Männerjobs top – Frauenjobs flop. Wertigkeit von „Männerarbeit“ und „Frauenarbeit“

Aus Lunapark21 – Heft 19

Die Tatsache, dass es eine unterschiedliche gesellschaftlich konstruierte Wertigkeit von Frauen- und Männerarbeit gibt, ist nicht neu und wurde ausführlich analysiert. Die Statistik für Deutschland ist aber doch immer wieder ein Hingucker: Der Bruttostundenlohn von Frauen in Deutschland liegt im Durchschnitt 23 Prozent unter dem der Männer. Um das Gehalt eines Durchschnittsmannes für 2012 zu erreichen, muss also eine deutsche Durchschnittsfrau fast drei Monate länger arbeiten, bis zum 25. März 2013– dem sogenannten „Equal Pay Day“.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zufolge ist dieser Einkommensunterschied auf die vielerorts unzureichende Kinderbetreuung zurückzuführen und darauf, dass Frauen im Beruf deutlich weniger höhere Positionen bekleiden. Als Familienministerin wäre sie eigentlich in der besten Position, diese Situation zu ändern. Stattdessen sieht sie – so ihr jüngst veröffentlichtes Buch „Danke, emanzipiert sind wir selber“ – die Frauen selbst in der Pflicht. Sie hätten heute alle Möglichkeiten und müssten diese nur nutzen. Wenn zuständige Ministerinnen solche Auffassungen vertreten, ist es nicht besonders verwunderlich, dass kaum politische Maßnahmen auf der Tagesordnung stehen, die auf mehr Geschlechtergerechtigkeit abzielen. Die aktuellen Debatten machen zumindest deutlich, wie noch immer Geschlechterrollen reproduziert und manifestiert werden.

Zuletzt zeigte sich das in der Debatte um die Schlecker-Pleite: Schlecker beschäftigte zu 95 Prozent Frauen – und das zu miserablen Arbeitsbedingungen: Verkäuferinnen und Servicekräfte (Minijobs) arbeiteten oft allein in einer Filiale und waren so immer wieder eine ideale Zielscheibe für Überfälle. Dass die Frauen nach einem Überfall am nächsten Tag sofort wieder zur Arbeit antreten mussten, war nur die Spitze des Eisbergs. Nach der Pleite wurde zum Juni 2012 insgesamt 13200 Beschäftigten gekündigt – also rund 11000 Mitarbeiterinnen. Es wurden vor allem Verkäuferinnen, in erster Linie die „Minijobberinnen“, entlassen, die typischen Frauenjobs bei Schlecker eben. Ver.di forderte daraufhin die Politik auf, den Schlecker-Beschäftigten mit einer Verlängerung des Insolvenzgeldes und der Schaffung einer Transfergesellschaft zu helfen. In der Presse war nun auf einmal überall die Rede von „den Schleckerfrauen“ – einer Masse hilfloser Opfer, denen geholfen werden musste. An Vorschlägen mangelte es nicht: Wirtschaftsminister Rösler zeigte sich besorgt um ihre „Anschlussverwendung“. Bundesarbeitsministerin von der Leyen schlug vor, die „Schleckerfrauen“ zu Erzieherinnen umzuschulen und damit den Kita-Ausbau zu befördern. Kristina Schröder, ohnehin unter Druck, was die Fortschritte des Ausbaus angeht, begrüßte diese Idee. In den Medien allerdings brach ein Sturm der Entrüstung los. „Schleckerfrauen“ in unsere Kitas? Das wäre doch das Letzte!

Abgesehen davon, in welch paternalistischer Art und Weise über „die Schleckerfrauen“ diskutiert wurde, ist an der Geschichte interessant, wie wenig ernsthaftes Engagement von Seiten der Politik in der Schlecker-Pleite zu verzeichnen war.

Erziehungsberufe sind ebenfalls Frauendomänen. Die Debatte um die besagte „Anschlussverwendung“ der „Schleckerfrauen“ zeigt die Geringschätzung, mit der beide Berufe behandelt werden: Nach dem Motto: „Wenn sie nicht mehr Regale einräumen, sollen sie eben in den Kitas arbeiten“ wurde der Eindruck erweckt, als seien weder Verkäuferin noch Erzieherin bzw. Erzieher (von letzteren gibt es aber sehr wenige) komplexe und gesellschaftlich wertvolle Berufe, für die man eine bestimmte Eignung mitbringen sollte und auch meist mitbringt. Beides sind Ausbildungsberufe, die von den meisten Frauen bewusst gewählt wurden. Keinesfalls wollen wir den ehemaligen Schlecker-Beschäftigten die Kompetenz zur Umschulung absprechen. Vielmehr geht es um eine in der Debatte konstruierte Austauschbarkeit typischer „Frauenjobs“.

Inzwischen mag niemand mehr so recht an den gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz ab 2013 glauben. Seit Jahren ist vollkommen absehbar, dass in Deutschland ein akuter Mangel an Erzieherinnen und Erziehern herrscht. Warum gab es keine Kampagne zur Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung des Erzieherberufs mit gleichzeitiger Aufwertung der Tätigkeit durch bessere Bezahlung? Warum wird für neue Ingenieurinnen und Ingenieure geworben, nicht aber für Erzieherinnen und ganz besonders auch Erzieher? Stattdessen sollen die Lücken im Stellenbedarf durch eine „Restkategorie“ gefüllt werden – von Arbeitssuchenden aller Art, wer auch immer gerade zur Verfügung steht.

Ganz anders sah das zum Beispiel 2009 in einer typischen Domäne der „Männerarbeit“ aus, dem Maschinenbau. Der weltgrößte Druckmaschinenhersteller Heidelberger Druck mit 18300 vor allem männlichen Beschäftigten geriet im Zuge der Finanzkrise in die roten Zahlen. Er erhielt umgehend ein staatliches Finanzierungspaket mit Krediten und Darlehen in Höhe von 1,7 Miliarden Euro.

Gleiches Spiel in der Autoindustrie: Als Opel im Januar 2009 gefährdet war, wurde die Rettung des Autobauers sofort zum zentralen politischen Thema. Die Kanzlerin persönlich reiste an, der damalige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg machte die Rettung zu seinem zentralen Thema, und der Staat bürgte in Milliardenhöhe für die Rettung. Der Unterschied? In der Autoindustrie arbeiten typischerweise überwiegend Männer, davon viele Facharbeiter.

Und nochmal Automobilindustrie: In der Krise 2008/2009 fiel der Regierung als Rettungsmaßnahme nichts Besseres ein als die zur „Umweltprämie“ beschönigte Abwrackprämie. Auch hier ging es um die Rettung von Jobs in einer Männerbranche. Niemand erteilte den Facharbeitern dort paternalistische Ratschläge für ihre „Anschlussverwendung“ beispielsweise im Wachstumssektor alternative Energien. Das Geld für die Rettung der Jobs hätte man sehr viel besser in alternative Verkehrskonzepte oder beispielsweise im Erziehungs- und Bildungssystem investieren können.

Das alles passiert, obwohl klar ist, dass die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sehr viel weniger nachhaltig sind als solche im Einzelhandel oder der Kinderbetreuung und ohnehin keine sehr lange Zukunft mehr haben werden: Dass die Automobilindustrie in Zeiten von „Peak Oil“ und der immer deutlicher werdenden Klimakrise einen Strukturwandel durchmachen muss und in Zukunft nicht mehr die Rolle spielen kann wie heute, wird immer deutlicher. Bereits jetzt gibt es weltweit riesige Überkapazitäten in der Produktion von Autos. Ähnlich ist die Schieflage im Kohlebergbau: Seit Jahren ist diese Domäne der „Männerjobs“ hoch subventioniert, und über die mangelnde Nachhaltigkeit dieser Branche muss an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

Wie sich die Politik für die Rettung bestimmter Jobs einsetzt oder eben auch nicht, trägt zur Manifestierung gesellschaftlicher Wertigkeiten bei. Diese beispielhaften Vorgänge zeigen, dass ein solches Engagement bei typischen Männerjobs oft weitaus höher ist als bei Frauenjobs. Geschlechtergerechtigkeit muss auch mit Fragen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit von Arbeit zusammen gedacht werden. Würde gesellschaftlich und ökologisch wertvolle Arbeit auch entsprechend bezahlt, so wäre der Anreiz für beide Geschlechter höher, solche Jobs anzunehmen. Allerdings sollte auch jenseits der aktuellen finanziellen Entlohnung die Wertschätzung bestimmter Arbeiten neu justiert werden. Tut nicht jede Erzieherin gesellschaftlich nützlichere Arbeit als ein Investmentbanker?

Simone Holzwarth (Erziehungswissenschaftlerin) und Bernhard Knierim (Biophysiker) leben und arbeiten in Berlin. Als junge Familie sehen sie sich tagtäglich mit praktischen Fragen der Geschlechtergerechtigkeit konfrontiert.

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