Ist Wachstum zukunftsfähig – wie viel ist genug?

Marxismus war ursprünglich nicht zuletzt Wachstumskritik

Referat im Rahmen der Ringvorlesung: „Ist Wachstum zukunftsfähig? Wie viel ist genug“, organisiert vom Arbeitskreis „Plurale Ökonomik Hamburg“. An der Hamburger Universität gehalten am Donnerstag, dem 17. November 2022.[1]

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Der Milchzahntiger

Am 1. Januar 2023 wird das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft treten

Das Lieferkettengesetz stellt einen weiteren Versuch dar, Wirtschaft und Menschenrechte in Einklang zu bringen. Die Vorgeschichte reicht weit zurück.

Schon die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ vom 10. Dezember 1948 – eine nicht bindende Resolution der Uno-Vollversammlung – beschränkte sich nicht auf die klassischen bürgerlichen Rechte wie Meinungs- und Informationsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, sondern enthielt wichtige wirtschaftliche und soziale Aspekte. In ihren Artikeln 22 bis 26 geht es um das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Arbeit bei gleichem Lohn, das Recht auf Bildung.

Auch über 70 Jahre nach ihrer Verabschiedung werden diese Rechte wohl in keinem Land der Erde umfassend garantiert, denn profitorientiertes Wirtschaften und die Respektierung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte stehen zueinander im Widerspruch. Zu verbreitet ist das Prinzip der Privatisierung der Gewinne und Vergesellschaftung der Kosten.

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Die kommende Krise und ihr schwächstes Glied in der EU

Italiens Wirtschaft ist von Deindustrialisierung gekennzeichnet

Bereits vor der Wahl in Italien kamen an den europäischen Finanzzentren Erinnerungen an die Eurokrise der Jahre 2008/2009 und an die Griechenlandkrise von 2015 auf. Dabei ist deutlich: Eine Italien-Krise würde weit mehr Sprengstoff bieten als das, was wir vor rund einem Jahrzehnt erlebten.

Die griechische Bevölkerung zählt heute 10,6 Millionen – auf dem Höhepunkt der Krise waren es eine gute halbe Million mehr, wobei dieser Rückgang auch Ergebnis der Krise und der Troika-Politik als Reaktion auf diese Krise ist. Der Anteil der griechischen Bevölkerung an derjenigen der EU entspricht rund 2,4 Prozent. Noch wichtiger: Das griechische Bruttoinlandsprodukt macht nur 1,3 Prozent des EU-BIP aus. Diese Relationen bildeten eine wesentliche Grundlage dafür, dass 2015 die EU dem Land und dessen linker Regierung ein brutales Sparregime aufzwingen und Millionen Menschen in bittere Armut und Hunderttausende ins Exil treiben konnte. Eine solche Politik kann sich die EU gegenüber Italien schlicht nicht leisten. Das wurde bereits am Tag vor der Wahl deutlich, als die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, auf die Frage, ob sie „Sorgen“ wegen eines absehbaren rechten Wahlsieg in Italien habe, antwortete, die EU habe ihre „Richtlinien und Werkzeuge“. Was böse Erinnerungen an die Folterwerkzeuge aufkommen ließ, die die EU gegenüber Griechenland zum Einsatz gebracht hatte.

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Kein neuer “Marsch auf Rom”, aber fortgesetzter Demokratieabbau

Italien hat gewählt – aber welche Wahl hatte die Bevölkerung?

Nur knapp zwei heiße Sommermonate lagen zwischen dem unerwarteten Rücktritt Mario Draghis und dem Termin für Neuwahlen. Er war 2020 angetreten, um das Land durch die schwere Corona-und Wirtschaftskrise zu führen, entzog sich aber der zunehmend konfliktschwangeren Lage seines Landes am 14. Juli 2022 auf ungewöhnliche Weise: Er reichte seinen Rücktritt ein, obwohl das Parlament ihm das Vertrauen bestätigt hatte.

Da war schon absehbar, dass das rechte Lager eine Neuwahl gewinnen würde. Unterstützt wurde diese Aussicht auch durch die sofortige Weigerung des stärksten politischen Gegners, Enrico Letta (PD), ein breites Gegenbündnis aller Oppositionsparteien aufzustellen, um „die faschistische Gefahr “zu bannen. (Das nationale Befreiungskomitee CLN gegen die Nazifaschisten umfasste 1944/45 immerhin alle Kräfte von Kommunisten bis zu Monarchisten).

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Zbigniew Brzeziński – Die einzige Weltmacht

25 Jahre alte, hochaktuelle Skizze für die Politik zum Erhalt der US-Hegemonie

Der ehemalige Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jimmy Carter verfasste 1997 ein Buch, das in der Original-Fassung noch den aufschlussreichen Titel „The Grand Chessboard – Das große Schachbrett“ trug. Darin skizziert er, wie mit einer Nato-Osterweiterung und einer Westanbindung der Ukraine Russland zu einer nicht mehr europäischen Macht, sondern primär asiatischen Regionalmacht gemacht, besser: degradiert, werden soll und wie auf diese Weise die Weltherrschaft der USA zu stabilisieren sei. Die seither geführten US-Kriege (in Jugoslawien, Afghanistan, Irak) und die seither praktizierte Politik der US-Regierungen und nicht zuletzt diejenige der Nato unterstreichen, dass Brzezinskis Analyse in vielen Teilen Blaupause für die US-Politik ist. Im Folgenden Auszüge.

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Das Waschprogramm

Eine kurze Anleitung zur Reinigung von Schwarzgeld

Liebe Leserin, lieber Leser, haben Sie vielleicht Geld über? Zum Beispiel aus einem Drogengeschäft und möchten ein paar Millionen nicht unters Kopfkissen legen?

Ein solches Kapital sollte schon vernünftig angelegt werden. Aber wie investieren, ohne Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft zu alarmieren? Lunapark hilft und rät, von den Oligarchen zu lernen.

Zunächst sollten Sie ein paar Briefkastenfirmen offshore einrichten, über die Sie Ihre Geschäfte künftig abwickeln. Briefkastenfirmen, zum Beispiel auf den Cayman-Inseln, sind im dortigen Firmenregister eingetragen, brauchen aber keinerlei Geschäftstätigkeit auszuüben, und Name und Adresse ihrer Eigentümer werden nicht dokumentiert.

Für Ihre Briefkastenfirma brauchen Sie noch einen Direktor, der für Sie tätig wird, so dass Sie selbst nicht in Erscheinung treten. Der wird sich finden, aber davon später.

Roman Abramowitsch, den wir uns zum Vorbild nehmen wollen, unterhält auf Zypern sogar einen Trust, der wiederum Beziehungen zu einer ganzen Reihe von Briefkastenfirmen pflegt, sozusagen das Roman Empire dirigiert. Jede dieser Briekastenfirmen hat mehrere Konten bei diversen Banken, was sich als besonders sinnvoll erweist, sofern das Schwarzgeld nur in bar vorliegen sollte. Um also nicht mit einem zu dicken Koffer aufzuschlagen, ist die Summe gestückelt auf mehrere Konten einzuzahlen, was eine vertrauenswürdige Anwältin im Namen einer der Briefkastenfirmen übernehmen sollte. Liegt der Schatz erst einmal als Buchgeld in der Bank, kann es im Auftrag des Kontoinhabers, also der Briefkastenfirma eines nicht bekannten Eigentümers, auf ein beliebiges anderes Konto überwiesen werden.

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Ukraine-Krieg und Inflation

Kenneth Rogoff: „Krieg bringt Crash-Gefahr“

Mit dem Kreml-Krieg gegen die Ukraine kommt es zu einem weltweiten Schub zur Steigerung der Rüstungsausgaben. Dies muss den längst in Gang gekommenen inflationären Prozess weltweit steigern. Nur wenn Rüstung zu 100 Prozent über Steuern, also über einen Abzug bei den Lohn- und Kapital-Einkommen finanziert wird, lösen diese vermehrten Ausgaben keinen inflationären Prozess aus. Dieser Zusammenhang wurde von Ernest Mandel wie folgt beschrieben: „Die Rüstungsproduktion hat, monetär betrachtet, ein besonderes Merkmal; sie vermehrt die zirkulierende Kaufkraft, ohne einen zusätzlichen Zustrom an Waren als Gegenwert hervorzubringen. Selbst wenn diese gestiegene Kaufkraft zur Anschaffung von Maschinen und zur Einstellung von Leuten führt, die vorher arbeitslos waren, entsteht eine zeitweilige Inflation. Die Einkommen der Arbeiter und die Gewinne der Gesellschaften erscheinen auf dem Markt als Nachfrage nach Konsumgütern und Produktionsgütern, ohne d ass die Produktion dieser Güter gesteigert worden ist. Es gibt nur einen Fall, bei dem die Produktion von Rüstungsgütern keine Inflation verursacht: wenn alle Rüstungsausgaben restlos mit Steuern finanziert werden, das heißt, wenn die Kaufkraft der Konsumenten wie der Unternehmen entsprechend vermindert wird.“1

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Durchaus Pioniergeist

Welche Gründe gab es für das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei 1961?

Ein Gespräch über das Anwerbeabkommen der BRD mit der Türkei vor 60 Jahren

Kutlu Yurtseven: Das erste Anwerbeabkommen hatte die Bundesrepublik 1955 mit Italien geschlossen, beide Länder waren Mitglied der Montanunion, dem Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft.

Peter Bach: Ausgerechnet Deutschland, das im Zweiten Weltkrieg halb Europa in Schutt und Asche gelegt hatte, sammelte wieder ausländische Arbeitskräfte ein. Fünf Millionen deutsche Soldaten waren im Krieg gefallen, junge Männer, die den Kern einer neuen „Armee“ von Industriearbeitern hätten stellen können. Dann wurde 1961 die Mauer gebaut. Damit wurde der Zuzug von jährlich Hundertausenden Arbeitskräften abgeschnitten.

Drittens: Mit der Wiederbewaffnung der BRD ab 1956 wurden 260.000 junge Männer für die Bundeswehr gebraucht.

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In die falsche Richtung

Der „Maya-Zug“ auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán

Es ging durch die internationale Presse. Im Bade- und Touristenort Tulum an der mexikanischen Karibikküste lieferten sich verfeindete Drogenbanden am 20. Oktober eine nächtliche Schießerei in einer kleinen Bar. Zwei unbeteiligte Gäste auf der Terrasse kamen ums Leben, darunter eine Deutsche.

Tulum ist zuletzt explosionsartig gewachsen, wie dies in den Jahrzehnten zuvor erfolgte im Fall von Cancún und Playa del Carmen, zwei weiteren Städten an der Riviera Maya. Die Gewalt wuchs mit. Die Touristen, oft in All-Inclusive-Hotels isoliert untergebracht, bekommen davon nur in Ausnahmefällen etwas mit. Die einheimische und auf der Suche nach Arbeit zugereiste Bevölkerung kann jedoch nicht entfliehen.

Ähnliche Zustände könnte es bald an vielen weiteren Orten auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán geben, fürchten viele indigene und kleinbäuerliche Gemeinden. Sie haben Angst vor dem „Maya-Zug“. Sein Bau ist bereits in vollem Gange. Die derzeit durch Europa reisende große Delegation der indigenen zapatistischen Widerstandsbewegung spricht von einem „Projekt des Todes“.

Der Maya-Zug ist eines der Prestigevorhaben der sich selbst als links bezeichnenden Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador. Die Parallelen zum interozeanischen Korridor am Isthmus von Tehuantepec, beschrieben in Lunapark21 Nr. 53, sind auffällig.

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American Machismo

Die Gründung des Staates Bangladesch vor 50 Jahren – eine vergessene Episode des Kalten Krieges

„Die unattraktivsten Frauen auf der Welt sind ohne Zweifel die indischen Frauen … Absolut ohne Sexappeal diese Leute. Gut, manche sagen das von den Schwarzafrikanern. Nun, bei denen ist wenigstens Vitalität zu spüren. Die haben so einen putzigen Charme. Aber Gott, diese Inder, jämmerlich.“ „Ein Volk von Aasfressern.“

So beurteilte der US-amerikanische Präsident Richard Nixon die Lage, als im Sommer 1971 ein Konflikt zwischen Pakistan und Indien zu eskalieren drohte.

Im November desselben Jahres traf er die indische Premierministerin Indira Gandhi, eine der ersten Frauen in einem solchen Amt, im Weißen Haus. Nixon verachtete Gandhi als hochnäsige Intellektuelle. In einer Gesprächspause beklagte er sich gegenüber seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger über die Delegation aus Delhi: „Die törnen mich ab. Wie zum Teufel törnen die andere Leute an, Henry?“ Der meinte, die Inder wären „Meister der subtilen Schmeichelei.“ Damit hätten sie „600 Jahre überlebt.“ *

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