Brexit & Folgen

Die Argumente, mit denen hierzulande der Brexit kommentiert wird, lauten im Wesentlichen: Das war erstens eine Abstimmung, bei der die Alten die Jungen überstimmten. Zweitens eine der Provinz gegen die Städte. Drittens  setzte sich hier England gegen Schottland und Nordirland durch. Und viertens und vor allem handelte es sich um ein rechtes Votum, das EU-weit die Rechte stärkt. Was man daran ablesen könne, dass das Thema der Fremdenfeindlichkeit – die Kritik am „ungebremsten“ Zuzug von EU-Bürgerinnen und Bürgern – dominiert habe. Diese Argumente seien bedacht

Junge gegen Alte?

Beim britischen Ja zum Brexit hätten sich die Alten gegen die Jugend durchgesetzt. So hört und liest man es vielfach. Richtig ist: UK-weit gab es bei denen, die abgestimmt haben, ein deutliches Altersgefälle: Je älter desto EU-kritischer – so wurde abgestimmt. Bei den Menschen mit 65 und mehr Jahren stimmten 60 Prozent für den Brexit. Bei den 18-24jährigen waren es nur 27 Prozent, die für „leave“ stimmten. Die Scheidelinie lag ungefähr bei Menschen im Alter von 38 bzw. 39 Jahren. Diese Altersgruppe stimmte zur Hälfte für den Brexit („leave“) bzw. zur Hälfte gegen einen solchen Schritt „remain“.

Das ist zweifelsohne zunächst ein interessantes Ergebnis. Es kann interpretiert werden in dem Sinn, wonach diejenigen, die die „Zukunft vor sich haben“, offen für die EU sind. Die Älteren jedoch, so dieses „Narrativ“, verwehrten den jungen Leuten diese Zukunft unter dem blauen Banner mit den gelben Sternen. Martin Roth, Kulturwissenschaftler und Direktor des Viktoria und Albert Museums in London und gebürtiger Stuttgarter schrieb: „Weshalb nimmt man unseren Kindern die Hoffnung auf ein friedliches Europa? […] Die alten Männer triumphieren.“ (In: Berliner Zeitung vom 25. Juni 2016).

Zunächst sind die Angaben bereits rein quantitativ problematisch. Da es erhebliche Unterschiede bei den Ergebnissen in Schottland und Nordirland (= mehrheitlich pro EU) einerseits und England und Wales (= Mehrheit für Brexit) andererseits gab, wäre eine regionale Aufteilung dieser Jung-Alt-Abstimmungsergebnisse wichtig.

Sodann sind die Ergebnisse fragwürdig aufgrund der extrem unterschiedlichen Wahlbeteiligung. Tatsächlich gingen von den Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren nur 36 Prozent zur Wahl; es gab in dieser Gruppe 64 Prozent „Wahlenthaltung“. Umgekehrt gab es bei den Menschen im Rentenalter eine Rekord-Wahlbeteiligung von 84 Prozent.

Allgemein steht fest: Eine hohe Wahlbeteiligung gilt nicht nur „staatsbürgerlich“ – und nach den Kriterien der EU-Granden – als vorbildlich. Wahlergebnisse mit hoher Wahlbeteiligung sind auf alle Fälle auch wesentlich aussagekräftiger als solche mit niedriger Wahlbeteiligung.

Was diejenigen fast zwei Drittel der jungen Menschen, die nicht zur Wahl gingen, denken, kann niemand mit Sicherheit wissen. Auf alle Fälle lässt sich sagen, dass ihnen das Referendum nicht sonderlich wichtig war. Dass ihnen die Frage des Verbleibens in der EU oder eines EU-Austritt von Großbritannien eher als nebensächlich erschien. Was ja durchaus auch eine Aussage ist. Und was sich am Ende als nicht völlig falsch erweisen könnte.

Im Übrigen ist die inhaltliche Argumentation, wonach mit dem Brexit-Votum die Alten den Jungen „die Zukunft“ versperrten, höchst problematisch. Warum soll das Votum junger Menschen wichtiger als das von Älteren (wohlgemerkt: von Menschen ab 40 Jahren!) sein? Es lässt sich ja auch sagen: Die Älteren, die am 23. Juni UK-weit mehrheitlich gegen die EU stimmten, haben einige Jahrzehnte Erfahrungen mit der EU gesammelt; sie haben möglicherweise in dem Referendum im Jahr 1975, als 64 Prozent für eine EU-Mitgliedschaft stimmten – übrigens bei einer Wahlbeteiligung von „nur“ 67 Prozent; die Wahlbeteiligung am 23. Juni 2016 betrug UK-weit 72,2 Prozent –  für die EWG gestimmt und stimmten jetzt für einen Austritt aus der Europäische Union. Bereits die Tatsache, dass es 1975 um die EWG ging und 2016 um die EU geht hat erhebliche Bedeutung. Damals wurde über eine Wirtschaftsgemeinschaft abgestimmt. Heute geht es um eine Union, die sich zunehmend zu einem föderativen europäischen Staat entwickeln soll – mit gemeinsamer Währung und EU-Armee. In Großbritannien gab es nie eine Mehrheit für ein solches Projekt.

Bilanz: Das Argument, die Alten hätten hier gegen die Jungen und deren Zukunft gestimmt, ist statistisch fragwürdig und inhaltlich schlicht demagogisch.

Provinz gegen Städte?

Das Argument, hier habe eine eher dumpfe Provinz gegen die eher aufgeklärten Städter entschieden, stützt sich vor allem darauf, dass es in London eine deutliche Mehrheit (60%) für das „remain“ gab. Nun ist London vor allem geprägt vom Bankensektor, in dem mehrere Hunderttausend Menschen Beschäftigung finden. Das Geschäftsmodell des britischen Finanzsektors ist das einer Drehscheibe für einen großen Teil der internationalen Finanz- und Spekulationsgeschäfte, bei der der EU-Raum nach demjenigen in Nordamerika eine entscheidende Rolle spielt.

In anderen englischen Großstädten war das Ergebnis knapp – in der zweitgrößten britischen Stadt Birmingham stimmten beispielsweise 49,6 % für den Brexit und 50,4% für den Verbleib in der EU.

In vielen Industriestädten in England und in Wales gab es klare Brexit-Mehrheiten. Das gilt besonders für Städte, in denen es einen klassischen industriellen und Bergbausektor gab, der in den letzten drei Jahrzehnten weitgehend zerstört wurde.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis in der Stadt Sunderland mit knapp 200.000 Einwohnern. Region und Stadt waren früher von Bergbau und Werften geprägt; die letzte Werft machte 1988 dicht, die letzte Grube schloss 1994. Doch es gibt inzwischen eine neue, relativ stabile Industrie. Der französisch-japanische Autohersteller Nissan hat hier sein modernstes europäisches Werk. Nissan ist eng mit Renault verflochten. 70 Prozent der Pkw-Produktion gehen in den Export. Die Hälfte (der gesamten Fertigung) geht zollfrei in die übrige EU.

Die Werksleitung hat die Beschäftigten aufgefordert, mit „remain“ zu stimmen. Doch 61,3 Prozent in der Stadt und in der Region Sunderland stimmten für Brexit. Das Abstimmungsverhalten der direkt bei Nissan Beschäftigten lässt sich nicht ermitteln. Da die Gegend jedoch eindeutig von Nissan und den Autozulieferern dominiert wird, spricht viel dafür, dass auch dort die Brexit-Position eine Mehrheit hatte oder zumindest sehr stark vertreten war.

Bilanz: Das Referendumsergebnis lässt sich nur bedingt als ein solches „Land gegen Stadt“ interpretieren. Selbstverständlich spielte die wirtschaftliche Verflechtung mit der EU eine erhebliche Rolle, was das Beispiel London verdeutlicht. Das Ja zum Brexit war aber auch in Städten in England und Wales stark vertreten. Dabei stand dies sogar gelegentlich in offenem Widerspruch zu den direkten wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Interessen.

Stimmten die Engländer gegen Schotten und Nordiren?

In Schottland gab es ein klares Votum für die EU. 62 Prozent stimmten für „remain“, 38 Prozent für „leave“. In Nordirland fiel das Ergebnis pro EU bereits knapper aus – 55,8 Prozent stimmten für den Verbleib in der EU, 44,2 Prozent für einen Brexit. Dabei lag die Wahlbeteiligung in beiden Regionen deutlich unter derjenigen in England.

Das schottische Votum ist leicht nachzuvollziehen. Nachdem es vor zwei Jahren im schottischen Referendum über eine Lostrennung von Großbritannien keine Mehrheit gab, verspricht sich eine Mehrheit der Schottinnen und Schotten mehr Chancen auf regionale Autonomie innerhalb der Europäischen Union. Beziehungsweise in einem von der EU abgetrennten Großbritannien wird eine stärkere Zentralmacht London, die eine schottische Autonomie stärker beschneidet, befürchtet.

Das nordirische Votum dürfte teilweise ähnlich motiviert sein. Hier kommt hinzu, dass Nordirland mehr als England von EU-Geldern profitiert.

Das letztgenannte Argument kann dann wieder nicht überstrapaziert werden. Denn es trifft auch auf Wales zu – mit entgegengesetztem Referendumsausgang. Die walisische Bevölkerung stimmte gewissermaßen gegen ihre materiellen Interessen und fast exakt gleich wie diejenige in England: 52,5 % votierten für einen Brexit und eine Minderheit von 47,5 % für die EU.

In England (also ohne Schottland, Nordirland und Wales) war das Brexit-Ja mit 53,4 % (gegenüber 46,6 % für „remain“) am deutlichsten.

Bilanz: Das Aufdröseln der regionalen Voten – oder der Voten nach Nationalitäten – bringt wenige Erkenntnisse. Wären die Mehrheiten pro EU in Schottland und Nordirland größer gewesen und hätten sie ausgereicht, eine Pro-Brexit-Mehrheit in England in ein UK-weites „remain“ umzuwandeln, so wäre das sicher auch problematisch gewesen. Unter den gegebenen Bedingungen lässt sich sagen: Trotz der mehrheitlichen Remain-Voten in Schottland und Nordirland waren die Brexit-Mehrheiten in Wales und England so groß, dass es UK-weit ein mehrheitliches und durchaus auch klares Ja für den Brexit gab. 17,4 Millionen pro Brexit gegen 16,1 Millionen für ein Verbleiben in der EU sind ein klares Votum.

Sollte es nun als Folge des Brexit-Ja zu einem neuen schottischen Referendum und möglicherweise sogar zu einem irischen Votum für ein einheitliches Irland kommen, so sollten wir einer solchen Entwicklung gelassen entgegensehen. Die Spaltung Irlands in einen nördlichen Teil, der zum UK gehört, und in Südirland als Republik ist ohnehin ein Produkt des britischen Kolonialismus. Eine irische Einheit wäre eine nachvollziehbare, überwiegend positiv zu bewertende Entwicklung. Die deutsche Geschichte sollte da lehrreich sein.

Eine schottische Unabhängigkeit muss Sache der schottischen Bevölkerung sein. Die EU hat in jüngerer Zeit das Entstehen bedeutend kleinerer Staaten begrüßt und teilweise sogar gefördert (Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro). Im Übrigen spricht nichts dagegen, wenn die traditionell imperialistische Macht Großbritannien politisch geschwächt wird. Das könnte noch die eine und andere positive Folge nach sich ziehen (z.B. dass die Falkland-Islands wieder Malvinas werden und zu Argentinien gehören).

Brexit = ein rechtes Votum?

Das ist die gängigste Erklärung: Das Brexit-Ja sei gegen eine an sich fortschrittliche EU gerichtet. Es handle sich um ein Ja für den „alten britischen Imperialismus“ und wäre von Fremdenfeindlichkeit geprägt.

Richtig ist, dass Nigel Farange von UKIP und Boris Johnson von der Konservativen Partei in der Brexit-Kampagne den Ton angaben – und dass es sich hier um politisch rechts stehende Personen und Strömungen handelt. Einmal abgesehen davon, dass diese beiden Herren sich aus der britischen Politik – zumindest für absehbare Zeit – verabschiedeten und damit die Brexit-Kampagne ihre maßgeblichen, neoliberalen Köpfe verlor, ist es unzutreffend, das Brexit-Ja in dieser Weise zu generalisieren.

Tatsächlich wurde das Pro-EU-Lager bestimmt von den Führungen aller traditionellen Parteien (Konservative, Labour und Liberale). Es war ja auch die extrem neoliberale Führung der Konservativen Partei mit Cameron, Osborne & friends, die eine Kampagne für ein Remain führten. Das Brexit-Votum muss damit ja auch als ein Votum gegen Cameron gesehen werden.

Alle Wirtschaftsverbände und alle Bosse der größten Banken und Konzerne war im Pro-EU- Lager. Insbesondere die City of London und deren Vertreter beschworen die Bevölkerung, unbedingt mit „remain“ zu stimmen. Hinzu kam die gesamte politische EU-Klasse. Es fällt schwer, dieses Lager als fortschrittlich zu bezeichnen. Die Hoffnung einiger im Brexit-Lager, es werde im Fall eines Brexit-Erfolgs zu einer prioritären wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit den USA kommen, wurde massiv dadurch gedämpft, dass US-Präsident Obama inmitten der Referendums-Kampagne auf Staatsbesuch nach Großbritannien kam und sich ausdrücklich für die EU und für ein „remain“ einsetzte.

Ein Drittel der Labour-Wähler stimmte für einen Brexit und gegen die eigene Führung. Es waren historisch immer die Vertreter des linken Labour-Flügels – unter anderem mit dem legendären Tony Benn –  gewesen, der die EU politisch und von links kritisierten. Auch am 23. Juni waren es oft ausgesprochen linke Labour-Bezirke, die für einen Brexit votierten.

Auch im gewerkschaftlichen Lager gab es Brexit-Befürworter. Die Transport-Gewerkschaft RMT, die eine der kämpferischsten Gewerkschaften in Großbritannien überhaupt ist, befand sich im „leave“-Lager. Es gab mit der Trade Unionist and Socialist Coalition (TUSC) ein linkes Wahlbündnis bestehend aus besagter RMT und sozialistischen Parteien, die eine Kampagne für den Brexit führte. Die KP Großbritanniens war im „Leave“-Camp; am Tag nach der Wahl veröffentlichte ihr Generalsekretär Rob Griffiths eine Erklärung, in der es heißt: „The referendum result represents a huge and potentially disorientating blow to the ruling capitalist class in Britain, its hired politicians and its imperialist allies in the EU, the USA, IMF and NATO. The people have spoken and popular sovereignty now demands that the Westminster Parliament accepts and implements their decision. […] It is clear that the Cameron-Osborne government has lost the confidence of the electorate and cannot be trusted with the responsibility of negotiating Britain’s exit from the European Union. It should resign forthwith.”

Untersucht man das Abstimmungsverhalten entsprechend der soziologischen Schichtung und nach Einkommensgruppen, dann lautet das Ergebnis: Facharbeiter, Geringverdiener und „untere Mittelklasse“ votierten für einen Brexit. Erst die „Mittelklasse“ und die „gehobene Mittelklasse“ (wie immer die definiert sein mag; ich muss mich hier an die offiziellen Auswertungen halten) stimmten für ein Verbleiben Großbritanniens in der EU.

Generell lässt sich für England und Wales sagen: Je höher die Einkommen, desto mehr stimmten die Leute pro EU. Und umgekehrt.

Und wie verhält es sich mit der Fremdenfeindlichkeit und mit dem Rassismus? Natürlich gibt es diese auch. Sie ist aber nicht verbreiteter als z.B. in Deutschland. Die Wahlerfolge von UKIP hingen immer in erster Linie mit deren Nein zur EU zusammen. Rassistische Ausschreitungen gegen Migrantinnen und Migranten, wie es sie in Deutschland seit gut einem Jahr gibt,  gibt es in Großbritannien bislang zumindest nicht in vergleichbarem Ausmaß.

Es handelt sich bei den ausländerfeindlichen Grundtönen bei manchen Brexiteers auch um eine Reaktion auf eine Politik, die gemeinsam von der EU und den Regierungen in London (beginnend mit Tony Blair und „New Labour“) betrieben wurde: Nach der Osterweiterung kamen rund zwei Millionen Arbeitsmigrantinnen und –migranten nach Großbritannien, darunter bis zu einer Million Menschen aus Polen (polnisch sei, so eine jüngere Meldung, im UK nach Englisch die am meisten gesprochene Sprache). Ein großer Teil von ihnen arbeitet auf Basis von Tagesverträgen, ohne soziale Absicherung und zu deutlich niedrigeren Löhnen als die britischen Beschäftigten. Das wird zu Recht als systematisches Lohndumping gesehen – organisiert von der Regierung in London (die für Remain eintrat) und der EU (die für Remain eintrat) und  die beide nicht in der Lage waren und sind, den Grundsatz von gleichem Lohn für gleiche Arbeit und das Einhalten geltender Sozialstandards und Tarifverträge zu garantieren.

Wie weiter?

Es gibt in Brüssel und London Überlegungen, das Brexit-Ja zu ignorieren oder auf ein zweites Referendum zu setzen. Auch die Führung der Konservativen Partei und der Nachfolger bzw. die Nachfolgerin von Cameron könnten auf eine Lösung setzen, bei der faktisch alles beim Alten bleibt und damit der Mehrheitswillen der Bevölkerung missachtet wird.

Das kommt bekannt vor. 1992 sagten die Dänen Nein zum Maastricht-Vertrag. 2001 und 2008 gab es zwei Mal ein irisches Nein zum Nizza- und dann zum Lissabon-EU-Abkommen. 2005 gab es ein französisches und ein niederländisches Nein zur EU-Verfassung. Und wie reagierte da jeweils die EU? Man trat den Verfassungsentwurf in die Tonne und verabschiedete stattdessen einen Lissabon-Vertrag, in dem weitgehend das Gleiche steht wie im Verfassungsentwurf. Die Bevölkerung in Dänemark und diejenige in Irland durften so lange abstimmen, bis das Ergebnis (denen da oben) passte.

Und dann haben wir das griechische Beispiel: Vor fast exakt einem Jahr, am 5. Juli 2015, gab es in Griechenland ein Referendum. 61,2 Prozent der Bevölkerung stimmten mit „Ochi“, sagten „Nein“ zu einem neuen „Memorandum“, zu noch mehr „Sparen“ mit Rentenkürzungen, Steuererhöhungen,  Privatisierungen und Troika-Quadriga-Diktat. Die Griechinnen und Griechen gaben dieses eindeutige, beeindruckende Votum ab, obgleich die Banken, auf Druck der EZB, bereits seit einer guten Woche geschlossen waren. Obgleich sie einem medialen Trommelfeuer ausgesetzt waren, wonach „Ochi“ heißen würde: Raus aus dem Euro. Doch EU-Kommission, Berliner Regierung und Troika sagten: Legal, illegal, scheißegal und hielten den erpresserischen Druck aufrecht. Syriza kapitulierte. Seither führt Syriza die Politik der Gläubiger durch – gerichtet gegen die eigene Bevölkerung.

 

In der neuen (in zwei Wochen ausgelieferten) Ausgabe von Lunapark21 bringen wir ein Interview mit Dave Nellist. Dieser ist Mitglied der Socialist Party. Von 1983 bis 1992 war er Abgeordneter im britischen Unterhaus und von 1998 bis 2012 Stadtrat in Coventry. Er ist Vorsitzender der bereits angeführten Trade Unionist and Socialist Coalition (TUSC). Seine Bilanz und die Forderungen von TUSC lauten wie folgt: „In vielen Arbeitervierteln in denen man für „leave“ stimmte, um der Regierung, den Eliten, dem kapitalistischen Establishment, symbolisch eins auszuwischen, ist man mit dem Ergebnis zufrieden. Dabei ging es nicht nur um das Thema EU, sondern um Niedriglöhne, zero hour-Verträge, Sozialkürzungen, die Wohnungskrise und viele andere Dinge. […] Unsere wichtigste Forderung nach dem Rücktritt des Premierministers ist, dass es keine Krönung eines neuen Führers, sondern Neuwahlen geben muss. Arbeitende Menschen brauchen die Chance, diese Regierung zu beseitigen und durch eine neue zu ersetzen. […] Jeremy Corbyn, beliebt wie er in der Bevölkerung ist, […] muss jetzt zwei Sachen machen: Erstens muss er schnell eine Konferenz organisieren, die alle, die gegen Sparpolitik innerhalb und außerhalb der Labour Partei kämpfen, zusammenbringt. Zweitens muss er eine Tour durch das Land machen, um seinen Unterstützerinnen und Unterstützern neue Energie zu geben.[…] Der rechte Putsch gegen Corbyn wird Auswirkungen haben, vor allem, falls es zu einer Spaltung von Labour kommt. Schon jetzt hat sich in der zweitgrößten Gewerkschaft des Landes, UNISON, eine neue linke Formation gegründet, die der Gewerkschaftsführung sehr kritisch gegenübersteht. Die Lehrer wollen Anfang Juli streiken. Dieses und andere Themen werden auf einem Treffen von betrieblichen Aktiven der Gewerkschaftsbewegung im Rahmen der Konferenz des National Shop Stewards Network diskutiert werden. Es ist wahrscheinlich, dass diese Konferenz die Forderung nach einem 24-stündigen Generalstreik gegen Sparpolitik aufstellen wird.“

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