Pandora Papers: Weißwäsche des westlichen Finanzsystems

Es fehlen die wichtigsten Finanzoasen und deren Nutzer

Das Internationale Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) hat mit Hunderten Journalisten aus 117 Staaten über mehrere Monate 11,9 Millionen Dokumente zusammengestellt: In Tausenden von Briefkastenfirmen in einem Dutzend Steueroasen verheimlichen demnach 330 Staats- und Regierungschefs, sonstige Politiker, Sport- und Kulturprominente ihre Aktivitäten wie Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Betrug, und einige Tausend Geschäftsleute und Milliardäre tun Ähnliches. Ob es sich um Gesetzesverletzungen handelt, ist unklar. Da müssten nun Staatsanwälte ermitteln.

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Mit Lindner in die Verlängerung

Systemische Krisen und die Rolle der FDP

Die Bestimmung von Artikel 65 des Grundgesetzes, wonach der Bundeskanzler die Grundlinien der Politik bestimmt, dürfte für die Dauer der Ampel-Koalition außer Kraft gesetzt sein. Stattdessen stehe dies dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner zu. Er selbst sieht das zumindest so, und offenbar kann er es sich herausnehmen: als der Mann, der zusammen mit den Grünen darüber entscheidet, welche Regierung zustande kommt und welche nicht, und nun darüber wachen müsse, dass das Kapital dabei nicht zu Schaden kommt.

Das Erstaunen über den Wiederaufstieg der FDP ist gegenwärtig ähnlich groß wie 2013 die Schadenfreude über ihr Ausscheiden aus dem Bundestag. Beide Ereignisse stehen in einem gewissen Zusammenhang miteinander.

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Boykott und Pandemie

Kubas Gesundheitswesen im Stresstest

Ohne Geld kein Arzt. Wer krank wurde und medizinische Hilfe benötigte, musste zahlen können. Die Gesundheitsversorgung auf Kuba war bis 1959 keinen Deut besser als in den anderen lateinamerikanischen Ländern. Die wenigen Ärzte arbeiteten vorwiegend in den Städten, die Betreuung der ländlichen Bevölkerung war praktisch inexistent. Als die Revolutionäre mit der Verstaatlichung und Umstrukturierung der Medizin begannen, verließen innert eines Jahres die Hälfte der Ärzte die Insel in Richtung Florida.

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Die Menschen machen ihre Geschichte selber.

Filmreihe Afghanistan: Das verwundete Land.

Eine Empfehlung

Alles begann 2001 – so fingen viele Berichte über Afghanistan und die Niederlage gegen die Taliban an. Dabei hat es selbstverständlich gar nicht erst vor zwanzig Jahren angefangen mit den Anschlägen am 11. September 2001 und der Reaktion der USA und der NATO darauf. Sondern viel früher – wie uns die vierteilige NDR/arte-Produktion Afghanistan Das verwundete Land von 2020 eindrücklich schildert, die mit den Modernisierungsbestrebungen des afghanischen Königreiches seit 1933 beginnt.

Für alle, die sich für die Kritik der globalen Ökonomie interessieren, beginnt der Bürgerkrieg vielleicht 1973 in Kabul, als die Jungs und Mädchen mit langen Haaren, Schlaghosen und kurzen Röcken, die wir in historischen Filmaufnahmen tanzen sehen, in den Hochschulen Kabuls den Marxismus-Leninismus ausriefen. Nach dem Sturz des aufgeklärten Königs Mohammed Zahir Schah durch seinen Cousin 1973 übernahm im April 1978 die marxistisch-leninistische Demokratische Volkspartei (DVP) aus Furcht vor einem Verbot selbst die Regierung. Von Kabul aus sollte der Sozialismus durchgesetzt werden mit Landreform und Gleichberechtigung aller, mit Bodenreform und allen Einrichtungen des sowjetischen Vorbildes – insbesondere einem starken Geheimdienst, der bei den Kämpfen der Fraktionen der DVP Khalq und Parcham immer eine wichtige Rolle spielte.

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Doppelte Agenda und halbe Lunge

Sahra Wagenknechts jüngstes Buch „Die Selbstgerechten“

Kultureller Snobismus gehörte Ende des 19. Jahrhunderts zum Habitus einiger Angehöriger der Oberklassen, die sich über deren platten Materialismus erhaben fühlten, sich allerlei Abweichungen von den offiziellen Normen leisteten und deshalb als freisinnig galten. Hierher gehörte die Figur des Dandy, zum Beispiel Oscar Wilde.

Sahra Wagenknecht hat nun beobachtet, dass solche Haltung sich heute nicht mehr nur bei den schwarzen Schafen der Plutokratie, sondern auch in der arrivierten akademischen Mittelschicht finde. Es gebe eine „Lifestyle-Linke“, die, materieller Sorgen ledig, ihre Privilegien als selbstverständlich voraussetze und den Menschen, die der unteren Mittelschicht oder der Arbeiterklasse angehören, vorschreiben wolle, wie sie zu leben und zu denken haben. Das seien „die Selbstgerechten“, deren Einstellung sogar von den prekären Teilen der akademischen Mittelschicht übernommen werde.

Thomas Piketty hatte bereits in seinem 2019 erschienenen Werk „Kapital und Ideologie“1 konstatiert, die linken Parteien hätten sich akademisiert und sich dabei von ihrer sozialen Basis, den arbeitenden Unterschichten, entfernt. Deshalb wählten diese mittlerweile in erheblichen Teilen rechts.

„Die Selbstgerechten“ erinnert an den Titel eines anderen Buches: „Die Abgehobenen“ von Michael Hartmann. Dieser meint die Wirtschafts- und Politik-Eliten, Wagenknecht hingegen eine in einem kleinen Segment der Mittelschicht anzutreffende Attitüde, und zwar in einigen wenig bedeutenden geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern der Universitäten und in den Feuilletons.

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„Eine ganz neue Welt“ „Erkunden“ meint ausbeuten

Der Tiefseebergbau als neue Bedrohung

Anfang März hat das Projekt fair oceans des Bremer Vereins für Internationalismus und Kommunikation (IntKom) einen Aufruf verbreitet, der für eine zivilgesellschaftliche Initiative gegen den geplanten Tiefseebergbau wirbt.1 Hauptforderung: ein definitiver Stopp derartiger Pläne statt nicht endender Debatten über absehbar ins Leere laufende Moratorien. Zugleich kritisiert der Aufruf entschieden jeden Versuch, den Abbau unterseeischer Bodenschätze als notwendigen Beitrag zum Klimaschutz (!) zu rechtfertigen. – Tiefseebergbau: Wer will das, wer braucht das?

Ein kurzer Rückblick: Begonnen hat der Wettlauf um die Ressourcen der Meere schon 1973, als die UNO ihren dritten Versuch startete, ein internationales Regelwerk zur Meerespolitik zu schaffen. Erst 1982 konnte die UN-Seerechtskonvention (United Nations Convention on the Law of the Sea – UNCLOS) endlich verabschiedet werden2, brauchte aber weitere zwölf Jahre bis zum Inkrafttreten 1994. UNCLOS regelt in Grundzügen nicht nur den Seeverkehr, die Fischereirechte, den Meeresumweltschutz oder die Hoheitsgrenzen auf See: Die Meeresbodenschätze der Hohen See wurden zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit“ erklärt und auf Jamaika die International Seabed Authority (ISA) als UN-Behörde zur Verwaltung dieses Gemeinguts etabliert.

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Versorgungsschock und Neuordnung der Lieferketten

Unter dem Schock der Engpässe bei der Versorgung mit Masken und medizinischer Schutzausrüstung äußerten westliche Politiker aller Couleur in den vergangenen Monaten Zweifel an der Sinnhaftigkeit globaler Güterketten. “Es ist Wahnsinn, wenn wir unsere Ernährung, unseren Schutz, die Fähigkeit, unser Leben zu gestalten, in fremde Hände legen. Wir müssen wieder die Kontrolle übernehmen”, so der französische Präsident Emmanuel Macron im März 2020. Die Re-Nationalisierung oder Re-Regionalisierung strategischer Produkte erschien als Gebot der Stunde, die Verkürzung der Lieferketten die Voraussetzung, um nicht von unzuverlässigen Zulieferern oder logistischen Störungen abhängig zu sein. Am 28.11. unterbreitete EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas die Vorschläge zur Versorgungssicherung. „Wir wollen in der Lage sein, uns selbst zu versorgen und nicht von anderen abhängig sein“. Der Weg zur „offenen strategischen Autonomi e“ bedeute nicht, alles selbst zu produzieren, sondern Lieferquellen zu diversifizieren und Lager anzulegen.

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Corona-Krise und tektonische Verschiebungen

Die Global 500 im Jahr 2019/20

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es massive Veränderungen in der Struktur der Weltwirtschaft. Diese laufen in erster Linie darauf hinaus, dass die ökonomische Vorherrschaft der USA zunächst in Frage gestellt und relativiert wurde. Mit der Corona-Krise des Jahres 2020 wird sie gebrochen. Die Präsidentschaft von Donald Trump war ein Versuch, diesen Niedergang zu stoppen – unter anderem, indem er chinesische Importe mit Strafzöllen belegte und Druck auf die Bündnispartner Japan, Australien und in der EU ausübte, die Zusammenarbeit mit dem chinesischem IT-Konzern Huawei einzuschränken. Joe Biden als US-Präsident setzt diesen Kurs fort – und wird vor allem die militärische Bedrohung gegenüber China erhöhen. Der Konkurrenzkampf um die Hegemonie in der Weltwirtschaft ist nicht nur brandgefährlich für den Weltfrieden. Sie beschleunigt auch die Weltklimakrise.

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Pelzhändler und Kosmographen

Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799), Physiker und Philosoph in Göttingen, notierte 1789 in einem seiner „Sudelbücher“ folgende Überlegung: „Die Kosmographen werden freilich keine nordwestliche Durchfahrt finden, aber die Pelzhändler, man würde selbst in philosophischen Dingen sehr viel weiter sein, wenn man die Untersuchungen so einrichten könnte, dass der Gewürz- oder Pelzhandel dadurch befördert würde.“*

Diese Zeilen können verschiedenartig interpretiert werden: 1. als Lobpreis der Marktwirtschaft, 2. als eine Vorwegnahme des Historischen Materialismus. Ad 1: Lichtenberg beobachtet, dass das Profitmotiv eher zu neuen Erkenntnissen führen kann als Grundlagenforschung oder dass Letztere durch Ersteres eher auf den Weg zu bringen ist als durch ausschließlich wissenschaftlichen Antrieb.

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