China. Da der regulierte Bankensektor mit dem schnellen BIP-Wachstum nicht Schritt hielt und die Regierung in Peking aus Furcht vor einem Crash immer wieder bei der Kreditvergabe der Staatsbanken auf die Bremse trat, entwickelte sich ein riesiger Sektor nicht regulierter Banken, sog. Schattenbanken. Dessen Kreditvolumen expandiert weit schneller als das BIP wächst. Es soll inzwischen bei 70 Prozent des BIP liegen. 2010 waren es nur knapp 40 Prozent. Unternehmenspleiten wie die von Shanxi Platinum in Taiyuan im Dezember 2014 verdeutlichten die Gefahr, die von diesem Sektor ausgeht (Financial Times 5.12.2014).
Drittens (und eng mit der Entwicklung der Schattenbanken zusammenhängend) gibt es einen gewaltigen Immobilienbauboom mit massiv steigenden Häuserpreisen und einer größer werdenden Immobilienblase. Nach chinesischen Angaben liegen die Profite bei den Immobilien-Entwicklungsgesellschaften bei 15 Prozent – gegenüber drei Prozent in der Industrie (Global Business 29.9.2014).