Krieg den Palästen

 

Die Meldung kam über Chronik-Redaktionen zum lesenden Publikum. Ich selbst erfuhr davon aus der Gratiszeitung „heute“, die täglich in Wiens U-Bahn-Stationen an eigens dafür installierten Metallboxen aufliegt und massenweise durchgeblättert wird. Die sogenannte Qualitätspresse nahm von dem Ereignis kaum Notiz, dem „Spiegel“ war es gleichwohl eine Meldung wert.

Dem Großinvestor Nicolas Berggruen wurden innerhalb von wenigen Wochen eine Tochter und ein Sohn geboren. Die dahinterstehende Vielweiberei hat nichts mit einem unsteten, dandyhaften Privatleben zu tun und erklärt sich auch nicht mit religiösen Gründen. Berggruen entstammt keiner moslemischen Familie und ist auch kein überzeugter Mormone, der zum Gesetzesbruch bereit wäre, sein Hintergrund ist jüdisch. Die beiden Frauen, die die Kinder fast zeitgleich zur Welt brachten, wurden gekauft, besser gesagt: Berggruen mietete sich zwei Uteri für den Vorgang der Schwangerschaft und des Gebärens.

Geschätzte 100.000 Dollar hat der geschäftlich in fast allen Sparten tätige Milliardär in seine spezielle Art der Reproduktion gesteckt. Das Gesetz in Kalifornien behandelt Leihmütterschaften wie jedes andere Geschäft. Wer es sich leisten kann, kauft sich Kinder von der Stange, die juristischen Fragen werden im Gesamtpaket solcher Angebote gleich mitgelöst; weshalb Berggruen mit stolz geschwellter Brust und frivolem Unterton vor die Presse gehen konnte und verkündete: „Ich bin die Mutter und der Vater“. Die Kinder werden von entsprechendem Personal auf einem seiner Anwesen großgezogen.

Was diese Geschichte im Blog einer „Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie“ zu suchen hat? Ich denke, einiges. Sie führt in gleichsam idealtypischer wie extremer Form vor Augen, in welchem Ausmaß die Gesellschaften auf dieser Welt sozial auseinanderdriften. Und sie zeigt, dass Kapital alles kommodifiziert, bis hinein in die Gebärmutter der Frau.

Nicolas Berggruen wird dieser Tage 55 Jahre alt. Die Reichenliste von Forbes weist ihn mit einem geschätzten Vermögen von 1,5 Mrd. US-Dollar aus. Zu seinem Firmengeflecht zählen auf Direktinvestitionen spezialisierte Finanzholdings, Medienkonzerne, Versicherungsgesellschaften, Hotelketten, Schul- und Erziehungsanstalten, Immobilien und Energiebetriebe. Gerne lässt er sich als philanthropischer Sponsor feiern und betreibt anscheinend nebenbei transatlantisch tätige Think Tanks wie das „Berggruen Institute on Governance“ oder den „Council for the Future of Europe“. Mit ihnen lässt er liberal-aggressive Interventionen in Gesellschaft und Politik betreiben und schmückt seine Institute gleichzeitig mit dem beliebten „N“ vor dem NGO.

Es gibt nur wenige Plätze auf der Welt, in denen die Käuflichkeit von Schwangerschaften ein legales Geschäftsmodell darstellt. Neben Kalifornien, wo Berggruen damit Mutter und Vater in einem geworden ist, zählen Indien und die Ukraine dazu. In Indien sind Leihmütter schon ab 5000.- US-Dollar im Angebot.

Ich selbst bin Nicolas Berggruen nur einmal in Boston begegnet. Dort gab er auf der Harvard-Universität den Sponsor einer hochrangig besetzten Veranstaltung für die nächste Generation US-amerikanischer Außenpolitiker. Neben ihm traten Mario Monti (EU-Kommissar, italienischer Ministerpräsident, Trilaterale Kommission, Bilderberger, Goldman Sachs, Coca Cola) und Carl Bildt (Schwedischer Ministerpräsident, Außenminister, Kolonialverwalter Bosnien-Herzegowinas, Rand-Cooperation, Poroschenko-Berater) auf. Die drei erklärten den ausgewählten JungakademikerInnen, wie sie die Krise in der Ukraine zu managen gedenken.