Vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts ins Chaos

Seit Februar 1999 baut die PSUV (Sozialistische Partei Venezuelas) unter Hugo Chavez und jetzt Nicolás Maduro in Venezuela die Gesellschaft um.

Zuletzt, bei den Parlamentswahlen 2015, haben ihnen die WählerInnen jedoch die Gefolgschaft verweigert und mit mehr oder weniger 2/3 der Sitzen der Opposition eine komfortable Mehrheit im Parlament verschafft. Die PSUV und Maduro zogen hieraus die Konsequenz das Parlament einfach zu ignorieren und mit Präsidial-Dekreten weiter zu regieren.

Um das Parlament aufzulösen und somit der Opposition ihre Legitimation zu entziehen, wurde am vergangenen Sonntag ein Referendum für eine sog. verfassungsändernde Versammlung abgehalten.

Hier fand jedoch schon im Ausgangspunkt keine Wahl nach dem Prinzip ein Mensch eine Stimme statt. Von den gesamt 545 Sitzen waren 173 Sitze VertreterInnen aus gesellschaftlichen Organisationen, die der PSUV nahestehen und 8 Sitze indigenen VertreterInnen vorbehalten. Die übrigen VertreterInnen werden nicht entsprechend den bestehenden Wahlkreisen gewählt, sondern nach dem Prinzip jede Gemeinde ein Sitz, so dass ländliche Gemeinden, die eher zur PSUV tendieren, weit überrepräsentiert sind.

Die in sich zerstrittene Opposition entschloss sind, wie schon einmal bei einer Parlamentswahl, zum Wahlboykott. Die PSUV behauptet jetzt eine Wahlbeteiligung von 41,53 %, die Opposition eine von 12 %. Die Wahrheit, die nie zu ermitteln sein wird, liegt irgendwo dazwischen.

Da nur KandidatInnen der Regierung gewählt wurden, entsprechen 41,35 % ca. 8 Millionen Stimmen, das ist eine Million mehr als bei der Wahl von Maduro zum Präsidenten 2013 oder 2,4 Millionen mehr als bei der Parlamentswahl 2015.

Angesichts der rapide bröckelnden Zustimmung zur Herrschaft der PSUV eine völlig unglaubwürdige Zahl. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die PSUV auch heute noch einen relevanten Teil der Bevölkerung hinter sich hat. Insofern ist auch die Zahl der Opposition reine Propaganda.

Wie sehr Venezuela zwischenzeitlich polarisiert, sieht mensch daran, dass die rechten Regierungen Lateinamerikas die Abstimmung nicht anerkennen (Mexiko, Kolumbien, Panama, Argentinien, Costa Rica, Paraguay, Peru), während die linken sie anerkennen (Bolivien, Kuba, Nicaragua).

Über Lateinamerika hinaus ergibt sich das entsprechende Bild: die USA, Spanien und andere EU-Ländern erklären die Wahl zur Farce, während Russland Maduro seine Unterstützung ausgesprochen hat.

Die Entwicklung läuft auf einen Bürgerkrieg und weiteres Blutvergießen zu. Bisher sind bereits mehr als 100 Menschen bei den Protesten gestorben. Auch die Armen und die untere Mittelschicht werden sich weiter von der PSUV abwenden, wenn diese eine Mindestversorgung nicht mehr garantieren kann. Eine Situation die teilweise schon erreicht ist und sich weiter zuspitzen wird. Die PSUV hält sich also mehr und mehr nur noch durch reine Gewaltausübung an der Macht.

Kommt die rechte Opposition an die Macht, wird es nur eine kurze, kreditfinanzierte Atempause geben, die mit den üblichen IWF-Auflagen einher geht und die Lage der Armen noch weiter verschlechtern wird, wie in Argentinien nach zwei Jahren Macri-Regierung gut zu sehen ist.

Zwei Beteiligte haben eine Schlüsselstellung inne: das Militär, das noch an der Seite der PSUV steht, diese aber wechseln wird, wenn es seine Privilegien nicht gewahrt sieht. Und die USA, die Venezuela ohne große Probleme in den Abgrund stoßen könnten, in dem sie den Öl-Import beenden und damit sofort 70 – 80 % der Einnahmen Venezuelas kappen würden. Der Regierung der USA bevorzugt es aber offensichtlich ein im Bürgerkrieg befindliches Venezuela als Negativ-Beispiel des Sozialismus für seine Propaganda zu benutzen, als ihm mit rein ökonomischen Mitteln den Todesstoß zu versetzen. Die verhängten Sanktionen haben rein symbolischen Charakter.

 

Thomas Fruth ist Mitglied der Redaktion von Lunapark21

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