„Preis der Gegensätze“

Anmerkungen zum diesjährigen Ökonomie-Nobelpreis
Rudolf Hickel. Lunapark21 – Heft 24

In der Rechtfertigung des Komitees zur Vergabe des Ökonomie-Nobelpreises werden die drei Nobelpreisträger in diesem Jahr kurzerhand als eine gemeinsame Gruppe zur Erforschung der Bildung von Vermögenspreisen auf den Finanzmärkten zusammengefasst. Robert J. Shiller, Eugene Fama und Lars Peter Hansen ginge es unter anderem um die Antwort auf die Frage „Warum Aktienpreise steigen und fallen?“ Das Stockholmer Komitee erweckt auch noch den Eindruck, sie gehörten alle zur Bewegung der „behavorial finance“, die versucht, mit verhaltensökonomischen Ansätzen Irrationalitäten auf den Finanzmärkten zu erklären.

Die Deutsche Presseagentur hat in ihrer weit verbreiteten Berichterstattung diesen unsinnigen „Einheitsbrei“ übernommen. Nur wenige Tageszeitungen wagten es, die massiven Unterschiede zwischen Fama und Shiller zu nennen. Zu dieser Politik der Desorientierung durch die Entscheider aus Stockholm gehört auch der Hinweis, die drei Ausgezeichneten hätten mit ihren Theorien für die „Praxis wichtige Erkenntnisse“ geliefert. Dabei handelt es sich vor allem bei Fama und Hansen um hoch komplexe mathematische und ökonometrische Modelle mit wenig praktisch-instrumenteller Relevanz.

Der Verzicht auf eine differenzierte Darlegung der konträren Theoretiker bei der Aufklärung über die Ursachen der Finanzkrise ist ärgerlich. Die Wahrheit ist: Erstmals sind bei der Preisverleihung Vertreter zweier extrem konträrer Positionen geehrt worden. Das Handelsblatt spricht zu Recht vom „Preis der Gegensätze“.

Eugene Fama hat die „Effizienzmarkthypothese“ entwickelt. Letztlich geht er davon aus, dass die rational handelnden Akteure immer Markteffizienz und damit Gleichgewichtspreise auf den Vermögensmärkten produzieren würden. Verhalten und Verhältnisse führten am Ende zur effizienten Bildung von Aktienkursen. Herdenverhalten, irrationales Handeln, auch durch Spekulanten erzeugt, sowie die Wirkung der „animal spirits“ werden nicht erkannt. Solche als Anomalien beschriebenen Phänomene würden in den Marktprozess eingepreist. Es gilt: „Der Markt kann langfristig nicht geschlagen werden“ – selbst nicht mit Insidergeschäften. Wenn alle Informationen bekannt sind und sich Nachfrager und Anbieter wie auf dem Kartoffelmarkt rational verhalten, dann gibt es auch keine Krisenanfälligkeit der Finanzmärkte. Logisch konsequent hat daher Fama die Verhaltensökonomik, mit der Anomalien des Marktes erklärt werden, scharf zurückgewiesen. Diese spätestens mit der Dotcom- und jüngsten Finanzmarktkrise gescheiterte Theorie von der stabilen Markteffizienz wird mitten in der Verhinderung künftiger Abstürze mit negativen Wirkungen auf die Realwirtschaft mit dem Nobelpreis 2013 geehrt.

Robert J. Shiller dagegen hat diese These von sich selbst stabilisierenden Finanzmärkten explizit scharf attackiert und seine Gegentheorie entwickelt. Für ihn stehen irrationales Verhalten und damit irrationale Erwartungen (Buchtitel Irrational Expectation, 2003) vor allem durch den Herdentrieb und auch Spekulanten im Mittelpunkt. Zusammen mit George Ackerlof hat er die von John Maynards Keynes erstmals betonte Sicht der „animal spirits“ weiterentwickelt. Danach lassen sich – im fundamentalen Unterschied zu Fama – nicht einmal mehr mathematische Wahrscheinlichkeiten zur Funktionsweise von Finanzmärkten abbilden.

Während Robert J. Shiller die Krise der „New Economy“ von 2000 sowie die Immobilienkrise (CD0-Krise) von 2007/08 prognostizieren konnte, hätte es nach Fama die beiden Krisen nicht geben dürfen. Shiller zu Fama im O-Ton 1981: „Für den zwanglosen und ehrlichen Beobachter sollte aufgrund der Volatilitätsargumente wie den hier dargestellten klar sein, dass die Effizienzmarkthypothese falsch sein muss … Das Scheitern des Modells der Effizienzmarkthypothese ist so dramatisch, dass es unmöglich erscheint, das Scheitern solcher Dinge wie Datenfehlern, Problemen des Preisindex oder Änderungen im Steuerrecht zuzuschreiben“ (Robert J. Shiller 1981). Dass das Modell von Fama gescheitert ist, beweisen die Dotcom- und Finanzmarktkrise.

Diese Preisverleihung ist eine Provokation. Sie zielt eher auf wissenschaftlichen Stillstand. Anstatt die Weiterentwicklung der relevanten Theorie von Shiller zur Finanzmarktkrise zu stärken, wird auch der Verfechter der gescheiterten These von sich optimal stabilisierenden Finanzmärkten geehrt. Das stärkt die Kräfte, die eine Regulierung der Finanzmärkte ablehnen. Die Nobelpreis-Verleiher haben mit diesem ärgerlichen Wissenschaftspluralismus der Weiterentwicklung der Theorien zur Vermeidung ökonomischer Krisen einen Bärendienst erwiesen.

Rudolf Hickel ist Professor für Finanzwissenschaft; Forschungsleiter am Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) in Bremen

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