Hitler & Großkapital

Eine Dokumentation von meist geheimen Treffen zwischen Nazi-Größen und Wirtschaftsbossen 1932/33
Lunapark21 – Heft 21

In den aktuellen Medien-Beiträgen zum Thema „30. Januar 1933“ wird die Errichtung des faschistischen Regimes, die an diesem Tag mit der Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg stattfand, weitgehend mit einer Verblendung der Wählerinnen und Wähler und teilweise auch einer gewissen Naivität der bürgerlichen Politiker „erklärt“. Im viel besuchten Wikipedia-Eintrag mit Stichwort „Machtergreifung“ heißt es sogar: „Der Regierungsantritt Hitlers war dem Recht der Weimarer Republik nach legal (…) ebenso wie die Reichstagswahl vom 3. März 1933.“ Hier wie in den meisten Rückblicken bleiben die Konzerne und Banken außen vor.

Demgegenüber schrieb der Sozialwissenschaftler Reinhard Opitz: „Wer vom 4. Januar 1933 nicht reden will (…) der soll auch vom 30. Januar 1933 schweigen.“ Er widersprach damit der Behauptung, die Machtergreifung habe sich primär auf politischem Gebiet abgespielt und die Vertreter von Konzernen und Banken seien dabei vor vollendete Tatsachen gestellt.

Die NSDAP wurde bereits in der Zeit vor September 1930, als sie eine 2-Prozent-„Splitterpartei“ war, von führenden Industriellen unterstützt (u.a. von Thyssen). Am 6. Januar 1928 – also vor der Weltwirtschaftskrise! – rief ein „Bund zur Erneuerung des Deutschen Reichs“, getragen von Top-Industriellen wie Thyssen, Krupp, Siemens und Bosch zur Schaffung des „Dritten Reichs“ auf, das „die gesamte Nation in gesunder Gliederung zusammenschließt“. Damit wurde die Beseitigung der bürgerlichen Demokratie gefordert.

Nach dem NSDAP-Wahlerfolg vom September 1930 (18,3%) gab es bei den führenden Vertretern der deutschen Wirtschaft eine förmliche Unterstützungswelle für die Nazis. Unter anderem wurde der ehemalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht Top-Berater der NSDAP; er organisierte Millionen-Reichsmark-Spenden aus dem deutschen Big Business.
Ein gutes Jahr vor der „Machtergreifung“, am 27.1.1932, sprach Hitler im „Düsseldorfer Industrieclub“ auf Einladung der führenden deutschen Konzern- und Bankenchefs. Er bezeichnete dabei die Beseitigung des parlamentarischen Systems als Voraussetzung für die Überwindung der Wirtschaftskrise. Die große Mehrheit der Top-Leute der Wirtschaft nahm die Rede zustimmend auf.

Am 19.11.1932 wandten sich 20 führende Vertreter aus Industrie, Bankensektor und Landwirtschaft an Reichspräsident Paul von Hindenburg mit der Forderung, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen („Industrielleneingabe“).
In den ersten vier Wochen des Jahres 1933, die der „Machtergreifung“ direkt vorausgingen, gab es mehr als ein Dutzend geheime Treffen zwischen Hitler und anderen NSDAP-Führen mit fast allen wichtigen Vertretern der deutschen Wirtschaft. Das wohl wichtigste fand am 4. Januar 1933 in Köln zwischen Hitler, von Papen (ehem. Reichskanzler; Ex-Zentrumspartei) und dem Bankier von Schröder in Köln statt.

Weitere wichtige geheime Treffen zwischen NS-Führern und Wirtschaftsbossen in den Wochen vor der „Machtergreifung“:

5.1.: Hitler bei Albert Vögler (Vereinigte Stahlwerke) und Fritz Springorum (Hoesch Stahlkonzern)
7.1.: Hitler, Heß und Göring bei Emil Kirdorf (Gelsenkirchener Bergwerks AG)
10.1.: Wilhelm Keppler (Kontaktmann der NSDP zum Big Businss) und Himmler (SS) bei Joachim von Ribbentrop (Henkel Sekt) zur Vermittlung eines weiteren Gesprächs Hitler/Papen, das dann bereits in der Nacht vom 10. auf den 11.1. am selben Ort (Villa Ribbentrop Berlin-Dahlem) stattfand // 15.1.: Hitler und Papen treffen sich in Oeynhausen
17.1.: Treffen Hitler mit Alfred Hugenberg (Chef der rechten Partei DNVP; A.H. kontrolliert 1600 Zeitungen und damit die Hälfte der deutschen Presselandschaft)
18.1.: Treffen Hitler/Papen/Ribbentrop zur Frage, wie der Reichspräsident zur Ernennung Hitlers als Reichskanzler gewonnen werden kann
25.1. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (Stahlkonzern) spricht sich in einem Brief an Hindenburg für Hitler als Reichskanzler aus.

Aus den Gesprächen zwischen dem 5. und dem 8. Januar resultierte ein Finanzierungskonsortium für die NSDAP unter Führung von Springorum und Vögler, das auf ein SS-Sonderkonto beim Bankhaus J. H. Stein eine Million Reichsmark (heute rund 35 Millionen Euro) als Wahlkampfhilfe überwies.

Vier Tage nach der „Machtergreifung“ traf sich Adolf Hitler mit der Führung der Reichswehr. Am 20. Februar gab es ein (erneut geheimes) Treffen Hitlers mit 25 führenden Bossen aus dem Bankensektor, der Industrie und der Rüstungsindustrie. Diese spendeten 3 Millionen Reichsmark für den NSDAP-Wahlkampf zur Reichstagswahl am 5. März 1933, über die Hitler sagte, es werde „die letzte“ sein, in deren Vorfeld kommunistische Organisationen verboten wurden und in Nohra, Thüringen, das erste „Konzentrationslager“ errichtet wurde und von der es bei Wikipedia heißt, sie sei eine „legale“ Wahl gewesen.

LP21-Redaktion. Daten nach: Reinhard Opitz, Liberalismus – Faschismus – Integration, Bd. II, Faschismus, Marburg 1999, v.a. S. 278ff

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