Das Ende des Bipartidismo

Zu den Landtags- und Kommunalwahlen in Spanien

Thomas Fruth in Lunapark21 – Heft 30

Die Wahlen vom 24. Mai in 13 Bundesländern (autonomias) beenden den Dualismus zwischen PP (Partido Popular, Konservative Partei) und PSOE (sozialdemokratische Partei), der die spanische Politik seit dem Ende der Franco-Diktatur im Wesentlichen beherrscht hat.

In keinem der 13 Bundesländer, in denen gewählt wurde, kann ab jetzt PP oder PSOE ohne Koalitions- oder zumindest Tolerierungs-Partner regieren. Die PP ging, gefolgt von der PSOE als – relativ – stärkste Partei aus den Wahlen hervor. Podemos belegt den dritten Platz, gefolgt, mit deutlichem Abstand, von Ciudadanos. Die beiden neuen Parteien Podemos und Ciudadanos konnten zwar erfreuliche Ergebnisse erzielen, es gelang jedoch Podemos nicht, an der PSOE vorbeizuziehen.

Manuela Carmena (Madrid) und Ada Calau (Barcelona), die auf Podemos nahe stehenden Listen für die Ämter als Bürgermeisterinnen kandidierten, haben in den beiden mit Abstand wichtigsten Städten Spaniens jeweils die relative Mehrheit der Stimmen erhalten und sind mit Unterstützung der PSOE in Madrid und regionaler Parteien in Barcelona zu Bürgermeisterinnen gewählt worden. Dies kann als Meilenstein gewertet werden.

Sofern die PSOE nicht den Weg der deutschen Sozialdemokratie geht – sie scheint es nicht zu tun, obwohl sicherlich entsprechender Druck aus Berlin ausgeübt wird – bestehen gute Chancen, dass die PP-Regierungen in den meisten Ländern durch PSOE Regierungen, toleriert durch Podemos und – teilweise – zusätzlich durch Ciudadanos, ersetzt werden.

Dies wäre insbesondere in Valencia und Madrid (Bundesland), den PP-Hochburgen der Korruption, ein bedeutender Fortschritt. Der junge, noch nicht in Korruptionsskandale verwickelte Vorsitzende der PSOE, Pedro Sánchez, ist ein auch für Podemos akzeptabler Bündnispartner.

Dies gilt allerdings nicht für Andalusien, wo bereits im Frühjahr gewählt wurde. Dort ist die seit vielen Jahren regierende Susana Díaz (das Gesicht der Korruption der PSOE schlechthin), die ebenfalls ihre Mehrheit verloren hat, bisher zu keinen großen Zugeständnissen beim Thema Korruptionsbekämpfung bereit. Trotzdem hat Ciudadanos sie zur Ministerpräsidentin gewählt und so vermieden, zum Anhängsel der PP zu werden.

Neben dem Gefeilsche um Posten und Pöstchen, an dem sich auch Podemos und Ciudadanos fleißig beteiligen, geht es für die Parteien darum, sich für die Wahlen auf gesamtstaatlicher Ebene in Stellung zu bringen. Da die spanische Wirtschaft in einen Aufschwung eingetreten ist (OECD-Prognose für das BIP Wachstum 2,9 bzw. 2,8% für 2015 und 2016 und Sinken der Arbeitslosigkeit von 26,1% in 2013 auf 20,3% in 2016) wird die Wirtschafts- und Sozialpolitik das beherrschende Thema des Wahlkampfs nach der Sommerpause sein.

Dies gilt auch für Katalonien, wo – möglicherweise – im September Landtagswahlen anstehen, und wo sich Ada Calau geweigert hat, ein Manifest der Unabhängigkeit zu unterschrieben, das ihr die rechten und linken Regionalparteien zur Unterschrift vorgelegt haben. Calau hat dagegen erklärt, dies sei nicht das zentrale Thema für Katalonien, sondern die Bekämpfung der Zwangsräumungen, die Verbesserung der sozialen Lage und die Bekämpfung der Korruption, letzteres kein angenehmes Thema für die dominierende und regierende konservative Nationalpartei Kataloniens (CiU).

Ansonsten stellen Podemos und Ciudadanos bisher als einzige Bedingung für die Tolerierung, sei es der PSOE oder der PP, dass es zu nachvollziehbaren Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung kommt. Podemos fordert darüber hinaus ein Ende der Zwangsräumungen (in den großen Städten ein zentrales Thema), die Senkung der Einkommenssteuer im Sinne einer Umverteilung zugunsten der kleineren Verdienste und ein Programm zur Unterstützung kleiner Unternehmen durch den Staat.

Die weitere „Entradikalisierung“ ihres Programms öffnet Podemos den Weg, nach den Wahlen im Herbst bzw. Winter als Junior-Partner in eine Koalition mit der PSOE einzutreten. Eine – auch nur relative Mehrheit – für Podemos bei diesen Wahlen steht nicht mehr im Raum. Der PSOE sieht sich in der komfortablen Lage, mit Hilfe von Podemos den zukünftigen Ministerpräsident zu stellen oder als kleinerer Partner in eine Regierung mit der PP einzutreten. Entsprechend verkündet der PSOE schon jetzt, dass die spanische Wählerschaft keine Revolution, sondern Reformen wolle, vor allem im Bereich des Sozialstaates und der Demokratie (also weniger Korruption). Und wer wäre besser geeignet, solche Ziele umzusetzen, als die Sozialdemokraten – wohl wahr!

Thomas Fruth schrieb zuletzt in Lunapark Nr. 29 über das Wahlprogramm von Podemos

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