Die Lüge vom erschwinglichen Essen

Pestizide und ihre versteckten Kosten

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 ist die Bedeutung von Lebensmittelpreisen für die gesellschaftliche Stabilität erneut in das allgemeine Bewusstsein zurückgekehrt. Damals gab es in über 40 Ländern so genannte Food Riots, Hungerrevolten, die mehrere Regierungen ins Wanken brachten und zum Sturz der Regierung von Haiti führten.

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Der Milchzahntiger

Am 1. Januar 2023 wird das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft treten

Das Lieferkettengesetz stellt einen weiteren Versuch dar, Wirtschaft und Menschenrechte in Einklang zu bringen. Die Vorgeschichte reicht weit zurück.

Schon die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ vom 10. Dezember 1948 – eine nicht bindende Resolution der Uno-Vollversammlung – beschränkte sich nicht auf die klassischen bürgerlichen Rechte wie Meinungs- und Informationsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, sondern enthielt wichtige wirtschaftliche und soziale Aspekte. In ihren Artikeln 22 bis 26 geht es um das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Arbeit bei gleichem Lohn, das Recht auf Bildung.

Auch über 70 Jahre nach ihrer Verabschiedung werden diese Rechte wohl in keinem Land der Erde umfassend garantiert, denn profitorientiertes Wirtschaften und die Respektierung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte stehen zueinander im Widerspruch. Zu verbreitet ist das Prinzip der Privatisierung der Gewinne und Vergesellschaftung der Kosten.

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Der Ukraine-Krieg und die Welternährungskrise

Zwölf Tage nach Beginn des Krieges, am 8. März, publizierte die Welternährungsorganisation (FAO) eine 40-seitige Analyse, die sich mit den Risiken befasste, die aus dem Ukraine-Krieg für die globale Lebensmittelversorgung ergeben könnten, und gab einen düsteren Ausblick.1 Ausgangspunkt der Überlegungen war der Umstand, dass in den Jahren zuvor aus Russland und der Ukraine zusammengenommen 30 Prozent der globalen Weizenexporte und über die Hälfte der Exporte von Sonnenblumenkernen bzw. -öl kamen, außerdem Mais und Gerste.

Hinzu kommt, dass die Russische Föderation Platz 1 beim Export von Stickstoffdüngern und Platz 2 beim Export von Phosphor- und Kalidünger einnimmt. Bezogen auf die globale Exportmenge lag der Anteil Russlands laut FAO-Statistik in den letzten Jahren bei allen drei Pflanzennährstoffen grob gerechnet jeweils zwischen 10 und 15 Prozent. In 25 Ländern betrug der Anteil aus Russland importierter Düngemittel bei 30 Prozent und mehr. Die Synthese von Stickstoffdünger erfolgt fast ausnahmslos unter Verwendung von Gas in einem extrem energieintensiven Prozess, dem Haber-Bosch-Verfahren.

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Profit vor Wohlergehen

Die Pestizidindustrie exportiert hemmungslos in ungeschützte Regionen der Welt.

Pestizide sind biologisch hochaktive Substanzen, deren Zweck darin besteht, Lebewesen – unerwünschte Insekten, Pflanzen, Schimmelpilze etc. – in ihrer Entwicklung zu hemmen oder sie zu töten. Es ist einleuchtend, dass aus den Eigenschaften solcher Stoffe auch Gefahren für Mensch und Umwelt erwachsen – Gefahren, die von der Pestizidindustrie seit Jahren mit dem Slogan des „Safe Use“ (sichere Anwendung) verharmlost werden.

Zugleich ist die Tatsache, dass der Begriff „hochgefährliche Pestizide“ von der Welternährungsorganisation (FAO) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht nur offiziell anerkannt, sondern auch klar definiert wurde1, der agrochemischen Industrie ein Dorn im Auge. Laut FAO und WHO sind hochgefährliche Pestizide u.a. solche, die sich entweder durch eine hohe akute Giftigkeit auszeichnen (tödliche Wirkung bei weniger als 50 mg/kg Körpergewicht – WHO-Kategorie 1A bzw. 1B) oder der Gefahrenkategorie 1A oder 1B für Langzeitschäden zugeordnet wurden. Das Problem ist die fehlende Kopplung dieser klar formulierten Definition von hochgefährlichen Pestiziden an ein globales Verbot. Eine Ausnahme bildet die Europäische Union, denn dort wurde mit der Pestizidverordnung 1107/2009, die im Juni 2011 in Kraft trat, im Prinzip verboten, Pestizide zu vermarkten, die beim Menschen erwiesenermaßen (Kategorie 1A) oder wahrscheinlich (Kategorie 1B) das Erbgut schä digen, Krebs verursachen, die Fruchtbarkeit stören oder zu embryonalen Schäden führen (die beiden letztgenannten Effekte sind unter dem Begriff Reproduktionstoxizität zusammengefasst).

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Ansätze einer agrarökologischen Wende

Kubas Landwirtschaft am Scheideweg

Wenn über Kubas Produktion und Versorgung mit Lebensmitteln gesprochen wird, gehen die Meinungen auseinander. Dabei werden zwei Aspekte häufiger in eins gesetzt: Das Ziel, einen hohen Grad an Selbstversorgung durch die eigene Landwirtschaft zu erreichen und die Wahl der Mittel und der Organisationsformen. In der wissenschaftlichen Literatur gilt Kuba als Musterbeispiel für die Einführung effizienter agrarökologischer Anbauverfahren, bei denen der chemische Input minimiert oder ganz darauf verzichtet wird. Ob und wann Kuba den angestrebten höheren Anteil an der Selbstversorgung mit Lebensmitteln erreicht, sind noch offene Fragen. Wenn in den Medien von erneuten Rationierungen die Rede, ist, zeigt dies: Die Umstellung der Landwirtschaft vom agrarindustriellen, zentral und bürokratisch organisierten Typ zu einer dezentralen, agrarökologisch basierten Landwirtschaft ist auf dem Weg, das Ziel aber noch lange nicht erreicht.

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Projekt gescheitert – Geld verbrannt

Die Grüne Revolution in Afrika

Das subsaharische Afrika ist seit Jahrzehnten die Region mit dem höchsten Anteil chronisch Unterernährter an der Bevölkerung: stets über 20 Prozent und damit doppelt bis dreifach so hoch wie in Süd- bzw. Südostasien.1 Die Notwendigkeit, die Ernährungssituation in diesem Teil der Welt zu verbessern, ist also von unveränderter Dringlichkeit. Seinen Ausdruck findet das in entsprechenden Dokumenten der Welternährungsorganisation (FAO) und in Appellen des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung. Der belgische Juraprofessor Olivier de Schutter, der diese Funktion von 2008 bis 2014 innehatte, setzte sich intensiv für eine Lösung des Problems ein und erklärte im März 2011 nach ausgiebiger Diskussion mit Expertinnen und Experten, dass durch eine massive Förderung agrarökologischer Anbausysteme die Nahrungsmittelproduktion in kritischen Regionen der Welt innerhalb von zehn Jahren verdoppelt werden könnte.2

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Rassismus – ein Kontinuum US-amerikanischer Politik

In den Medien geht es beim Thema Rassismus in der Regel um verbale oder tätliche Übergriffe, um racial profiling durch Polizeikräfte und – selten – um institutionellen Rassismus. Die Black-lives-matter-Proteste in den USA prangern die Polizeigewalt bis hin zu Tötungsdelikten gegenüber der schwarzen Bevölkerung an. Inzwischen finden diese Proteste ihren Widerhall in anderen Teilen der Welt – Anlass, um sich hier mit der Kontinuität des Rassismus und seinen Verästelungen in den USA, dem vermeintlichen Mutterland der Demokratie, zu befassen. Mit dem Attribut „vermeintlich“ soll auf die große Kluft, die zwischen legislativen Errungenschaften einerseits und gelebter Praxis andererseits hingewiesen werden. Affirmative Action – ein Bündel von Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen, mit dem Ziel „die Auswirkungen einer spezifischen Form der Diskriminierung zu beenden und zu korrigieren“1 reicht bis in die 1930er Jahre zurück. Unter Präsident Roosevelt wurde 1933 mit dem Unemployment Relief Act erstmals ein Gesetz verabschiedet, dass bei Auftragsvergaben durch die Bundesregierung vorschrieb, dass „keine Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe oder Glaubensbekenntnis stattfinden darf.“2 Andererseits dauerte es weitere 35 Jahre, bis die Rassentrennung durch den 1968 vom Kongress verabschiedeten Civil Rights Act formal abgeschafft wurde.

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Neuer Feudalismus

Corona und die Gates-Stiftung

In der öffentlichen Diskussion zum Thema Covid-19 spielt Bill Gates immer wieder eine Rolle. Die Bill & Melinda Gates-Stiftung ist eine wichtige Geldgeberin für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Meinung über sie reicht von Verschwörungstheorien („Teil einer geheimen Weltregierung“) bis zu überschwänglichen Dankesbekundungen.

Kürzlich versuchte Thomas Gebauer, Sprecher von medico international, in einem Interview den Widerspruch zwischen diesen beiden Extremen durch einen verbalen Spagat aufzulösen, indem er einerseits die Ansicht vertrat, dass die Zwecke, für die die Gates-Stiftung Zuwendungen vergibt, „durchaus honorig seien“ und dass es „natürlich nicht um eine geheime Weltregierung“ gehe. Der „eigentliche, zu wenig wahrgenommene Skandal“ sei aber „eine Refeudalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse“. Letzteres bringt die Sache auf den Punkt, denn der Streit, ob die Gates-Stiftung Gutes oder Schlechtes macht, verfehlt das Thema. Mit anderen Worten: Wenn man gegen den Feudalismus ist, diskutiert man nicht darüber, welcher König gut und welcher schlecht ist – es geht um das System.

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Zahlen und „Hotspots“ bei Covid-19

Feinstaub in Norditalien und Bioaerosole in den Fleischfabriken

Selten beherrschten Zahlen so heftig und anhaltend die Medien wie in den letzten Wochen und Monaten. Zahlen suggerieren Transparenz und Exaktheit. Doch Transparenz beschränkt sich nicht darauf, dass man Zahlen nennt, sondern es erfordert auch, dass erläutert wird, wie sie entstehen und was sie bedeuten. Fehlende Transparenz ermöglicht, unliebsame Zusammenhänge auszublenden, stiftet Verwirrung und bietet Verschwörungstheorien einen Nährboden.

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Die Klimaschulden der Landwirtschaft

Eine kleinflächige Landwirtschaft ohne Pestizide wäre ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz

Die Medien vermitteln überwiegend den Eindruck, dass die Rettung menschenfreundlicher Klimabedingungen mit einem konsequenten Umstieg auf „Elektromobilität“ und dem Verzicht auf Kohleverstromung größtenteils erreicht wären. Das ist ein schlüssiges Konzept, denn trotz des temporären Widerstands einzelner, wenngleich mächtiger Akteure, d.h. der Autoindustrie und der Energiekonzerne, ist ein solcher Wandel systemkompatibel – an den Grundfesten eines kapitalistischen Wirtschaftssystems wird nicht gerüttelt. Ein nationaler Handel mit CO2-Zertifikaten, aber auch eine CO2-Steuer lassen die „Kräfte des Marktes“ unangetastet, ggf. unter leicht veränderten Rahmenbedingungen.

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