Rezension: Karl-Heinz Roth, „Griechenland – was tun?“

Aus Lunapark21 – Heft 19

Karl Heinz Roth hat erstmals im Mai ein 95 Seiten dünnes, inhaltlich umso stärkeres Büchlein zur Krise in Griechenland vorgelegt. Es erscheint bereits in zweiter Auflage, bei welcher die Ergebnisse der Wahlen vom Juni 2012 und die Bildung der neuen Regierung unter Antonis Samaras Berücksichtigung finden. Ausgaben in englischer und in griechischer Sprache befinden sich in Vorbereitung.

Roth analysiert die wirtschaftliche Krise in Griechenland zunächst „im Sog der Weltwirtschaftskrise“, ohne dabei immanente Krisenfaktoren und die Verantwortung der in Griechenland herrschenden Kreise und diejenige der beiden maßgeblichen Parteien PASOK und Nea Dimokratie auszuklammern. Detailliert beschrieben werden die verschiedenen „Austeritätsprogramme“ und ihre fatale, die Abwärtsspirale beschleunigende Wirkung. Die Troika wird als Instrument einer neu errichteten Zwangsverwaltung für diesen EU-Staat charakterisiert. In enormer Detailtreue werden die unterschiedlichen Stufen einer Entwicklung nachgezeichnet, bei der EU und IWF vor allem auf Zeit spielten, damit die privaten Banken ihre Engagements in Griechenland weitgehend eliminieren und zugleich faule Kredite auf die Steuerzahler in der Eurozone verlagern konnten. In der frühen Phase dieser Umstrukturierungen hätte, so Roth, die damalige Regierung Papandreou durchaus eine Chance auf weitgehende Annullierung der Schulden bei gleichzeitigem Ankurbeln der Binnenökonomie gehabt. Diese Chance wurde – ganz offensichtlich im Einvernehmen zwischen Athen und Berlin – gezielt verspielt. Entsprechend existieren heute faktisch keine Spielräume mehr für eine eigenständige griechisch-bürgerliche Bereinigung oder wenigstens Milderung der sozialen und ökonomischen Krise. Ohne dass der Autor es ausspricht, scheint die Entwicklung darauf hinauszulaufen, dass Griechenland am Ende doch aus dem Euro gedrängt und in eine noch tiefere Misere gestoßen wird. Als Ausweg skizziert Roth ein linkes Programm, wie es in Ansätzen von SYRIZA vertreten wird, das jedoch nur im Rahmen einer transnationalen Perspektive und EU-weiten Solidarität von unten Chancen auf Erfolg hat. Wichtig insbesondere für deutsche Leserinnen und Leser: Roth geht zwar erst im hinteren Teil auf die deutsch-griechische Geschichte ein. Er sieht jedoch diese Geschichte der NS-Besatzung in Griechenland einerseits als Faktor, der die Rigorosität der deutschen Position heute mit erklärt, und andererseits als Element, das die Linke in Deutschland mit zu berücksichtigen hat. Im übrigen seien die Erfahrungen mit der DM-Einführung in Ostdeutschland maßgeblich für das brutale Programm einer Euro-Einführung gewesen. Den LP21-Leserinnen und Lesern dringend zur Lektüre empfohlen – verbunden mit der Bitte an den Verlag, bei einer dritten Auflage doch zumindest einen Bogen, 16 weitere Seiten, für „Pädagogik“ (ergänzende Kästen; eine Chronik am Ende des Buchs usw.) zu spendieren. WW.

Karl Heinz Roth, Griechenland: was tun? – Eine Flugschrift, VSA, Hamburg 2012,  2. Auflage, 9,90 Euro.

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